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Karlsruhe: "Steffi bleibt": Die turbulente Zeit der linken Hausbesetzungen in Karlsruhe

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"Steffi bleibt": Die turbulente Zeit der linken Hausbesetzungen in Karlsruhe

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    Die Ex-Steffi in Karlsruhe
    Die Ex-Steffi in Karlsruhe Foto: Stadtarchiv: 8_BA_Erbacher_1036

    Das Gebäude in der Stephanienstraße 60-64 war eine einmalige zahntechnische Fabrik, die der Evangelischen Stadtmission gehörte und stand vor der Besetzung rund 12 Jahre leer.

    Gegen 5 Uhr morgens am 30. November 1990 wurde es von einer erstmal unbekannten Anzahl junger Karlsruher besetzt, die von der Eigentümerin Nutzungsverträge forderten. Ursprünglich hatte die Stadtmission das Anwesen im Jahr 1978 erworben, um dort eine Einrichtung für Schwerbehinderte zu schaffen.

    In Karlsruhe fehlt Wohnraum

    Bis 1990 war es hauptsächlich aufgrund von Widersprüchen durch die Nachbarn nicht möglich gewesen, diesen Plan zu verwirklichen. In der Fächerstadt standen zu dieser Zeit viele Häuser leer und ein Anliegen der Hausbesetzer war es, auf den Leerstand und den fehlenden Wohnraum in Karlsruhe hinzuweisen.

    Sowohl die jungen Leute als auch die Stadtmission wollten die Sache jedoch friedlich lösen – die Besetzer hatten kein Interesse an einer Konfrontation mit der Polizei, hieß es. Das Gebäude war zudem kein "Spekulationsobjekt", wie die Besetzer behaupteten.

    Die Steffi wird Zentrum der Karlsruher Antifa

    Nach vier Tagen erklärte sich die Stadtmission zu Verhandlungen bereit und am 24. Dezember endete die illegale Situation mit einem Vertrag, der erstmal bis Ende April 1991 befristet war. 1991 lebten 37 Menschen im Alter von 17 bis 48 Jahren in der Steffi, wie die Bewohner – überwiegend Männer – ihr Wohnhaus nannten.

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    Foto: Solinar

    Aber die Steffi war mehr als nur ein Wohnhaus – hier fanden Diskussionen und Treffen von politisch radikalen linken Gruppen in Karlsruhe statt und es war das Zentrum der Karlsruher Antifa, der Anti-faschistischen Aktion. Hier fanden auch regelmäßig politische Veranstaltungen und Filmabende statt. Gleichzeitig wurden die Bewohner von Seiten der rechten Szene bedroht.

    "Steffi bleibt!"

    1991 wurde der Nutzungsvertrag bis zur Vorlage einer Baugenehmigung verlängert, doch dann kündigte die Stadtmission ihn vorzeitig bis zum 31. Juli 1992. Nachdem die Bewohner Berufung einlegten, wurde gerichtlich vereinbart, dass das Haus erst geräumt werden durfte, wenn eine Baugenehmigung vorlag. Dies ergab sich im Sommer 1997 und die inzwischen 60 Bewohner wurden aufgefordert, das Gebäude innerhalb sechs Wochen zu räumen.

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    Foto: ka-news

    Am 30. August fand nach einem bundesweiten Aufruf eine Demonstration gegen die Räumung mit rund 1.000 Menschen in der Innenstadt von Karlsruhe statt. Die Teilnehmer kamen teilweise aus der Hausbesetzerszene in Köln, Flensburg, Duisburg, Berlin und Konstanz. Die Demo zog vom Europlatz zum Marktplatz, in die Südstadt zum Werderplatz, vor die Steffi und wieder zurück zum Euro, immer wieder mit der skandierten Forderung "Steffi bleibt!"

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    Foto: Solinar

    Obwohl alles insgesamt friedlich verlief, wurde bei einem jungen Mann vor der Demo zwei Messer gefunden und vier weitere Teilnehmer wurden wegen Verstößen gegen das Ausländergesetz gesucht. Zwei andere wurden wegen Trunkenheit im Straßenverkehr angezeigt.

    Kai Schmidt, Sprecher der Steffi-Bewohner, hatte bereits vor der Demo betont, dass es nicht eskalieren sollte, da dies nicht im Interesse der Bewohner lag. Abgesehen von einem Mann, der plötzlich auf dem Dach eines Geschäftshauses in der Kaiserstraße mit einem Transparent "Steffi bleibt!" erschien, ist nichts weiter Aufregendes vorgefallen.

    Die neue Ex-Steffi wird von Polizei gestürmt und zurückgebaut

    Die Stadtverwaltung hat jedoch eine Woche vor der Räumung eine Alternative für die Bewohner gefunden – das Haus in der Schwarzwaldstraße 79, mit einem auf drei Jahren befristeten Vertrag mit der Stadt. Am 15. September fand der Umzug statt, wobei nicht alle Bewohner sich anschlossen. Für diejenigen, die umgezogen sind, ging die politische Arbeit und Veranstaltungen in der sogenannten Ex-Steffi weiter, zusammen mit Mitgliedern des Vereins "Selbstbestimmtes Leben".

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    Foto: ka-news

    Ein Flügel des Hauses wurde im neuen Domizil von der Hochschule für Gestaltung (HfG) verwendet. Beim Auszug der HfG am 16. Dezember 2000 ließ die Stadt die Inneneinrichtung in dem Flügel von Polizeieinheiten zerstören und einige Tage später Fenster und Türen zumauern, um einer möglichen Hausbesetzung zuvorzukommen. Daraufhin protestierten die Mitbewohner der Ex-Steffi. Im Mietvertrag stand, dass die Stadt Verhandlungen mit der Ex-Steffi aufnehmen würden, wenn diese Wohnungen frei geworden wären.

    Auch die Ex-Steffi geht zu Ende

    Die Stadtverwaltung hatte bereits im Mai 2002 den Bewohnern angekündigt, dass der Mietvertrag nach dem September 2003 nicht mehr verlängert werden konnte. Das wurde jedoch nach Ablauf dieser Frist von den Ex-Steffi-Bewohnern nicht akzeptiert. Am 27. Juli 2004 begann ein Prozess zwischen der Ex-Steffi und der Stadt, der mit einem Vergleich endete.

    Die Ex-Steffi in Karlsruhe
    Die Ex-Steffi in Karlsruhe Foto: Stadtarchiv: •8_BA-Erbacher_1037

    Das Wohnrecht wurde anschließend für die Ex-Steffi-Bewohner bis zum 31. Januar 2006 verlängert. Da die Bewohner bis dahin immer noch nicht ausgezogen waren, war die Schwarzwaldstraße 79 ein besetztes Haus, das die Stadt morgens kurz nach 6 Uhr am 6. April 2006 durch Einheiten der Polizei räumen ließ.

    Die Bewohner der Ex-Steffi hatten laut Polizeiberichten das Haus "massiv verbarrikadiert" – "Traut Euch!" stand in orange auf einer verschrotteten Tür, die sie vor das Gebäude gestellt hatten. Damit begründet die Stadtverwaltung den Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) für die Räumung.

    21 Personen vorläufig festgenommen

    Mit einer Drehleiter gelangten sie aufs Dach und entfernten Ziegel, um in das Haus zu klettern und die Ex-Steffi zu sichern. An einem Fenster, an dem Bewohner ein Bild von einem Vermummten mit einem Vorschlagshammer gesprayt hatten, dockt die Polizei mit einer Hebebühne an und holt darüber 15 Leute nach draußen.

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    Foto: ka-news

    Einige wenige Leute wurden weggetragen, weitere sechs haben sich im Dachgeschoß versteckt und wurden erst später entdeckt. Obwohl die Räumung ohne Widerstand verlief, wurden 21 Personen vorläufig festgenommen. Am Abend fand eine friedliche Demonstration mit rund 100 Personen auf dem Marktplatz statt, zu der der Verein "Selbstbestimmtes Leben" aufgerufen hatte.

    Hintergrund:

    In der Ex-Steffi lebten die Leute selbstorganisiert. Im Jahr 2005 betrug die Miete für das Haus 3.000 Euro im Monat. Alle Angebote der Wohngemeinschaft waren unkommerziell ausgerichtet und somit für Leute mit niedrigem Einkommen zugänglich - beispielsweise stand in den Räumen ein Laden zur Weitergabe von Kleidung zur Verfügung. Rund 20.000 Menschen nahmen jährlich am kulturellen Leben teil.

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