"Viele Opfer von sexuellem Missbrauch wenden sich erst an Hilfsorganisationen; oft auch erst, wenn schon einige Zeit verstrichen ist", erzählt Hartmut Melcher von der Polizei Karlsruhe. Zu diesen Organisationen gehören allen voran der Wildwasser Frauennotruf, der Weiße Ring und AllerleiRauh der Stadt Karlsruhe.
"Zwar werden die Opfer oft an uns weitergeleitet, doch muss der Kontakt von ihrer Seite aus hergestellt werden", erklärt Karl Furrer vom Weißen Ring Karlsruhe. Meistens treffe sich dann ein Mitarbeiter mit dem Opfer an einem neutralen Ort und lasse es erzählen, ohne es "auszuquetschen", wie Furrer fortfährt.
Doch da der Weiße Ring sich um Opfer jeglicher Gewaltdelikte kümmert, verweist er die Opfer von sexueller Gewalt oft an den Wildwasser Frauennotruf.
Hilfe in vielen Sprachen
Dieser Verein bietet von Präventionsveranstaltungen, über Selbsthilfegruppen und Beratungen bis zur Begleitung zu Ärzten oder der Polizei alles an, um Opfern sexueller Gewalt beizustehen. Doch oft kämen auch Bezugspersonen, Lehrer oder Verwandte der Mädchen oder Frauen in die Beratungsstelle, wie eine Mitarbeiterin des Wildwasser Frauennotrufs erzählt.
Der Wildwasser Frauennotruf kann ein breites Hilfsspektrum vorweisen: Es gibt die Möglichkeit mit einer Gebärdensprache-Dolmetscherin zu sprechen, die Informationen werden mehrsprachig und in Brailleschrift angeboten.
An den Verein wenden sich im Jahr etwa 200 Mädchen und Frauen, doch die Dunkelziffer von Opfern sexueller Gewalt sei möglicherweise sogar doppelt so hoch, wie Melcher vermutet. Außerdem differenziert er zwischen Taten im "sozialen Nahbereich - also ausgeübt durch Familienangehörige oder aus dem Freundeskreis - und Fremdtätern". Letztere seien eher selten und eine sehr komplexe, kriminaltechnische Aufgabe. Es müssten Fingerabdrücke oder DNA-Proben genommen und mit Datenbanken verglichen, Zeugen befragt, Phantombilder erstellt oder Überwachungsvideos überprüft werden.
"Allerdings liegt die Aufklärungsquote bei von Fremdtätern verübten Taten bei maximal 50 Prozent", berichtet Melcher. Anders sähe es bei Taten aus, die im sozialen Nahbereich stattfinden. Hier würden etwa zwei Drittel der Taten aufgeklärt. Und das, obwohl der Prozess viel schwieriger ist als bei Fremdtätern: Für diese Opfer bedeutet es eine große Überwindung, die Tat und die Täter überhaupt anzuzeigen. Oft würden sogar Jahre verstreichen bis das Opfer sich an die Polizei wendet.
Schwierige Beweisführung
Außerdem stünde in solchen Fällen - öfter als bei Fremdtätern - Aussage gegen Aussage. "Der Geschlechtsverkehr als solcher wird an für sich selten bestritten; problematisch ist meistens die Frage des Einverständnisses", so Melcher.
Dementsprechend sei die Beweisführung langwierig und kompliziert. Ärztliche Gutachten könnten nur kurz nach der Tat erstellt werden, daher würde gerade bei Kindern oft ein psychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten erarbeitet.
Ist der Fall polizeilich gelöst, "gibt es nur Hü oder Hott", wie Melcher erzählt - entweder wird die Unschuld des Täters erwiesen oder "er kommt jahrelang ins Gefängnis". Doch auch wenn die Unschuld erwiesen oder ein mutmaßlicher Täter freigesprochen wird, sei dieser für immer stigmatisiert, wie Melcher ergänzt. Das sei ein großes Problem, da der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs auch oft als Diffamierung im familienrechtlichen Bereich verwendet werde.
Weitere Informationen und Hilfe gibt es unter www.wildwasser-frauennotruf.de, www.weisser-ring.de, und www.polizei-beratung.de.