Auf "gute deutsche Musik" freut sich Debora Kemm aus Graben-Neudorf kurz vor Beginn des Auftakts von Das Fest 2019. Sie soll nicht enttäuscht werden. Als erster Hauptact tritt auf der Hauptbühne der Schweizer Faber auf. Das auch ein Schweizer feinste deutsche Musik machen kann, daran lassen er und seine Band keine Zweifel.

Zu dieser Annahme kommt man schnell, wenn man sich im Publikum umschaut. Es dauert nur wenige Lieder bis der Platz vor der Bühne voll mit singenden, tanzenden und strahlenden Menschen ist. Balkanrhythmen, Musik mit Posaune, Akustikgitarre, Trommeln, Keyboard und eine raue Stimme, die provokante Texte singt. Das scheint in Karlsruhe richtig gut anzukommen.

"Du bist zwar erst 16 - ach komm, wir drehen Sexszenen" - Fabers Texte provozieren, ecken an, es dauert etwas bis man die Botschaft hinter seinen Liedern versteht, Faber versteht, der bürgerlich Julian Pollina heißt. "Wenn du mich wirklich liebst, schenk mir nicht dein Herz, schenk mir lieber deine Leber - Nie wieder Kokain" - "Besorgter Bürger - Ich besorgs dir auch gleich" - kein Tabu, das Faber nicht ausreizt.
Von Empörung zu Begeisterung
Über einen dieser provokanten Texte kam auch Katharina Uebereck zu Faber. "Das erste Mal habe ich Fabers Lied 'Wem du's heute kannst besorgen' zufällig auf Youtube gehört und fand es total unverschämt. Weil mich das so provoziert hat, hab ich mich näher mit seinen Texten beschäftigt. Heute habe ich ihn das erste Mal live gesehen und es war genial, auch die Qualität der Musiker".

Aber Faber kann nicht nur provozieren: Seine Texte sind auch melancholisch, politisch oder Liebeslieder: "Auf dieser Welt ist Öl mehr wert als Wein - auf dieser Welt kann ich ohne dich nicht sein". Viele Zuschauer scheinen Faber nur flüchtig von ein, zwei Liedern zu kennen, das tut der Begeisterung über die Musik aber keinen Abbruch.
Richtige Fans gibt es natürlich auch: Die, die alle Texte kennen, schon wissen, das Faber neue Lieder ausprobiert, die nicht auf dem aktuellen Album sind, Schilder dabei haben oder gleich eine Posaune, um mit der Band einen kleinen abwechselnden Solo zu spielen.
"Er hat die Erwartungen übertroffen", fassen Jule, Charlotte, Tanja und Anna zusammen, die jedes Jahr zum Fest kommen.

Abgelöst wird Faber von der Hamburger Rockband Kettcar. Der Altersdurchschnitt verschiebt sich von Mitte 20 etwas nach oben, was aber keine Auswirkungen auf Begeisterung und Tanzfreude hat. Kettcar sind vielleicht nicht so jugendlich provokant wie Faber.
Stellung beziehen sie trotzdem: "Wir haben durch dieses Lied gemerkt, wie viel Anfeindung man erfahren kann, wenn man Menschen durch Zäune und über Meere helfen möchte. Wir spielen es als Erinnerung dafür, dass Humanismus nicht verhandelbar ist!" Das darauf folgende Lied handelt von Fluchthelfern im Jahr 1989.
Kettcar begeistern mit Inhalt, Rockmusik und Humor: "Jetzt kommt der Emoblock: Zwei Liebeslieder nacheinander - aber keine Sorge, einer davon geht schlecht aus." Außerdem hat Mama angerufen, beim Fest seien ja ganz schön viele Menschen "also, für eure Verhältnisse". Kettcar zumindest sind überwältigt von der Menschenmasse, die den Mount Klotz und den Bereich vor der Bühne bevölkern und im Takt zur Musik mit den Armen wippen.

"Es gibt kaum geilere Texte als die von Kettcar"
Auch Stefan Heber ist begeistert. Er ist ein richtiger Kettcar-Fan. "Es gibt kaum geilere Texte als die von Kettcar. Abgesehen von den komischen schweizer Brüdern davor, die waren auch sehr, sehr fett." Sein Highlight war der Opener "Rettung". "Eines der geilsten Liebeslieder, die es überhaupt gibt!"

Als Rausschmeißer spielen Kettcar "Trostbrücke Süd": "Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser". Ausmachen muss man bei Das Fest definitiv nichts und von Scheißmusik ist ebenfalls nichts zu hören. Dieser Auftakt macht Lust auf zwei weitere Tage Das Fest!
An drei Tagen im Juli verwandelt sich die Günther-Klotz-Anlage in ein riesiges Festivalgelände. Für die Hauptbühne und den Hügelbereich müssen die Besucher 10 Euro Eintritt zahlen. Der Samstag ist komplett ausverkauft, für den Sonntag gibt es noch einige wenige Restkarten. Wer kein Ticket bekommen hat, verpasst nichts: Mehr als 70 Prozent des Areals können Besucher auch ohne Eintritt erleben, so etwa die Feld-, DJ- oder Kulturbühne.
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