Von der Frage, ob das gewerbliche Knacken von SIM-Lock-Codes legal ist, über Schadensersatzfragen bei medizinischen Kunstfehlern bis hin zu Verbreitungsrechten von auf Facebook geposteten Bilder – die thematische Variation der Verfahren sei "so unterschiedlich und vielfältig wie das Leben", erklärt OLG-Präsident Alexander Riedel beim Pressetermin am Dienstag.
Minderjährige Flüchtlinge beschäftigen Karlsruher Richter
Die Verfahrensdauer nehme zu, pro Verfahren stünden immer mehr Angeklagte vor Gericht. Zudem steige die Zahl der Anwälte pro Mandat und immer öfter würden auch Dolmetscher benötigt. All das seien Faktoren, die die Verfahren oft über Gebühr in die Länge zögen, so der Gerichtspräsident.
Auch die zunehmende Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge hat die Gerichte im Jahr 2015 mehr als jemals zuvor beschäftigt. Nicht immer sei eine Minderjährigkeit einfach nachzuweisen, erklärte Julia Kürz, Richterin am Oberlandesgericht und Pressesprecherin, dennoch sei es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen schnellstmöglich einen Vormund erhalten. Rund 5.000 dieser Verfahren habe es 2015 in Baden-Württemberg gegeben und auch für 2016 erwarte man weiter steigende Zahlen dieser Fälle.

E-Verfahren: Weg von Papierbergen und Aktenstapeln
Neben der steigenden Verfahrenszahl und der längeren Dauer halten aber auch technische Neuerungen das Gericht in Atem. Ab 1. Juni wird ein Teil der Verfahren auf einen komplett elektronischen Rechtsverkehr umgestellt, ein "revolutionärer Schritt", wie Riedel betont.
Denn was bisher in prall gefüllten Aktenordnern auf den Tischen der Richter und Anwälte landete, soll nun absolut papierfrei und digital abgehandelt werden. Akten in Zukunft nur noch am Bildschirm lesen zu können, sei eine große Umstellung, die für viele Richter schwierig werde. Welche Umstellungen sich daraus für das Personal zum Teil stark überlasteten Gerichte bedeutet, kann noch nicht mit endgültiger Sicherheit gesagt werden. Zumal der neue elektronische Rechtsverkehr nicht in allen Bereichen sofort umgesetzt werden soll.
Tatsächlich gibt es in den badischen Amtsgerichten eine personelle Unterdeckung von rund acht Prozent – eine Tatsache, die das Karlsruher Oberlandesgericht auch in die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Stuttgart einbringen möchte.
Gericht warnt vor "Reichsbürgern"
Man habe bei den Parteien einen Themenkatalog eingereicht: Neben dem Wunsch nach mehr Personal auch die Forderung nach einer höheren Eingangsbesoldung für Richter. Diese sei um acht Prozent gesenkt worden, was im Nachgang zu Rekrutierungsschwierigkeiten an den Gerichten geführt habe, wie Riedel betont.
Eine weitere Forderung des OLG an die Parteien ist der Erhalt der Amtsgerichte in Baden-Württemberg – ein Abbau sei ohnehin nicht vorgesehen, so die Auskunft der Grünen, vielmehr eine Spezialisierung auf bestimmte Themengebiete wie "Baurecht und Architektur", Versicherungssachen, Kapital- und Anlageverfahren oder medizinische Themen. In Anbetracht der Tatsache, dass Rechtsanwälte diese Spezialisierung schon seit Jahren praktizieren, sei dies ein durchaus sinnvoller Schritt, erklärt der Gerichtspräsident.
Ein Thema, das alle Gerichte beschäftigt sei, so Riedel, die Sicherheit der Mitarbeiter. Um diese zu gewährleisten seien 50 so genannte "Wachmeisterstellen" geschaffen worden, mit denen man Sicherheitsgruppen gegründet habe, die ihren Standort in Mannheim, Karlsruhe, Freiburg und Konstanz haben und bei Bedarf angefordert werden können. Auch unangemeldete Sicherheitskontrollen werden von diesen Gruppen an den Gerichten durchgeführt.
In diesem Zusammenhang nennt Riedel auch die wachsende Zahl der Anhänger der "Reichsbürger" als ein Problem, da diese den deutschen Staat und damit sein Rechtssystem komplett ablehnen.Gerichtsvollzieher aber auch Richter bekämen dies vermehrt zu spüren – nicht immer sei das Auftreten der Reichsbürger bedrohlich oder gefährlich, es sorge aber immer wieder für den Einsatz der Sicherheitsgruppen oder der Polizei, alleine schon, um einer möglichen Gefährdung der Mitarbeiter vorzubeugen.