Der Teddy, er sitzt auf der Couch. In der einen Pfote scheint er eine Bierflasche zu halten, die andere Hand hat er zu einem vorsichtigen Winken gehoben. Mit leicht geöffnetem Maul visiert er mit seinen braunen Knopfaugen die Kamera an und schaut etwas belämmert drein. Viel mehr ist nicht auf dem ersten Bild, das Lucas seiner Freundin Ivana im sozialen Netzwerk Facebook auf die Pinnwand gepostet hat, zu erkennen. Daneben hat sie kommentiert: "Gefällt mir nicht! :D :D", er schreibt darunter: "Mir aber :))".
Wird die neue Bekanntschaft erstmal bei Facebook "gestalked"?
Man ahnt: Hinter dem Foto steckt eine Geschichte, vielleicht eine nette Anekdote. Aber sie bleibt verborgen, genauso wie auf den Facebook-Seiten der beiden nicht zu lesen ist, dass sie ein Paar sind. Warum nicht? "Weil wir aus dem Alter raus sind, in dem man sich gegenseitig Herzchen auf die Pinnwand posten muss", erklärt der 19-jährige Medizinstudent Lucas. Damit stehen Lucas und Ivana in ihrer Altersklasse nicht allein da. Auffällig ist aber: Je jünger die Teenager-Pärchen, desto häufiger sind die öffentlichen Liebeserklärungen. Da werden Kuss-Smileys und "Ich liebe dich so sehr mein Schatzi"-Kommentare dem anderen auf die Seite geschrieben. Vor dem ersten Date spioniert so mancher den anderen aus (es wird "gestalked" - so der gängige Terminus unter Jugendlichen). Und ist man zwar traurig, aber wieder zu haben, lässt man das seine Freunde über den frisch geänderten Beziehungsstatus wissen.
Spioniert hat Ivana, die 18 Jahre alt ist und nächstes Jahr ihr Abitur machen wird, auch. Aber nur ein bisschen: "Ich bin ein oder zweimal vorher auf seiner Seite gewesen, sonst nichts". So richtig lernten sie sich dann im echten Leben, auf dem Geburtstag von Ivanas bester Freundin kennen.
Chatten spielt für 72 Prozent der Jugendlichen eine "zentrale Rolle"
Hört man den Beiden so zu, glaubt man kaum, dass gerade der eine hunderte Kilometer vom anderen entfernt sitzt. Sie wirken eingespielt, verströmen Harmonie. Da korrigiert Ivana Lucas - und umgekehrt, und prompt pflichten sie sich gegenseitig bei. Keine Spur Tristesse, keine anmutungshafte Wehmut - sondern viel Nähe.
Im vergangenen Jahr ergab die sogenannte JIM-Studie (Jugend, Information und Multi-Media) vom Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest: Vier Fünftel aller Teenager loggen sich mehrmals pro Woche in soziale Netzwerke ein, um mit Freunden zu kommunizieren oder neue Bekanntschaften zu knüpfen. Für 72 Prozent der Befragen zwischen 12 und 19 Jahren spielt das Chatten über Facebook eine "zentrale Rolle", wenn sie mehrfach täglich online sind.
In den Augen vieler Jugendlicher greifen noch Spätromantik-Nostalgiker gelegentlich zu Tinte und Papier, ein Hauptteil der jungen Pärchen kommuniziert weitgehend digital. So manche Fernbeziehung wird durch Skype, WhatsApp und Facebook erheblich erleichtert - zumindest bei ihrer glaubt Ivana, dass das zutrifft: "Die Beziehung ist so einfacher zu meistern", erklärt sie. Geht nicht, in einer Zeit des ständigen Dauer-Kontakts, Magie verloren? Das geht sie wohl, meint das junge Pärchen. Aber, so das Statement der beiden: "Besser so, als gar nicht!" Zusätzlich schaffen sie es, sich so gut wie jeden Monat zu sehen.
Sozialen Netzwerke - ein Biotop für verzerrte Selbstdarstellungen?
Die sozialen Netzwerke sind ein Biotop für verzerrte Selbstdarstellungen. Möglich, dass dadurch das Bild, das man vom Anderen hat, beeinflusst wird. Es ist alles sofort sichtbar: Ist man noch mit der/dem Ex befreundet? Wer "liked" welche Bilder? Wenn soziale Netzwerke und Co. einen solchen Einfluss haben, ist dann so manche Liebschaft durch sie erst möglich geworden? Ivana sagt: "Es wäre definitiv schwerer. So ganz ohne Kontakt? Ich weiß nicht, ob das gehen würde."
Durch die sozialen Netzwerke sind die beiden aber mehr oder weniger permanent miteinander im Austausch: "Es beginnt mit einem 'Guten Morgen!' und endet mit einem 'Gute Nacht!'" Das wird wohl noch eine Weile so weitergehen. Lucas hat vor, noch einige Jahre in Ungarn bleiben. Aber sie schreiben einander und das, glaubt man den Beiden, ist auch schon sehr schön. "Die Magie ist da. Trotzdem", meint Ivana voller Überzeugung. Und dann ist sie wieder zu spüren: Die Nähe der beiden zueinander. Trotz 1.000 Kilometern Distanz.
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