
Bei einer Netzhautprothese handelt es sich um ein biomedizinisches Implantat. Menschen, die ihr Sehvermögen wegen einer degenerativen Retinaerkrankung verloren haben, können dieses mit Hilfe einer solchen Prothese teilweise wieder zurückgewinnen.
Netzhautprothese gibt Sehvermögen teilweise zurück
Eine Erkrankung dieser Art verhindert, dass die Fotorezeptoren in der Netzhaut das Licht in elektrochemische Impulse umwandeln. Dadurch werden keine Impulse über den Sehnerv an das Gehirn gesendet und dort in Bilder umgesetzt.
Das System, das Augenspezialist Albert Augustin bei der Operation anwenden werde, habe die amerikanische Firma "Second Sight" erst in den vergangenen Jahren entwickelt, erläuterte Kurt Bickel, Vorsitzender des DRK Kreisverbands Karlsruhe, bei einem Pressegespräch. Es besteht aus einer internen und einer externen Komponente.
Der Patient trägt eine spezielle Brille mit einer winzigen Videokamera, die sein Sichtfeld aufnimmt. Diese Bilder werden an eine kleine Videoverarbeitungseinheit gesendet, die er bei sich trägt und die die Bilder weiterverarbeitet. Diese Informationen werden drahtlos an eine auf das äußere Auge aufgenähte Antenne übertragen, die diese dann an das Implantat weiterleitet. "Unser Nervensystem ist in der Lage, die berechneten Informationen aus dem Chip zu übertragen", erläuterte Augustin. Im Gehirn angekommen erzeugen diese Impulse dann die Wahrnehmung von Lichtmustern.
"Nur etwa drei bis vier Wörter kann der Patient in der Minute lesen"
Die Voraussetzung, dass die Impulse übertragen werden können, ist ein funktionierender Sehnerv. "Ein Restsehvermögen muss da sein. Das heißt, der Sehnerv muss noch Informationen leiten können", betonte Augustin. Bei angeborenen Erblindungen oder Schädigungen des Sehnervs funtioniere das System nicht.
Die Patienten, denen ein solcher Eingriff helfen könnte, sehen aufgrund solcher Netzhauterkrankungen häufig nur noch einen Lichtschein. Daran ändert sich unmittelbar nach der Operation nicht unbedingt sofort etwas. Denn sie müssten zunächst einmal eine Sehschule absolvieren. Bei dieser Reha-Maßnahme lernen sie in rund drei Wochen den Umgang mit den technischen Gerätschaften.
Im Anschluss daran soll der Patient in der Lage sein, Konturen, wie Türrahmen und Bordsteine, zu sehen. Auch Buchstaben soll er wieder erkennen können. Allerdings sei es nicht möglich, ohne Weiteres zu lesen. "Nur etwa drei bis vier Wörter kann der Patient in der Minute lesen", räumt Augustin ein. Ob der Patient auch Farben erkennen könne, sei unklar. Zwar hätten Betroffene davon berichtet. Allerdings könne man nicht sicher sagen, ob das mit der Technik tatsächlich möglich ist.
"Jede Neuerung ist eine Belastung und ein Risiko"
Das Städtische Klinikum Karlsruhe hatte seit Dezember letzten Jahres mit umfassendem finanziellen und organisatorischen Aufwand die Voraussetzungen für die Operation geschaffen. "Jede Neuerung ist eine Belastung und ein Risiko, aber wir wollen frühzeitig bei guten Innovationen dabei sein", versicherte Martin Hansis, Medizinischer Geschäftsführer des Klinikums.
"Einen Teil des Sehvermögens kann man den Menschen mit dem Verfahren zurückgeben. Mehr ist aber erstmal nicht möglich", gibt Hansis zu bedenken. Mindestens zehn Jahre dauere es noch, bis die Technik weiter so weit ausgereift sei, dass die Patienten mehr als nur Konturen wahrnehmen könnten. "Das ist aber Zukunftsmusik", betonte Albert Augustin.