ka-news: Herr Freytag, Ihre Firma soll geschlossen werden.Armin Freytag: Das ist richtig. Zum 30. Juni diesen Jahres wird das Unternehmen Radio Freytag aufgelöst. Wir trafen diese Entscheidung im Herbst letzten Jahres. Die großen Industriekonzerne, aber besonders die drohende Eröffnung der Saturnfiliale in der Karlsruher Innenstadt zwang uns zu diesem schweren Entschluss. Obwohl wir finanziell noch durchaus weiterbestehen könnten, ziehen wir lieber jetzt einen sauberen Schlussstrich, als später im aussichtslosen Preiskampf unterzugehen.
ka-news: Sind alle Filialen betroffen?Freytag: Glücklicherweise nicht. Die Filiale in Bretten wird von ihrem langjährigen Filialleiter Alfred Esch in eigener Regie weitergeführt. In Pforzheim wird zwar die Unterhaltungselektronik aufgegeben, jedoch wird sich der bisherige Abteilungsleiter der CD-Abteilung, Richard Voigt, mit einer vergrößerten CD-Abteilung selbständig machen. Mein Sohn Christian baut seine Firma Freytag media-net mit einer umfangreichen Videoschnitt-Produktpalette am Entenfang weiter aus. Außerdem wird die Firma Crocoll Fernsehservice mit einigen unserer ehemaligen Mitarbeiter alle Aufgaben im Kundendienst und Servicebereich übernehmen. Damit sind auch die Garantieansprüche der Kunden nach dem 30. Juni gewährleistet. Wir werden das Geschäft jetzt langsam mit verschiedenen Schnäppchen ausklingen lassen.
ka-news: Was geschieht mit Ihren Beschäftigten?Freytag: Wir müssen 60 Mitarbeiter entlassen. Glücklicherweise können 15 Mitarbeiter auf unsere anderen Filialen verteilt werden. Aber auch der neue Saturn sucht Personal. Ich hoffe, dass wir dort auch einige unserer Mitarbeiter unterbringen können. Die Kündigungsfristen unserer Mitarbeiter haben auch in gewisser Weise den Termin der Geschäftsauflösung festgelegt. Da fast alle schon lange in unserer Firma tätig sind, mussten wir eine siebenmonatige Kündigungsfrist einhalten.
ka-news: Wann hat sich diese Entwicklung abgezeichnet?Freytag: Wir beobachten die Veränderung in der Elektronik-Branche bereits seit drei Jahren mit besorgtem Blick. Das hat zwei Hauptursachen. Einmal war die Werbung der Großen so massiv, da konnten wir als mittelständisches Unternehmen einfach nicht mithalten. Auch wenn wir mit unserer Schnäppchenwerbung in verschiedenen Zeitungen auch einige Kunden in unser Geschäft ziehen konnten, sehe ich die Mund-zu-Mund-Propaganda und unser Service-Angebot als den entscheidenden Werbeeffekt für Neukunden. Dennoch war der Zuspruch verhältnismäßig gering. Zum anderen kamen wir nicht mehr an die besten Preise heran. Auch wenn es klare "Renner" in unserem Angebot gibt, mussten und wollten wir dem Kunden weiterhin eine breite Produktpalette bieten. Da aber die "Großen" gleich einige tausend Exemplare bei den Produktionsfirmen abnehmen, können diese einen weitaus niedrigeren Preis herausschlagen, als eben beispielsweise ein kleineres Unternehmen wie Radio Freytag. Das grenzt schon fast an Erpressung bei dem sowieso schon harten Preiskampf.
ka-news: Immer wieder sprechen verschiedene Organe und Parteien mit Blick auf neue Einkaufszentren die wachsende Kaufkraft in der Region an. Wie deckt sich diese Meinung mit Ihrer Geschäftsaufgabe?Freytag: Das Angebot in der Unterhaltungsindustrie hat sich in den neunziger Jahren im Vergleich zu früher fast verzehnfacht. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Bedarf auch größer wird. Die Kunden kaufen nicht mehr, nur weil es mehr Läden gibt. Durch diese Vielzahl von Angeboten hatte Radio Freytag seit den letzten sieben Jahren auch keine vernünftige Rendite mehr erzielt. In Karlsruhe gibt es aber weiterhin eine gewaltige Flächenexpansion durch neue Elektrohändler. Neue Geschäftsflächen entstehen, die aber erstmals einen Mieter finden müssen. Wozu brauchen wir denn da auch noch ein ECE-Center? Wenn die Gewinne zurückgehen, wird sich doch so mancher Geschäftseigentümer fragen, ob es für ihn nicht lukrativer ist, sein Geschäft weiter zu vermieten und von den Mieteinnahmen zu leben. Dadurch werden aber die mittelständischen Unternehmen immer stärker von den Konzernen verdrängt, in der Elektrobranche ist dies schon fast der Fall. In Karlsruhe kenne ich außer uns eigentlich kein einziges Unternehmen, das sich gegen "Große" wie ProMarkt, Mediamarkt und jetzt auch noch Saturn halten konnte.
ka-news: Wird damit nicht die Produktvielfalt eingeschränkt?Freytag: Sicher. Die großen Unternehmen sind wesentlich stärker auf Profit ausgerichtet. Für den Verbraucher ist daher aber auch nur Massenware zugänglich. Spezielle Einzelartikel werden nur noch schwer zu beschaffen sein. Wenn wir zurückblicken, sehen wir doch die Veränderung. In den siebziger Jahren gab es noch viele spezialisierte Familienbetriebe - in allen Bereichen. Wenn ein Käufer einen bestimmten Artikel gesucht hat, konnte er diesen über solch einen Familienbetrieb ohne weiteres beziehen. War er nicht vorhanden, wurde er einfach bestellt. Jetzt gibt es nur noch Handelsketten, wo dies entweder bedingt oder gar nicht mehr möglich ist.
ka-news: Ihre Firma hatte immer ein besonderes Auge auf die Kundenberatung und -betreuung. Wie sehen Sie diese Dienstleistungen bei den übrigen Unternehmen vertreten?Freytag: Bei den großen Medienunternehmen wird es eine Beratungsfunktion in diesem Maße nicht mehr geben. Da werden die Verkäufer meistens nur noch Auskunft über Preis und Namen des Gerätes geben können, da ihnen die Fachgrundlage fehlt. Widersprüchlich ist dabei nur, dass der Kunde eigentlich eine Beratung wünscht. Nehmen wir nur das Beispiel Internet: Hier war Radio Freytag vom ersten Tag dabei. Ich habe aber festgestellt, dass sich die meisten Kunden über Produkte zwar informieren, aber den Kauf dann doch in einer Filiale tätigen. Bestellt werden im Internet bisher meistens nur "kleine" Artikel wie Kabel, Adapter oder Videokassetten. Vielleicht wird "Kundenberatung" ja eine neue Marktlücke: Da der Kunde aber in der Regel für ein Produkt nicht mehr, sondern meistens weniger zahlen möchte, halte ich solch eine Dienstleistung eher für unwahrscheinlich. Da werden sich eher Interessensgruppen in Form von Vereinen bilden. Sicher ist, dass diese Entwicklung der gesamten Branche nicht gut tut.
ka-news: Wie werden Sie persönlich die Zeit nach dem 30. Juni gestalten?Freytag (lächelt): Ich bin jetzt 61 Jahre alt und seit 45 Jahren in diesem Geschäft. Daher werde ich erst einmal ruhiger treten und mich aus der Berufswelt zurückziehen.