Nachstehend der Brief im Wortlaut:
"In großer Sorge um die Stadt- und Baukultur in Karlsruhe wenden wir uns an den Oberbürgermeister, den Gemeinderat der Stadt Karlsruhe und die Gartenstadtgenossenschaft zum Bauvorhaben an der Herrenalber Straße in Karlsruhe-Rüppurr und erheben Einspruch dagegen. Dies wird nicht nur verharmlosend, sondern auch irreführend mit "Sonnengrün" bezeichnet.
In der Tradition des Städtebaus haben Oberbürgermeister, Gemeinderat und Stadtverwaltung in Karlsruhe eine hohe Verantwortung, denn der Stadtgrundriss ist weltweit bekannt und war immerhin Vorbild für die Stadt Washington D.C. Die Herrenalber Straße ist als Fortsetzung der Mittelachse ("Via Triumphalis") der wichtigste Teil dieses Stadtgrundrisses und stellt vom Karlsruher Schloss über Ettlingen bis in den Schwarzwald die Verbindung von Stadt und Landschaft her. An ihr reihen sich mit der Gartenstadt, der Dammerstock- und der Baumgartensiedlung bedeutende Quartiere, die zum Besten gehören, was der Städtebau des 20. Jahrhunderts zu bieten hatte. Sie sind ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal dieses historisch bedeutenden Ortsteils, wie es in keiner anderen Stadt zu finden ist.
In der Vergangenheit hat die Stadtplanung dieser bedeutenden Ortseinfahrt durch die straßenbegleitenden Baumreihen von Spitzahorn und eine Folge grüner Freiräume eine besondere Qualität verliehen. Die Stadt Ettlingen hat diese Qualitäten in den letzten Jahren in der Fortsetzung der Herrenalber Straße nach Süden durch die Pflanzung von Alleen und intensiven Begrünungen aufgenommen und damit ihre Stadteinfahrt vorbildlich aufgewertet. Das vorliegende Bauvorhaben ignoriert diese städtebaulichen Rahmenbedingungen. Mit seiner innerstädtisch angelegten Konzeption setzt es sich ohne Rücksicht über alles hinweg, was die Gartenstadt, den Vorortcharakter von Rüppurr und die Stadteinfahrt ausmacht.
Lärmschutzwand stellt Fremdkörper dar
Anstatt den historisch und städtebaulich bedeutsamen Bestand adäquat und behutsam zu arrondieren, führt es zu einer mit der Idee der Gartenstadt unvereinbaren Übernutzung und einer Abschottung der Siedlung durch eine lückenlose Wand an der Herrenalber Straße. Sie wirkt als Stadtmauer und stellt an dieser Stelle einen Fremdkörper und schwerwiegenden städtebaulichen Mißgriff dar. Die geplante Grenzbebauung sprengt auf einer Länge von fast 190 Metern mit 5,50 Meter hohen Lärmschutzwänden und darüber hinausragenden Giebelwänden bis zu zehn Metern Höhe und den zinnenartigen Aufzugstürmen nicht nur die städtebaulichen Maßstäbe der Gartenstadt, sondern auch die der weiteren Umgebung.
Sie konterkariert damit auch die besondere städtebauliche Komposition des beidseitig in grüne Flanken eingebetteten Ostendorfplatzes, dessen Harmonie durch die südlich in gleicher Fluchtlinie vorgesehene "Stadtmauer“ völlig aus dem Gleichgewicht gerät und durch deren Wucht quasi "in den Schatten" gestellt wird. Die bemerkenswerte Dramaturgie der Raumabfolgen der im Kreisbogen verlaufenden Straße mit dem Ostendorfplatz als Zentrum wird dadurch nachhaltig gestört und die Stadteinfahrt ihres städtebaulichen Höhepunktes unwiederbringlich beraubt.
Angesichts der inzwischen vorliegenden Detailplanung bestätigt sich deutlich, dass man ein Bauwerk dieser Größe und Ausprägung am falschen Standort auch nicht durch ein noch so aufwendiges Oberflächendesign "passend" machen kann und dass ein Zuviel an willkürlichen Gestaltungsmitteln bis hin zu Erkern, Mauern mit Kannelurstruktur, und Verglasungen eher eine Verschlechterung des Gesamteindrucks bewirkt.
Änderung der Planung erforderlich
Es ist bezeichnend, dass dem Preisgericht das Konfliktpotential des Entwurfs wohl bewusst war, wenn es vorgeschlagen hat - obwohl damals die Ansicht von der Herrenalber Straße nur durch wenige Striche schematisch dargestellt war – den Entwurf sehr intensiv in der Öffentlichkeit mit den Bürgern zu diskutieren. Ebenso interessant ist, dass bereits bei der Vorstellung im Planungsausschuss 11/2008 Vertreter mehrerer Fraktionen Bedenken gegen die Massivität der baulichen Anlage geäußert haben. Auch die Diskussionen in der Bürgerschaft, beispielhaft in der Mitgliederversammlung der Bürgergemeinschaft Rüppurr und in zahlreichen Leserbriefen von Bürgern, auch außerhalb von Rüppurr, haben gezeigt, wie sehr diese massive Bebauung als Fremdkörper in der Nachbarschaft zur denkmalgeschützten Gartenstadt und der Stadteinfahrt empfunden wird.
Traufständige Bebauung wäre eine Alternative
Wir fordern deshalb alle Beteiligten auf, es nicht bei oberflächlichen Detailkorrekturen zu belassen, sondern die Planung grundsätzlich zu überdenken und nach einer städtebaulich verträglichen Lösung zu suchen. Naheliegend wäre es beispielsweise, den Möglichkeiten, die im vom Preisgericht ebenfalls hoch bewerteten zweiten Wettbewerbsrang mit traufständiger, von der Herrenalber Straße zurückgesetzter Bebauung, aufgezeigt wurden und die eine klare Alternative zu dem vom Investor favorisierten Entwurf darstellen, mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Der Ansatz ist im Hinblick auf seine städtebaulichen Auswirkungen wesentlich verträglicher und ließe sich - wie im Fall des ersten Preises - mit einigen Änderungen problemlos den Erfordernissen und Vorgaben anpassen.
Sollte die bislang geplante Art der Bebauung trotzdem weiterverfolgt werden, müssen zur Herrenalber Straße zumindest ein Abstand von fünf bis sechs Metern eingehalten und die Aufzugstürme und Treppenanlagen an die weniger exponierte Ostseite verschoben werden, um einer Vorgartenfläche mit Weiterführung der historischen Mauer und einer durchgehenden Reihe großkroniger Bäume Platz zu machen.
Ahornbäume als Alleefortsetzung
Durch die notwendige Verkürzung einiger Gebäude würde sich die Zahl der Wohnungen lediglich um die zumutbare Zahl von 12 auf 66 Einheiten verringern und das Gesamtprojekt dadurch nicht in Frage gestellt. Die Wandflächen nach Westen könnten mit erheblich geringerem Aufwand gestaltet und Kosten eingespart werden. Anstatt der sieben Bäumchen in viel zu kleinen Nischen wäre dann die Pflanzung von 19 stattlichen Ahornbäumen in ausreichend bemessenen Baumscheiben entlang dem Gehweg als Fortsetzung der die Herrenalber Straße prägenden Alleen möglich.
Bevor der Gemeinderat eine abschließende Entscheidung trifft, fordern wir dringend, die Dimensionen der geplanten Bebauung vor Ort durch ein Lattengerüst für alle Beteiligten sichtbar zu machen."
Unterzeichnet wurde der Brief von Clemens Appel, Christian Essmann, Professor Klaus-Peter Gailfuss, Dr. Gerhard Kabierske, Jürgen Klahn, Professor Dr. Manfred Klinkott, Bernd Krätzschmar, Gottfried Maier-Straßburg, Professor Robert Mürb, Christine Rotermund-Lehmbruck, Herman Rotermund, Horst Schmidt, Hubert Schmidtler, Ulrich Singer und Sabine Straßburg.