Die Karlsruher FDP-Fraktion äußert in einem Antrag an den Gemeinderat Handlungsbedarf in Sachen Bürgerbeteiligung. "In den letzten Jahren mussten wir registrieren, dass die Bereitschaft, sich an den demokratischen Strukturen zu beteiligen, abgenommen hat", so Stadtrat Thomas Hock. Zudem hätten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert.
Facebook, Twitter und Co: "Wir sollten diesen Trend nutzen"
"Gerade jetzt, wo wir auf kommunaler Ebene das Wahlrecht herabgesetzt haben, müssen wir Kommunikationsformen anbieten, die die neuen Entwicklungen aufnehmen." Konkret sei es an der Zeit, über demokratische Mittel im Internet nachzudenken, wie zum Beispiel Videokonferenzen, Online-Diskussionen zum Haushalt und elektronischer Stimmenabgabe. "In so genannten sozialen Medien 'sharen' und 'liken' Menschen alle möglichen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse - wir sollten diesen Trend nutzen, um bestimmte Themen vor abschließenden Entscheidungen zur Diskussion zu stellen", so heißt es in Hocks Antrag weiter.
Auch die Karlsruher Grünen hatten in der Vergangenheit bereits nach einem ähnlichen zu erstellenden Konzept gefragt. So stimmten sie auch in der letzten Sitzung des Gemeinderats dem Vorhaben der FDP zu - ebenso wie die KAL. Die SPD-Fraktion ist eigenen Aussagen zwar gleicher Ansicht, allerdings ermahnte Stadtrat Zeh: "Dislike und Like ist wahrlich keine Bürgerbeteiligung - wenn sich die Stadt für eine Form des Open Government entscheidet, dann muss sie auch voll dahinter stehen und die Wünsche der Online-Nutzer ernst nehmen."
Bald Live-Stream von Gemeinderatssitzungen?
Dieser Verantwortung scheint sich die Stadtverwaltung gewachsen zu fühlen. In ihrer Stellungnahme heißt es: "Die Verwaltung greift den Vorschlag auf und schlägt vor, die Entwicklung des geplanten Open-Government-Konzepts durch eine Initiativgruppe des Gemeinderats zu begleiten." Als Auftakt für dieses Projekt sei ein Forum zum Thema für den 17. Juli vorgesehen, zu dem der Gemeinderat und die Öffentlichkeit eingeladen ist.
Durchaus habe sich der Gemeinderat in der jüngsten Vergangenheit wiederholt mit der Frage beschäftigt, wie die Möglichkeiten der Online-Kommunikation genutzt und Transparenz und Offenheit gesteigert, Beteiligungsmöglichkeiten vermehrt und konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten geschaffen werden können. So seien beispielsweise ein Live-Stream der Gemeinderatssitzungen im Gespräch, ebenso wie ein integriertes Beteiligungsportal.
Haushaltsberatungen online - "Bürger könnten ihre Ideen miteinbringen und selbst kalkulieren"
Aber sind diese Formen der E-Demokratie wirklich sinnvoll und repräsentativ? ka-news hat einen Experten vom Karlsruher Institut für Technologie befragt. "Esslingen und Hamburg sind Städte, in denen Formen der Online-Bürgerbeteiligung bereits umgesetzt werden", erklärt Leonard Hennen vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse - "das funktioniert vor Ort sehr gut."
So könne dort beispielsweise schon der städtische Haushalt online diskutiert und sogar mit eigenen Vorschlägen bestückt und kalkuliert werden. "Den Nutzern steht dann eine offene Excel-Tabelle zur Verfügung, in der sie Ideen eintragen und die Kosten anhand eines 'Calculators' berechnen können - am Ende haben sie dann ihren eigenen Haushaltsentwurf, den sie quasi einschicken können", so Hennen weiter - "dieses System nennt sich 'E-Budgeting'."
Doch neben all den Vorteilen der Online-Beteiligung, habe diese auch Nebenwirkungen, die eine Stadt überdenken sollte. So sei der Nachteil von Web-Partizipation, dass diese in ihrer Gesamtheit nie die repräsentative Meinung der Bevölkerung darstelle: "Mit diesen Möglichkeiten spricht man nur eine gewisse soziale Schicht von Menschen an, die von Natur aus politisch interessiert ist und überhaupt Zugang zum Internet hat", macht Hennen im Gespräch mit ka-news deutlich. Deshalb sei es wichtig, dieses Verfahren mit anderen Maßnahmen wie vermehrte Bürgerveranstaltungen und Info-Briefe zu verknüpfen.
KIT-Experte: "Wenn man es macht, dann muss man es richtig machen"
"Allgemein sollte es den Verwaltungen daran gelegen sein, viel stärker mit den Bürgern in Kontakt zu treten, um die Politikverdrossenheit zu verhindern." Ist der neue Facebook-Auftritt der Stadt Karlsruhe so gesehen ein Schritt in die richtige Richtung? "Grundlegend ist das ein wichtiger PR-Baustein, ja - aber noch kein essentieller Bestandteil der so genannten E-Demokratie", sagt der Experte. Durchaus sei die Online-Bürgerbeteiligung zukunftsträchtig, da ist sich Hennen sicher. Karlsruhe müsse die für sich besten Wege finden und ein ganzheitliches Konzept, auch mit Offline-Projekten, erstellen, um die Bevölkerung stärker in das politische Geschehen miteinzubinden.
Hierbei stimmt Hennen der Bemerkung der SPD-Fraktion zu: "Wenn man es macht, dann muss man es richtig machen." Die Einrichtung eines E-Forums samt Voting-Funktion und Ideen-Tabelle sowie dessen regelmäßiger Betrieb koste Personal, Geld und Zeit. Die Stadt müsse zudem bereit sein, die Vorstellungen der Bürger anhören und ernst nehmen zu wollen.