Das anonyme Team rund um die Leiterin Bettina Grimberg empfängt die CDU-Fraktion im Gemeinderaum des Albert-Schweizer-Zentrums. Doch das evangelische Gemeindezentrum ist nicht der Arbeitsort der Seelsorge. Der Arbeitsplatz wäre zwar an einem zentralen Ort in Karlsruhe, jedoch sei dieser zum Schutz der Ehrenamtlichen anonym, erklärt Grimberg. Auch gäbe es kein "Home-Office" in der Telefonseelsorge. "Ein Krisengespräch erfordert unsere höchste Aufmerksamkeit und zuhause lauern zu viele Ablenkungen", so die Leiterin. Ein neutraler Ort für die Gespräche sei auch wichtig für die Mitarbeiter; denn wenn sie den Platz am Ende ihrer Schicht verlassen, lassen sie auch die Geschichten ein Stück weit da. Im Jahr 2015 gingen rund 17.400 Anrufe allein in Karlsruhe ein. Daraus ergaben sich fast 11.000 Gespräche. Diese Differenz erklärt sich durch viele Aufleger und Schweigeanrufer. Laut einer Analyse der Telefonseelsorge stammen die Anrufer aus allen Altersgruppen - angefangen ab 10 Jahren - jedoch liegt das Durchschnittsalter zwischen 30 und 60 Jahren und rund 65 Prozent der Hilfesuchenden seien weiblich. Laut Grimberg seien die sogenannten Scherzanrufe von Kindern und Jugendlichen deutlich zurückgegangen. "Telefonieren ist mittlerweile out", sagt die Leiterin scherzhaft.
Rund fünf Prozent der Gespräche handeln von Suizid
So unterschiedlich wie die Anrufer sind auch die Themen der Gespräche: Depressive Stimmungen, Ängste, Beziehungsfragen oder einfach nur Einsamkeit. In rund fünf Prozent aller Gespräche wird über Suizid gesprochen. "Oft ist es so, dass die Familien und Freunde die Geschichten einfach nicht mehr hören können", sagt eine Mitarbeiterin. Nach jedem Gespräch können sich die Mitarbeiter abmelden und eine kurze Auszeit nehmen. Je nach Thema des Gesprächs sei dies auch schon mal nötig, erklärt eine Ehrenamtliche.
Auf die Frage, ob es denn schwierig sei Nachwuchs für die Seelsorge zu finden, erklärt Grimberg: "Es ist nicht immer einfach, jedoch hat es bis jetzt immer geklappt." Bewerber müssen manchmal auch abgelehnt werden - vor allem wenn sie selbst zu viel persönliche Belastung mitbringen. Derzeit seien 75 ehrenamtliche Mitarbeiter in Karlsruhe beschäftigt. Doch die Mitarbeiter werden für ihre Arbeit ein Stück weit entlohnt. Gerade zur Weihnachtszeit gäbe es einige Anrufer, die sich einfach nur bedanken möchten. "Wenn sie nicht wären, wäre ich nicht mehr da", sagte eine Anruferin. Allein dafür lohne sich diese Arbeit, so Grimberg.
Unter 0800 1110111 oder 0800 1110222 sind die Mitarbeiter anonym, rund um die Uhr und kostenfrei erreichbar.