Der Junge war nicht geplant. "Was ist denn hier los", will der vielleicht 14-Jährige von Nils Schmid wissen, der eigentlich gerade ein Interview gibt. "Hier findet heute eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Integration statt", antwortet Schmid wahrheitsgemäß und deutet mit der Hand auf die noch leeren Stuhlreihen im Kinder- und Jugendtreff Südstadt. "Was ist denn Integration", fragt der Junge weiter. "Integration ist, wenn alle die gleichen Chancen haben", antwortet der Politiker, "die Diskussion beginnt aber erst in einer Stunde." Der Junge nickt unsicher: "Ich setz mich dann mal."
Integration fördern - und mangelnden Integrationswillen sanktionieren
Integration ist eines von Nils Schmids Lieblingsthemen. "Die SPD war schon immer eine Integrationspartei", sagt der 37-Jährige bestimmt. Der Landesvorsitzende der SPD in Baden-Württemberg ist selbst mit einer türkischstämmigen Frau verheiratet. "Wir feiern Weihnachten und das muslimische Opferfest", hat der zweifache Familienvater Schmid einmal in einem Interview betont. Seinen Schwiegereltern zu Ehren hat er sogar selbst türkisch gelernt.
"Integration beginnt im Alltag", erzählt er im Plauderton, "am Arbeitsplatz, im Sportverein, wenn sich ausländische Eltern in der Schule engagieren." Man dürfe hier auch nicht immer nur die Negativbeispiele hervorheben. "Es gibt Befürchtungen - und es gibt Erfolgsgeschichten. Auch die muss man erzählen." Was aber nicht heiße, dass man nicht auch sanktionieren müsse, wenn jemand sich nicht integrieren will, so Schmid weiter: "Integration funktioniert nicht als naive Träumerei, es braucht klare Ansagen - aber verbunden mit einer grundsätzlichen Kultur des Willkommenheißens."
"Bei Stuttgart 21 hat die CDU viel zu einseitig auf Konfrontation gesetzt"
Die Sätze aus dem Mund des SPD-Vorsitzenden klingen geschliffen und selbstbewusst. Man merkt Schmid an, dass er gerne redet. Mit 23 Jahren war er 1997 der jüngste Abgeordnete, der je in den baden-württembergischen Landtag einzog. Im November 2009 wurde der bis dahin eher unbekannte Politiker auf dem Landesparteitag der SPD in Karlsruhe zum Landesvorsitzenden gewählt, seit Oktober dieses Jahres ist er der offizielle SPD-Kandidat fürs Ministerpräsidentenamt nach der Wahl am 27. März 2011.
Mit Stefan Mappus ist er noch aus seiner Anfangszeit im Landtag per du. Auf die Frage, ob er sich denn für den besseren Ministerpräsident halte, zögert Schmid trotzdem keine Sekunde. "Ja", erklärt er entschieden, "Stefan Mappus hat seine Rolle nicht gefunden." Überhaupt habe es sich die CDU nach Jahrzehnten an der Macht viel zu bequem eingerichtet. "Man muss den Menschen mehr zuhören. Gerade beim Thema Stuttgart 21 hat die CDU viel zu einseitig auf Konfrontation gesetzt."
"Die Grünen werden ihren Vorsprung als Ein-Themen-Partei nicht halten können"
Schmid dagegen, bekennender Stuttgart 21-Befürworter, würde lieber früher als später eine Baden-Württemberg-weite Volksabstimmung zu dem Bahn-Projekt ansetzen. "Ich bin ziemlich sicher, dass die Mehrheit sich für Stuttgart 21 aussprechen würde", so der promovierte Jurist.
Dass derzeit vor allem die Grünen mit ihrer Ablehnung des Großprojektes punkten, stört Schmid dagegen nicht. Auch die Frage, ob es bei der Landtagswahl vielleicht eher auf grün-rot statt auf rot-grün hinauslaufen könnte, wischt er vom Tisch - obwohl zumindest das Meinungsforschungsinstitut Forsa die Grünen derzeit mit 26 Prozent stolze vier Punkte vor der SPD sieht: "Die Grünen werden ihren Vorsprung als Ein-Themen-Partei nicht halten können. Zur Wahl werden wir wieder vor den Grünen sein", prognostiziert Schmid zuversichtlich. "Allerdings habe ich generell nichts gegen ein gutes Ergebnis der Grünen - alleine können wir schwarz-gelb schließlich nicht ablösen."