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Nichtraucherschutzgesetz

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Nichtraucherschutzgesetz

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    Deutschland im Jahr 2007: Das ganze Land liegt siech. Millionen von langzeitperspektivischen Selbstmördern und Passivrauch-Attentätern rauchen sich und andere zu Tode, nehmen die Gesundheitskassen aus, mindern die Volksproduktivität, kurz: unterhöhlen die Fundamente der Gesellschaft. Doch Rettung nahte. Zum 1. August preschte das Land Baden-Württemberg vor, um die Nebelschwaden, die den Geist eines ganzen Volkes umhüllte, per Gesetz zu zerteilen. Weitere Bundesländer folgten und zum 1. Juli dieses Jahres soll die Gastronomie in der ganze Republik weitgehend rauchfrei sein.

    Die Nichtraucher waren’s zufrieden. Doch ward es auch das ganze Volk? Landauf, landab hob ein lautes Heulen und Zähneklappern an - Wirte klagten über befürchtete oder tatsächliche Umsatzeinbußen, und so mancher Raucher fühlte sich diskriminiert. Und nun - verkürzen wir das Drama ein wenig - zog eine Schar von Gastronomen gestern also nach Karlsruhe vors Bundesverfassungsgericht. Teils massive Umsatzrückgänge machen sie geltend, gerade die Betreiber kleinerer Kneipen ohne Möglichkeit zur Einrichtung eines separaten Raucherraums fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Befürworter des Nichtraucherschutzgesetzes verweisen dagegen auf messbare Verbesserungen der gesundheitlichen Situation.

    Recht mögen sie beide haben. Und über Sinn und Unsinn der Ausgestaltung des Gesetzes mag man streiten - so, wie es nun das höchste deutsche Gericht bis Ende Juli wird tun müssen. Es ist daher weniger die Diskussion als solche, die mich ärgert, sondern die Vehemenz, mit der sie zum Leitartikelthema aufgeblasen wird. Als Raucher sieht man sich seit geraumer Zeit - nicht erst mit Einführung des Gesetzes, seither aber gehäuft - mit besonders heftigen Anfeindungen, bösen Blicken, bösen Worten konfrontiert. Dass ich als Raucher einer in diesem Land, ich sage das ohne Bedauern, immer kleiner werdenden Minderheit angehöre, daran habe ich mich gewöhnt. Auch daran, dass man mein in allererster Linie selbstgefährdendes Tun nicht überall goutiert.

    Was stört mich also überhaupt? Die Fixierung auf das falsche Thema, der Vorwurf, von mir als Raucher ginge große Gefahr aus. Der begnadete Kolumnist Max Goldt hat es (übrigens schon 1990) auf den Punkt gebracht: "Jemand, der zum Widerstand gegen die, abgesehen von der atomaren Hochrüstung, schlimmste Fehlentwicklung dieses Jahrhunderts, nämlich die private Motorisierung, aufruft, läuft Gefahr, zum realitätsfremden Hirni abgestempelt zu werden. [...] Wer jedoch zum Kampf gegen das Rauchen mobilisiert, der hat die Mehrheit auf der Seite, kann im Fernsehen kläffen und sich als Widerständler großtun, ohne irgendwas zu riskieren."

    Mit Recht warnen Ärzte vor dem Rauchen. Karlsruher Kinder- und Jugendärzte haben aber auch vor den Gefahren eines weiteren Großemittenten - dem Kohlekraftwerk der EnBW - gewarnt. Gab es einen vergleichbaren "Aufschrei der Geknechteten"? Mitnichten. Nicht einmal 7.000 Einwender (unter rund 290.000 Karlsruhern) gegen das Projekt fanden sich - hier stimmen die Relationen nicht! Sollen wir tatsächlich glauben, schwere Lungenerkrankungen seien ausschließlich das Resultat von Tabakmissbrauch? Die Abgase aus Schornsteinen und Auspuffrohren bestehe nur aus warmer Luft?

    Es sei jedem unbenommen, sich vor den Gefahren des Passivrauchens zu fürchten und dann meinetwegen gar Schutz durch den Staat zu begehren. Wünschenswert wäre, wenn diejenigen, die Raucher ob der von ihnen ausgehenden "Gefahr" anfeinden, aber auch das selbe Engagement aufbrächten, wenn es um den Kampf gegen reale Gefahren geht: durch die Verschmutzung unser aller Lebensgrundlage, von Luft, Wasser und Boden. Der Kampf gegen den blauen Dunst, er ist vor allem eine Nebelkerze, die verhüllen soll, dass die EU es zwar schafft, Millionen von Rauchern zu Halbkriminellen zu erklären, aber nicht in der Lage ist, EU-weit umweltverträgliche Energie- und Verkehrskonzepte durchzusetzen.

    Der Tabakanbau ist wirtschaftlich betrachtet in weiten Teilen Europas nur noch eine Marginalie. Die Automobilindustrie dagegen eines der Zugpferde der europäischen Wirtschaft. Woher weht der Rauch eigentlich?

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