Ihr Zustand lässt Schlimmes vermuten, aber das Ergebnis von 0,68 Promille hält sich noch in Grenzen. Es gibt kein Strafverfahren, doch wie bei allen alkoholisiert aufgegriffenen Minderjährigen werden die Eltern benachrichtigt. Der Vater, der seine Tochter abholt, wusste nicht, dass sie auf der Grötzinger Fasnacht feiert. Bei der Übergabe der Kinder findet ein kurzes Elterngespräch statt, später können die Eltern einen Beratungstermin wahrnehmen. "Manchmal kommt man auch in Familientragödien rein. Wir wollen nicht die Erziehung übernehmen, sondern die Spitze kappen", erzählt Rainer Blobel, der Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe.
Das inzwischen abgeholte Mädchen ist erst die Spitze des Eisbergs am Freitagabend, 19 Uhr: "Um 22 Uhr ist der Raum voll", prophezeit Blobel besorgt. Gemeint ist das kleine Zimmer im Grötzinger Rathaus, in dem der "Jugendschutz Karlsruhe" seine Zentrale hat und sich die Mitarbeiter fürsorglich um die betrunkenen Kids kümmern, sie medizinisch betreuen, ihre Alkoholwerte messen und Personaldaten aufnehmen, um sie dann von den Eltern abholen zu lassen. Sollte polizeiliches Eingreifen nötig sein, so sind die zuständigen Beamten unter der Leitung von Uwe Schrötel und der Koordination des gutgelaunten Harry Schmitt sogleich zur Stelle - deren Räumlichkeiten befinden sich direkt gegenüber.
Harry Schmitt, Uwe Schrötel, Cordula Sailer, Rainer Blobel (v.l.n.r.) (Foto: ka-news) |
Die Regeln sind im Grunde klar: Der Konsum alkoholischer Getränke ist ab 16 Jahren erlaubt und der von Branntwein (Schnaps) oder branntweinhaltigen Getränken erst ab 18 Jahren. Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden, scheint das Motto einiger Jugendlicher nicht nur an diesem Abend zu sein. "34 Prozent der Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren trinkt regelmäßig Alkohol", rechnet Sabine Pfortner vom "Kinderbüro Karlsruhe" vor. Public Viewings bei der Fußballweltmeisterschaft, "Das Fest", "Durlacher Stadtfest" oder "Grötzinger Nachtumzug" - es gibt den "Jugendschutz Karlsruhe" seit vergangenem Frühjahr und Rainer Blobel war immer mit dabei.
Präventiver Jugendschutz: Aufklärung statt Strafverfahren
"Die blauen Männer!", gröhlen Jugendliche, als sie die "Jugendschutztruppe Zwei" in ihren blauen Jacken sehen. Mehr als 30 blau bekleidete Jugendschützer sind an diesem Abend unterwegs - und zwar flott: Zügig eilen der Polizeibeamte Dietmar Westbecher, Markus Blumhofer vom Roten Kreuz sowie vier Helferinnen aus dem Sozialen Bereich zum Parkplatz eines Einkaufscenters; dort sollen Jugendliche mit harten Alkoholika ihren Spaß haben, erfährt der Polizist über sein Walkie-Talkie. "An der Kasse haben sie sich konsequent den Ausweis zeigen lassen. Das hat auch mit unserer Präsenz zu tun", zeigt sich der Polizeibeamte zufrieden.
Jugendschützer Markus Blumhofer und Dietmar Westbecher (Foto: ka-news) |
Wenn er einen 15-Jährigen mit einer Wodkaflasche in der Hand sieht, wird der Alkohol sofort beschlagnahmt oder vernichtet. Er und sein Team machen die Konsumenten auf Gesetz und Suchtgefahren aufmerksam. Allerdings ist die "Aktion Jugendschutz" eine Präventivmaßnahme. Wenn die Jugendlichen nicht zu betrunken sind und sich einsichtig zeigen, bleibt es bei einem belehrenden Gespräch: "Wir waren auch einmal jung", zeigt Markus Blumhofer bis einem gewissen Grad auch Verständnis für die Teenager.
"Wir sind voll gehasst, weil wir ihren Alkohol ausschütten"
"Morgen hab ich einen Muskelkater", stöhnt Steffi. Sie und Nadine sind angehende Erzieherinnen der Käthe-Kollwitz-Schule in Bruchsal und haben einen eintägigen Vorbereitungskurs hinter sich. Die jungen Helferinnen finden es "interessant, das Ganze einmal von der anderen Seite zu betrachten". Gleichzeitig sind sie angesichts der Traube von Jugendlichen, die sich immer gleich um sie bildet, froh, dass sie nicht alleine, sondern im Team auftreten: Sie seien "voll gehasst", beklagt Steffi. "Das liegt daran, dass wir ihren Alkohol ausschütten, den Jugendlichen den Spaß verderben", meint sie.
Der Alkohol muss ausgeleert werden. Aber was wird denn da in der Jackentasche des Freundes versteckt? (Foto: ka-news) |
"Ich mag den Jugendschutz, es gibt aber auch die, die übertreiben", kritisiert ein Jugendlicher. Als die Truppe ins Rathaus zurückkehrt, ist es 21 Uhr. Blobel freut sich über zwei volle Wodka-Flaschen: "Die Kids hatten keine Gelegenheit mehr zu trinken", lacht er. "Drei hatten Alkohol bei sich, sechs hatten zuviel Alkohol getrunken, davon zwei Mädels, die an der Pfinz liegend, nicht mehr ansprechbar waren", protokolliert Drogenberaterin Cordula Sailer.
"Wir wollen nicht, dass sie sich blöd saufen, aber viele kommen uns blöd"
"Sag mir deinen Namen, du fragst mich auch nach meinem!" Die Stimmung mancher Jugendlicher ist aggressiv geworden, das Gewaltpotenzial steigt: "Den nächsten, den er mit einer Kamera sieht, dem haut er die Kamera in die Fresse", zitiert ein Mitarbeiter vom Rettungsdienst, der nicht namentlich erwähnt werden möchte, die Drohung eines Halbstarken: "Wir wollen niemandem vom Trinken abhalten, aber auch nicht, dass sie sich blöd saufen. Und viele kommen uns blöd", meint er. "Die meisten Kids, die sich hier zulaufen lassen, haben schon ein ziemliches Alkoholproblem. Viele kommen wegen des Saufens und dem Ärger, nicht wegen der Fasnacht", schimpft er über die Saufgelage.
Absolut betrunken: Der Junge hinter der Wodka-Flasche ist 17 und hat 1,9 Promille. (Foto: ka-news) |
Ärger bekommt um 22.30 Uhr nun ein 17-Jähriger, der mit einer Wodkaflasche und 1,9 Promille im Blut in dem kleinen Zimmer sitzt und auf seine Eltern wartet. Er ist nicht der Letzte: Am Ende des langen Abends sind die Hintergrundteams nach 700 Kontrollen bei 20 Kindern und Jugendlichen tätig geworden. Zwar musste kein Kind zur Entgiftung in die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin gebracht werden, dafür hat das Jugendschutzteam einen traurigen Rekord zu verzeichnen: Ein 16-jähriges Mädchen hat zwei Promille im Blut - kein schöner Anblick für die Eltern.