Drastische Maßnahmen gegen die Inflation
Das Jahr 1923 ist das Jahr der Notenpresse, als Geldscheine im Wert von mehreren Millionen und Billionen Mark gedruckt werden. Um die Währung zu stabilisieren bedarf es einer Währungsreform. Zu diesem Zweck wird im Oktober 1923 die Deutsche Rentenbank errichtet und Immobilien zwangsweise zu Gunsten der Bank mit Hypotheken und Grundschulden in einer Gesamtsumme von über 3,2 Milliarden Mark belegt. So wird die von der Rentenbank auszugebende Rentenmark theoretisch mit Grund und Boden abgesichert.
Die Menge der ab 15. November 1923 von der Rentenbank ausgegebenen neuen Rentenmarkscheine wird sehr geringgehalten, um die Inflation zu stoppen. Eigentlich wird die Goldwährung als offizielle Währung Deutschlands in den 1920er Jahren erwartet.
"Die Rentenmark soll bis zur Einführung der Goldwährung eine Zwischenlösung darstellen", schreibt die Karlsruher Zeitung am 16. November. In Deutschland hat man Befürchtungen, dass der Plan sowieso nicht funktioniert – beispielsweise, weil die neue Währung nicht ausreichend in den Verkehr kommt.
Unmittelbare Ziele der Rentenmark
Zunächst wird die Rentenmark nur an Behörden ausgegeben und erst eine Woche später an private Leute. Um sie vor Entwertung zur schützen wird mit Devisen und nicht mit Geld am internationalen Markt gehandelt. Inzwischen ist die Notenpresse stillgelegt und man wartet auf die Goldnoten. Die Papiermark soll erstmal nicht allgemein in Rentenmark umgetauscht werden – dies wird hauptsächlich nur dem Lebensmittelhandel freigestellt.

Wichtig ist, die Lebensmittelproduktion wieder zu stabilisieren und Lebensmittelpreise zahlbar zu machen. Auch die Ernte soll damit beschleunigt werden. Die Reichsbank wird die 500 Millionen Rentenmark, die ihr von der Regierung überwiesen worden sind, sofort durch Umtausch gegen Papiermark in den Verkehr bringen und so wird zuerst der Lebensmittelhandel berücksichtigt, berichtet das Karlsruher Tagblatt.
Die "Heilkraft" der Währungsreform
Am 19. November kommt die Rentenmark in den allgemeinen Verkehr. "Das Volk hofft aus seiner Not heraus sehnlichst auf die Heilkraft", schreibt das Karlsruher Tagblatt. Durch die Inflation und die Auflagen des Versailler Vertrags ist das Leid in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg erheblich. Dr. Reinhold Siegrist ist der junge Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters von Karlsruhe.

Er studiert nach dem Ersten Weltkrieg Staatswissenschaften in Heidelberg und München und ihm sind die Befürchtungen über das Scheitern der neuen Währung bewusst. "Wenn man versucht, Papiermark und Rentenmark aneinander zu ketten, so wird die Rentenmark das Los der Papiermark teilen", sagt der junge Ökonom.
"Es bleibt nur die eine Möglichkeit: Mit dem Tag der Ausgabe der Rentenmark diese als einheitliche Währung anzuerkennen und die Papiermark als Währung auszuschalten". Aber es besteht weiterhin Angst. "So, wie jetzt die Dinge liegen, müsste man Schlimmes für die Entwicklung der Rentenmark befürchten", schreibt die Karlsruher Zeitung am 21. November.

Auf der einen Seite heißt es, die Grundpreise werden auf ein normales Maß zurückgeführt – auf der anderen wird versichert, dass sich normale Preise von selbst einstellen, wenn eine stabile Währung im Umlauf ist. Jedoch ist bereits die neue Rentenmark im Umlauf und es ist kein Stillstand der Preise zu beobachten, geschweige denn eine Senkung. Man hofft, wenn alle Löhne und Gehälter allgemein in Rentenmark gezahlt werden, dass dann eine Senkung der Warenpreise zu verzeichnen ist.
Angeblicher Verlust von Billionen durch die Reichsbank Karlsruhe
Die leichte Hysterie und Angst vor dem Scheitern der Rentenmark wächst in den ersten Tagen nach deren Einführung. Am 22. November beispielsweise veröffentlicht der Reichsverband des Deutschen Nahrungsmittelsgroßhandel, Landeszentrale des Badischen Einzelhandels e.V. folgende "Erklärung" in verschiedenen Karlsruher Zeitungen: Aufgrund missverstandener Instruktionen durch den Reichsbankdirektor in Karlsruhe wurde die Herausgabe der Rentenmarkbeträge verweigert, was angeblich zu 32 Billionen Mark Verlust am badischen Volksvermögen geführt hat.
Aber man soll der neuen Rentenmark Vertrauen entgegenbringen, plädiert das Karlsruhe Tagblatt am 27. November und verteidigt auch die Aktionen der Reichsbank; die Vorwürfe sind "leicht durch Tatsachen widerlegt".

Bereits am 23. November werden die Nachrichten positiver und ein Tag später schreibt das Karlsruher Tagblatt: "Allmählich kommen wir aus der Billionenrechnung heraus". Trotzdem wird verlangt, dass die Rentenmark so bald wie möglich durch eine Goldwährung abgelöst wird.
Und das Fazit bleibt: Wenn die Rentenmark nicht ausreichend in den Verkehr kommt, dann wird die Geldreform scheitern. Das Karlsruher Tagblatt wirft am 25. November den Empfängern der Rentenmark vor, ihr neues Geld zu hamstern.
Die Inflation wird beseitigt
Trotz allem nimmt die Bevölkerung die Rentenmark sehr schnell an und es wird keine Goldwährung eingeführt. Am 20. Dezember wird berichtet, dass in Zürich die Rentenmark zum vollen Goldwert und sogar darüber hinaus gehandelt wird. Jetzt merkt man, dass die Inflation schlagartig nachlässt.
Es wird erwartet, dass die häufige Ablehnung der Papiermark aufhören wird – auch, weil die Rentenmark im Umlauf knapp bleibt, um die Stabilisierung der Währung zu erhalten, berichtet die Badische Wirtschaftszeitung am 20. Dezember.

Am 24. Januar 1924 kann das Karlsruher Tagblatt melden: "Die Inflation ist beseitigt und wir sind aus der Zwangswirtschaft heraus". Allerdings sei die Rentenmark nur eine vorübergehende Sache, schreibt die Zeitung weiter. So rasch wie möglich muss die Goldnote kommen – "weil nur Goldgeld im internationalen Verkehr vollwertig ist". Die Goldnote wird als Währung jedoch nie eingesetzt. Obwohl die Rentenmark bis 1948 gültig bleibt wird ab 1924 die Reichsmark das gesetzliche Zahlungsmittel und wird erst 1948 durch die Deutsche Mark ersetzt.