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Karlsruhe: Nach Geiseldrama: Wenn Sportschützen zu Todesschützen werden

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Nach Geiseldrama: Wenn Sportschützen zu Todesschützen werden

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    Roman Grafe (rechts), Sprecher der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!", beim Versuch seinen Appell an Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der Trauerfeier in Karlsruhe zu übergeben.
    Roman Grafe (rechts), Sprecher der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!", beim Versuch seinen Appell an Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der Trauerfeier in Karlsruhe zu übergeben. Foto: (ErS)

    Sie fordern das vollständige Verbot aller tödlichen Sportwaffen in Deutschland. Wieviele Menschen sind in den letzten Jahren mit solchen Waffen getötet worden?
    Seit 1991 sind mindestens einhundertdreißig Menschen mit Waffen von Sportschützen getötet worden. Davon mehr als dreißig nach dem Winnender Schulmassaker. (Anm. d. Red: siehe Deutschlandkarte mit den Orten der Gewalttaten unter den Bildern zu diesem Artikel)

    Liegt das daran, dass die Waffen nicht sicher genug aufbewahrt werden?
    In mehr als neunzig Prozent der Fälle waren die Täter selber Sportschützen und haben ihre Waffen überwiegend ordnungsgemäß aufbewahrt - bis zum Tag der Gewalttat. Insofern ist es falsch und gefährlich, daß sich die öffentliche Diskussion seit dem Winnender Amoklauf derart auf die Aufbewahrungs-Vorschriften beschränkt.

    Hätte man ihrer Meinung nach das Geiseldrama von Karlsruhe am 4. Juli durch strengere Waffengesetze verhindern können?
    Der Mörder war auch in diesem Fall ein Sportschütze. Dass er nicht in Deutschland, sondern in Frankreich trainieren konnte, macht die Opfer nicht lebendiger. Das lasche Waffenrecht ist ein europäisches Problem. Auch der Ferienlager-Killer in Norwegen hatte in einem Schützen-Verein das Töten geübt. Anders in Großbritannien: Dort sind seit dem Schulmassaker eines Sportschützen in Dunblane 1996 private Faustfeuerwaffen verboten. Ohne Legalwaffen gibt es keine Legalwaffen-Morde.

    Warum passieren Morde mit Sportwaffen - woran liegt das?
    Die Mehrheit im Lande schweigt bisher zu dieser anhaltenden Gefahr. Jeder hofft, nicht getroffen zu werden. Man verdrängt diese grauenvolle Vorstellung. Stattdessen müsste sich die Mehrheit der Unbetroffenen mit der Minderheit der Betroffenen solidarisieren und die Verantwortlichen dazu bringen, den Sportwaffen-Wahn zu beenden.

    Sie appellieren auch an den Bundestag, tödliche Sportwaffen per Gesetz zu verbieten. 
    Ja, die Bundesregierung und der Bundestag müssen das nun endlich tun. Für den Schießsport bleiben dann noch weniger gefährliche Waffen, wie Druckluft- oder Laserwaffen. Wenn damit heute schon Olympia-Sportler erfolgreich schießen können, sollte es den Hobby-Schützen ebenfalls genügen.

    Hat Ihre Initiative schon erste Erfolge gebracht? 
    Immerhin: Die Diskussion um das Waffenrecht ist auch drei Jahre nach dem Winnender Amoklauf nicht, wie sonst immer, von der Schützen-Propaganda zugeschüttet worden. Daran hat unsere Initiative einen größeren Anteil. Doch unser Ziel haben wir noch nicht erreicht: Die Schützen-Funktionäre blocken bis heute eiskalt ab. Der Chef des Bundes Deutscher Schützen, Friedrich Gepperth, hat nach den Morden in Karlsruhe und Lehrensteinsfeld in der vergangenen Woche erklärt, die Sportwaffen-Toten seien "statistisch gesehen zu vernachlässigen". Diese Toten seien "der Preis, den wir in einer freien Gesellschaft zahlen müssen". Ich finde diese Sätze widerlich. Übersetzt bedeuten sie: "Lasst uns unseren Spaß - den Preis für dieses Risiko lassen wir andere zahlen." Kollektiven Egoismus nenne ich das.

    Die Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag kuscht noch immer vor den rund zwei Millionen Sportschützen, aus Angst davor, nicht mehr gewählt zu werden. Wo die Politik derart versagt, ist das Verfassungsgericht gefragt: Ich habe im Juli 2010, gemeinsam mit Eltern von in Winnenden erschossenen Schülerinnen, Verfassungbeschwerde eingelegt gegen das Waffengesetz. So hoffen wir auf die Vernunft der Karlsruher Richter. Hoffentlich entscheiden sie noch vor weiteren Sportschützen-Morden.

    Weitere Informationen zu "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!" finden auf der Webseite der Initiative.

    Alle weiteren Informationen zur Geiselnahme am Mittwochmorgen, den 4. Juli, finden Sie zusammengefasst im ka-news Dossier zum Geiseldrama.

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