Ganz Karlsruhe stand unter Schock: Von einer "Leiche ohne Kopf" wurde berichtet, die Zeitungen fragten: "Trieb hier etwa ein Geisteskranker sein Unwesen?" - und der Oberbürgermeister lobte eine Belohnung von 1.000 Mark zur Ergreifung des Täters aus. Was niemand ahnte: Die Bluttat war der erste Mord des Serienkillers Heinrich Pommerenke - seine Verbrechen sollten vier weitere Monate lang die Republik und vor allem Baden in Angst und Schrecken versetzen.
5.000 Polizisten jagen Pommerenke
Insgesamt beging der "Mörder mit dem Mädchengesicht"* mindestens 65 Gewalttaten, 26 davon allein in Karlsruhe. Bis zu 21 Verbrechen wurden nur durch ihn bekannt - aus Scham hatten die Opfer die Überfälle nicht bei der Polizei gemeldet. Pommerenke soll mindestens 27 Kinder, Mädchen und Frauen im Alter zwischen vier (!) und 54 Jahren überfallen haben - drei weitere Opfer im Alter von 16, 18 und 21 Jahren mussten dabei ihr Leben lassen. Am Ende jagten 5.000 Polizisten "das gespenstische Phantom", die Fahndung kostete eine Million Mark.
Die Vorgeschichte des bestialischen Mordes am so genannten Autobahnkleeblatt Karlsruhe ist so mysteriös wie das "Ungeheuer vom Schwarzwald" selbst: Pommerenke soll in einem Kino drei Mal hintereinander den Film "Die 10 Gebote" angeschaut und sich über die leicht bekleideten Mädchen empört haben. Noch während der Vorstellung soll er das Gelübde abgelegt haben, sieben Frauen zu töten: "Ich ging auf Frauensuche, weil ich im Film die nackten Frauen auf den Pferden sah und bestrafen wollte", soll er gesagt haben. Laut anderen Quellen wollte er 137 oder gar 71.317 Frauen ermorden. In einer Pause soll er dann neue Klingen für sein Rasiermesser im einem Stahlwarengeschäft auf der Kaiserstraße gekauft und nach Ende des Films ein 16-jähriges Lehrmädchen im Schlossgarten überfallen und gewürgt haben. Für die "schöne" Filmlegende gibt es allerdings keine Beweise: Die "10 Gebote" liefen an besagtem Tag gar nicht in Karlsruhe (dafür aber in Ettlingen), bei vier Stunden Laufzeit pro Film wäre der "Grauenmensch Pommerenke" zudem 12 Stunden lang am Stück im Kino gesessen.
Bewiesen ist dagegen, dass die "Bestie in Menschengestalt" sein Opfer später beim Schlachthof an der Durlacher Allee beobachtet und verfolgt hatte. Hilde Konther hatte nach getaner Arbeit bei den "Gablonzer Schmuckwerkstätten" noch Zucker, einen Apfel, Schlagsahne, Gebäck und eine Dose Milch eingekauft und wollte zu ihrer Wohnung nach Durlach, "Am Zwinger 4". Dort kam sie nie an. Pommerenke hatte sie kurz nach der Brücke eingeholt, von hinten gepackt und sich mit ihr eine Böschung hinunterrollen lassen - eine bei ihm wiederkehrende Methode des Überfalls.
Süddeutschland spricht vom "Pommerenke-Wetter"
Dann hatte er sein hilfloses Opfer mit seinem Rasiermesser ermordet. "Pommerenke tötete mit derselben Gleichgültigkeit mit der andere Menschen ihre Krawatten binden", hatten die Zeitungen geschrieben. Wie immer bei seinen Taten soll auch an diesem Abend nebliges, diesiges Wetter geherrscht haben - noch Jahre später sprach man in Süddeutschland deshalb vom "Pommerenke-Wetter". Nach der Tat soll die "verkommene Menschenseele" in aller Ruhe die Dose Milch des Opfers mit einem Messer geöffnet und ausgetrunken haben, bevor er sich in eine Durlacher Pension begab, wo er nach eigenen Angaben bis zum nächsten Morgen "wie ein Murmeltier" schlief.
Als der "menschenscheue Hilfsarbeiter" schließlich im Juni 1959 gefasst wurde, war die Erleichterung groß: "Baden atmet auf - nach einer kurzen, aber sehr schmerzhaften Epoche für das Land!", schrieb das Hamburger Abendblatt. Die Medien diskutierten darüber, "wie ein Einzelner Hunderttausende, ja die Bevölkerung eines ganzen Landes mit seinen Verbrechen beunruhigen und terrorisieren kann". Die "Schwarzwaldbestie" lieferte den Stoff dazu: Beim Polizeiverhör soll er angeblich gesagt haben: "Vor ihnen sitzt kein Mensch, sondern der Teufel." Ob das "Tier im Menschen" aber tatsächlich überführt wurde, weil er bei einem Schneider in Hornberg sein Gewehr vergaß, ist umstritten. Bei einem Besuch im Gefängnis stellte der Autor Pommerenke jedenfalls die Frage, ob er an diesem Tag vielleicht auch gefasst werden wollte - der Serienmörder schwieg und lächelte. Vor dem Gerichtsprozess in Freiburg forderten dann mehr als die Hälfte der Deutschen, dass der "Unheimliche von Baden" hingerichtet werden sollte - obwohl die Todesstrafe längst abgeschafft war.
Pommerenke stirbt 2008 in Bruchsal
Der 22-jährige Frauenmörder Heinrich Paul Max Pommerenke aus Bentwisch (Mecklenburg-Vorpommern), der 1959 in Karlsruhe zum ersten Mal gemordet hatte, wurde im Oktober 1960 wegen vierfachen Mordes, siebenfachen Mordversuchs, 25-facher versuchter und zweifach vollendeter Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, fünffachen schweren Raubes, zehnfacher Einbruchdiebstähle und sechsfacher Diebstähle zu sechs Mal lebenslang plus 15 Jahren Haft verurteilt. Die Richter errechneten eine Gesamtstrafe von 156 Jahren. Pommerenke, der an Diabetes litt und an Krebs erkrankte, starb erst 2008 im Bruchsaler Gefängnis - und war damit der am längsten einsitzende Häftling Deutschlands.
Der Karlsruher Autor ist mit den Geschichten über Pommerenke aufgewachsen, seine Mutter wurde von ihrem Vater noch mit den Worten gewarnt: "Bleib’ nicht so lange weg. Sonst holt dich der Pommerenke!" Er hat den "gefährlichsten Sexualverbrecher Deutschlands" in Haft besucht und 2010 die erste und bisher einzige Biographie über den berüchtigten Serienkiller veröffentlicht: "Heinrich Pommerenke, Frauenmörder. Ein verschüttetes Leben" ist im Klöpfer & Meyer Verlag erschienen.
(*Alle in Anführungszeichen gesetzten Synonyme für Pommerenke stammen aus den damaligen Zeitungen)
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