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Mobbing und Überwachung (I)

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Mobbing und Überwachung (I)

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    Gewählte Betriebsräte sollen gegenüber dem Arbeitgeber die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und die betriebliche Mitwirkung und Mitbestimmung wahren - so regelt es das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). In der Praxis sieht es oft anders aus, wie die Mitarbeiter beispielsweise beim Drogeriediscounter Schlecker erfahren haben. Um den Mitarbeitern Hilfestellungen zu geben, versucht die Dienstleistungsgesellschaft Verdi schon lange, flächendeckend Betriebsräte zu installieren; das Unternehmen versuche dies seinerseits immer wieder mit allen Mitteln zu verhindern.

    Betriebsräte: Karlsruhe ist eine positive Ausnahme

    Dies zeigt auch der folgende, in ka-news vorliegenden Schriftwechseln dokumentierte Fall. Der Gesamtbetriebsrat stellte einen Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl. Daraufhin suchten Verkaufs- und Bezirksleiter der Firma Schlecker ein Mitglied des Wahlvorstands auf. Sie teilten dieser Angestellten mit, ihre Mitwirkung bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen sei nicht erwünscht und forderten sie auf, "so etwas" zu unterlassen. Andernfalls könnten ihr "Unannehmlichkeiten" wie Versetzung oder "Verlassen der Firma" drohen, weil eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nicht erwünscht sei.

    Kein Einzelfall, wie Christel Hoffmann, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Schlecker, gegenüber ka-news bestätigt. "Schlecker versucht mit allen Mitteln Betriebsratswahlen zu verhindern. Sobald Wahlen stattfinden sollen, gibt es massive Angriffe seitens der Arbeitgeberseite. Das Ziel von Schlecker ist es, so lange dagegen anzugehen, bis es gar nicht erst zu Wahlen kommt." In vielen Bezirken seien Betriebsräte bis jetzt erfolgreich verhindert worden. Von möglichen 300 Betriebsräten gebe es bei Schlecker bis jetzt 114 Betriebsräte. Im Bezirk Karlsruhe sehe es mit zwei Betriebsräten dagegen etwas besser aus. Allerdings gibt es in Karlsruhe genauso viele Probleme wie anderswo.

    (Ab-)Mahnungen für zu viel und zu wenig Ware

    Doch nicht nur die ablehnende Haltung der Unternehmensleitung gegen Betriebsräte macht den Mitarbeitren zu schaffen. In einer Karlsruher Schlecker-Filiale bekam eine Angestellte eine zweite Abmahnung, da sie trotz Warenanlieferung angeblich erhebliche Fehlartikel im Sortiment hatte. In dem ka-news vorliegenden Schreiben heißt es unter anderem: "Sie als Verkaufsstellenverwalterin sind gemäß der vorliegenden Stellenausschreibung für die Warendisposition zur Erhaltung der optimalen Verkaufsbereitschaft verantwortlich. Sollten wir in diesem Bereich nochmals eine Verfehlung feststellen, müssen Sie mit weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere der Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen."

    In einem weiteren ka-news vorliegenden Schreiben an die selbe Filiale, ungefähr zur selben Zeit verfasst, aber von einem anderen Verfasser stammend, wird dieselbe Verkäuferin nun angemahnt, keinen so großen Bestand an Waren zu haben: "Die zuständige Bezirksleitung wird Sie in den nächsten Tagen besuchen und gemeinsam mit Ihnen, intensivst eine Analyse bezüglich der vorhandenen Warenbestände vornehmen. Dabei werden die zu treffenden Maßnahmen, den Warenüberbestand kurz- und langfristig dauerhaft zu reduzieren, schriftlich fixiert."

    Mitarbeiterinnen in kafkaesken Situationen

    Eine Angestellte einer Filiale in Wörth schreibt in einer Gegendarstellung zu einer angedrohten Kündigung an Schlecker: "Seit vielen Monaten wird Kritik geübt am Bestellsystem und Lieferantenproblemen bei der Firma Schlecker. Es ist bis heute keine Verbesserung eingetreten, im Gegenteil: Die Lieferlücken waren noch nie so umfangreich. Solange unsere Bestellungen erhebliche Lieferlücken zeigen, bin ich nicht in der Lage die Verantwortung für Fehlartikel zu übernehmen."

    Die Firma Schlecker hatte dieser Angestellten gegenüber zuvor ihren Arbeitsplatz als gefährdet bezeichnet: "Sie sind jetzt ungefähr vier Wochen in dieser Verkaufsstelle eingesetzt. Vor vier Wochen habe ich die Verkaufsstelle schon einmal besucht und musste Sie wie diesmal auch mit 'nicht gut' bezeichnen. Obwohl Ihre zuständige Bezirksleitung die Verkaufsstelle überarbeitet hat, haben Sie diese Maßnahme nicht genutzt um den Zustand zu halten und dadurch wieder einen negativen Zustand der Verkaufsstelle erreicht."

    Betriebsrat: Schlecker-Mitarbeiterin wurde eingesperrt

    Verdi versucht schon seit Jahren bei Schlecker flächendeckend Betriebsräte zu installieren (Foto: ka-news)

    Ein aktueller Fall ereignete sich bei einem Schlecker-Markt im Landkreis Karlsruhe. Laut Thomas Schark von Verdi sei hier eine Filialleiterin von Schlecker eingesperrt worden. Zuvor habe die Mitarbeiterin eine Abmahnung wegen Nichterfüllung der Sorgfaltspflicht bekommen: In der Filiale gehe es nicht sauber zu. Nachdem die Filialleiterin sich daraufhin an Verdi gewandt und die Gewerkschaft eine Gegendarstellung geschrieben habe, hätten sie Vorgesetzte besucht und nicht in die Mittagspause gehen lassen. Als sich die Mitarbeiterin daraufhin gewehrt habe, sei sie eingeschlossen worden. Die Filialleiterin habe die Vorgesetzen nun wegen Nötigung angezeigt. Schlecker habe daraufhin mit einer eigenen Strafanzeige geantwortet - wegen Mobbings.

    Schark vermutet, dass die Führungsebene von Schlecker nach dem Vorfall die anderen Mitarbeiter der Filiale angestichelt habe, Strafanzeige gegen die Filialleiterin wegen schlechter Führung zu stellen. Ein Detektiv habe telefonische Gespräche mitgehört und dies dokumentiert. Schark will darüber in Kenntnis gesetzt worden sein, dass das Einsperren von Mitarbeitern nicht nur bei Schlecker praktiziert wird: "Wir wissen, dass es unter anderem bei Aldi, Plus und Penny vorkommt, dass Mitarbeiter drei Stunden in einem Raum eingesperrt werden. Dann wird auf sie eingeredet und am Schluss unterschreiben sie eine Schuldanerkenntnis und Kündigung. Wir hören hier sehr viel, aber die Mitarbeiter trauen sich nicht, zu Verdi zu kommen, und wenn sie kommen, dann mit zeitlicher Verzögerung und dann ist es meistens schon zu spät, etwas zu unternehmen."

    Mehr über bedrohte Mitarbeiter beim Drogeriediscounter Schlecker erfahren Sie demnächst im zweiten Teil unserer Serie über Mobbing, Mitarbeiterüberwachung und andere fragwürdige Methoden speziell im Einzelhandel.

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