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Leute, Läden, Lebenslust IX

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Leute, Läden, Lebenslust IX

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    Die Wände im warmen Orangeton, der gepflegte Holzboden, die einladende rote Samtcouch und der Couchtisch nebst Spiegel mit üppigen Goldverzierungen sorgen für einen Hauch von Luxus und bilden einen würdigen Rahmen für die Hauptsache: Hüte. Aufgereiht in Schaufensternähe balancieren sie auf den eigens für sie entworfenen Hutständern. Filigrane Gebilde aus feinstem italienischem Stroh für den "großen Auftritt", oder etwas bodenständiger aus Baumwolle, dafür absolut alltagstauglich. Für jeden Anlass und Geschmack gibt es den richtigen Hut.

    Hinter einer Theke, die auch als Arbeitsplatz dient, lagern die Zutaten, aus denen Traumhüte entstehen. Jetzt im Sommer vor allem Stroh aus unterschiedlichen Herkunftsländern, das in Schlapphutform angeliefert wird. Daneben Hutbänder in allen Variationen, Stoffe und andere Dekorationsmaterialien. In den Regalen darüber stehen die Holzrohlinge für verschiedene Kopfformen, mit denen die Grundform eines Hutes bestimmt wird. "Im Frühling und Sommer waren bisher mehr die sogenannten Anlass-Hüte gefragt, für Hochzeiten, Taufen, Sommerfeste oder die Rennbahn", weiß Veronika Banck. Gerade wegen der schattenspendenden Wirkung luftiger Sommerhüte ist die Nachfrage in diesem Sommer groß, obwohl die eigentliche Hutsaison bisher der Winter war. "Das Interesse am Hut ist da", versichert sie und äußert die Hoffnung, dass über die junge Generation, die wieder mehr Kopfbedeckung trägt, der Hut eine Renaissance erleben könnte.

    Veronika Banck bei der Arbeit (Foto: ka-news)

    Alle Wege führen schließlich zum Hut

    Aber wie kam sie selbst, die eher einer "Hut - nein danke!"-Generation entstammt, auf die Idee, Hüte zu entwerfen? "Ich bin mit Hüten aufgewachsen. Meine Oma und meine Mutter haben immer welche getragen.", erinnert sich Banck. Das hatte mit gewissen "Repräsentationspflichten" der Familie zu tun, denn der Großvater war Rektor und in den 1960er Jahren sogar Bürgermeister von Ettlingen. Die Großmutter achtete immer auf korrekte Kleidung und dazu gehörte auf alle Fälle ein Hut. Auf alten Familienfotos, von denen sie eines im Laden neben der Kasse aufbewahrt, ist dies dokumentiert. Auch wenn es eine erbliche Vorbelastung zu geben scheint, ganz so klar zeichnete sich der Weg zum Hut für Veronika Banck doch nicht ab. Erst nach einigen Irrungen und Wirrungen kam sie zu dem, was sie heute als "ihr Ideal" bezeichnet.

    "Für zwei Dinge habe ich mich schon immer interessiert: Bücher und das Handwerkliche.", meint Banck. Das erklärt, weshalb sie erst Buchhändlerin wurde und anschließend bei einer Modedesignerin in Berlin arbeitete. Zurück in Karlsruhe entwarf sie kleine Kollektionen für Boutiquen und arbeitete für das Unitheater als Kostümbildnerin. Durch das Nähen zog sie sich eine Knochenhautentzündung zu und weil ein Unglück selten allein kommt, wurde ihr zeitgleich die Wohnung gekündigt. Die Bitte einer Freundin, die auf Lanzarote wohnte, für drei Monate auf ihr Kind aufzupassen, kam ihr daher nicht ungelegen. Da sie erst einmal genug hatte vom Nähen, versuchte sie es anschließend mit einem Bürojob in der Firma ihres Bruders im Schwarzwald. Einer weiteren unfreiwilligen Unterbrechung - sie brach sich einen Fuß und kam ins Krankenhaus - verdankt sie letztendlich den Entschluss, sich ihrer alten Leidenschaft, den Hüten, wieder zuzuwenden.

    Hüte machen gute Laune! (Foto: ka-news)

    Hüte made in "Badisch-Sibirien"

    Die Schwarzwälder Frauen in ihrem Krankenzimmer waren die ersten, die davon erfuhren, dass sie fortan Hüte machen wollte. "Die haben mich alle für verrückt erklärt und das waren nicht die einzigen.", erinnert sie sich. Die Ausbildungsplatzsuche gestaltete sich sehr schwierig. Es gab wenig geeignete Betriebe und sie reiste quer durch die Republik auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. So kam sie schließlich nach Walldürn in das Atelier von Richard Lang. Nach dem ersten Kennenlernen war für sie klar: "Entweder diese Ausbildung oder ich lass es". Sie bekam den Platz und Lang wurde ihr Ausbilder und Mentor. "Es war eine tolle Zeit, auch wenn ich nur 250 Mark im Monat verdiente und kein Auto hatte.", erinnert sie sich an die Lehrjahre. Sich selbständig zu machen, war von Anfang an ihr Ziel. Ein Gesellenjahr blieb sie noch in Walldürn, arbeitete dann ein Jahr in Speyer und kehrte als frischgebackene Modistin, so lautet die korrekte Berufsbezeichnung, nach Karlsruhe zurück.

    Im April 1998 eröffnete sie "Hauptsache Hut" in der Gartenstraße. Die Meisterprüfung hat sie längst abgelegt und ihre Entscheidung, sich als Modistin selbständig zu machen, nie bereut. Hüte entwerfen und herstellen findet sie noch spannender als Nähen, wegen der Abwechslung und der vielen unterschiedlichen Materialien, die zum Einsatz kommen. "Filz verarbeitet sich zum Beispiel ganz anders als Stroh und ich freue mich jetzt schon darauf, im Herbst wieder mit Filz arbeiten zu können.", erklärt sie. Das Arbeiten mit den Kundinnen macht ihr viel Spaß und weil sie wirklich alles am Hut selbst macht, kann sie sich optimal auf die Kundenwünsche und nicht zuletzt auf deren Geldbeutel einstellen. Zweimal im Jahr entwirft sie eine neue Kollektion für die Modenschau der Stuttgarter Modisteninnung, bei der sie auch regelmäßig den beruflichen Nachwuchs unterrichtet. Inspirieren lässt sie sich dabei von der aktuellen Kleidermode, wobei es für Hüte kein strenges Modediktat gibt.

    Der Hut ist nicht mehr vom Aussterben bedroht

    Das ganze Jahr über ist Veronika Banck gut ausgelastet. Neben den bereits erwähnten Kollektionen entwirft sie Hüte für Modenschauen, die sie gemeinsam mit Karlsruher Mode-Boutiquen veranstaltet. Seit diesem Jahr ist sie stellvertretende Obermeisterin der Landesinnung. Sie trägt Verantwortung für die Ausbildungsqualität in etwa 30 angeschlossenen Betrieben. Den Büchern ist sie, soweit es die Zeit erlaubt, treu geblieben. Mit Freunden gründete sie einen Literaturkreis, in dem regelmäßig Bücher besprochen werden. Außerdem geht sie gerne ins Theater, macht Yoga und fährt Fahrrad. "Ich wollte Modistin werden, weil es davon nur wenige gibt und weil ich es furchtbar fände, wenn dieser Beruf aussterben würde", erinnert sie sich an das Motiv für ihre Berufswahl. Nach einem Besuch im "Hauptsache Hut" erweist sich diese Sorge als unbegründet.

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