"Wir sehen uns selbst als das historische Gewissen der Verkehrsbetriebe." So beschreibt der Vorsitzende Alexander Geistler seinen Verein: Den Treffpunkt Schienennahverkehr in Karlsruhe (TSNV). Der Verein für alle Interessierten des Schienennahverkehrs hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, in Zusammenarbeit mit den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) und der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) in die Jahre gekommene historische Straßenbahnfahrzeuge wieder fahrtüchtig zu machen.
Die restaurierten Fahrzeuge werden anschließend für Sonderfahrten, beispielsweise anlässlich einer Hochzeit, vermietet oder zu besonderen Ereignissen in der Öffentlichkeit eingesetzt. So zum Beispiel an den vier Sonntagen vor Weihnachten, an denen mit den Museumsfahrzeugen entlang der Adventsringlinie gefahren wird. Die Vereinstätigkeiten gehen allerdings weit über das bloße Aufbereiten und Fahren der historischen Bahnen hinaus. Neben dem Verfassen mehrerer Bücher zu bahnhistorischen Themen wird vom Verein die Zeitschrift "Weichenbengel" herausgegeben, monatliche Vorträge abgehalten sowie ein Archiv und eine Bibliothek zum Thema Schienennahverkehr verwaltet.
Aktive Jugend ist ein wertvolles Gut
Der TSNV kann auf eine lange Historie zurückblicken. Nach eigener Aussage reichen die Wurzeln des Vereins bis in die 80er Jahre zurück, ehe 1986 die offizielle Gründung erfolgte. Seitdem bereichert der Verein als Anlaufpunkt für alle Interessierten von Straßen- und Eisenbahnen das Vereinsleben in der Fächerstadt. Insgesamt 221 Mitglieder aus allen Alters- und Berufsschichten zählt der Verein aktuell. Besonders stolz sei man nach Aussage von Vereinsmitglied Jochen Zefferer auf eine sehr aktive Jugend. "Jugendliche Mitglieder sind ein wertvolles Gut, das sehr von uns gepflegt wird", so Zefferer.

Viele der Mitglieder beschäftigen sich nicht nur privat mit dem Schienennahverkehr, sondern befassen sich auch im beruflichen Alltag mit Straßen- und Eisenbahnen. "Viele unserer Mitglieder arbeiten bei den Karlsruher Verkehrsgesellschaften VBK, AVG und KVV. Andere sind hingegen für die Deutsche Bahn oder andere Verkehrsunternehmen in München, Leipzig oder Wien tätig", erklärt der Pressesprecher des Vereins Andreas Müller im Gespräch mit ka-news. Immer wieder fänden auch Studenten ihren Weg zum TSNV, die sich im Zuge ihres verkehrswissenschaftlichen Studiengangs mit Straßenbahnen beschäftigen wollen.
Faszination seit Kindheitstagen
Was alle Mitglieder vereint, ist hingegen die Faszination für Straßen- und Eisenbahnen und das von klein auf an. "Das Interesse vereint uns alle, sonst hätten wir so nie zusammen gefunden", so Vereinsvorsitzender Alexander Geistler. Ihn selbst habe es aufgrund seines Studiums 1995 nach Karlsruhe verschlagen. Als er zur Adventszeit die historische Straßenbahnen des Vereins auf ihrer Sonderfahrt durch die Karlsruher Innenstadt sah, informierte er sich über den TSNV und wurde im Februar 1996 Mitglied. "Dieses Hobby ist wie Modellbahnen bauen, nur im Maßstab 1:1", witzelt er. Es gehe ihm auch darum, anderen eine Freude zu bereiten. Vereinsmitglieder hätten Spaß am Fahren der historischen Fahrzeuge, Fahrgäste am Mitfahren und Fußgänger können sich wiederum am Anblick der neu aufbereiteten Bahnen erfreuen.

"In der Vergangenheit wurde viel geleistet", so Mitglied Jochen Zefferer. Besonderer Höhepunkt der rund 32-jährigen Vereinsgeschichte war das 100-jährige Jubiläum der elektrischen Straßenbahn in Karlsruhe im Jahre 2000. Neben einer Ausstellung im Prinz-Max-Palais gab es einen Fahrzeugkorso entlang der Karlsruher Innenstadt, an welchem der TSNV maßgeblich beteiligt war. "Wir haben es uns als Verein auf die Fahne geschrieben von jeder Fahrzeuggeneration ein Fahrzeug betriebsfähig zu erhalten. Pünktlich zum Jubiläum wurde ein weiteres Fahrzeug nahezu betriebsneu fertiggestellt, so dass von der ersten elektrischen bis hin zur modernen Straßenbahn alles beim Korso in der Karlsruher Fußgängerzone vertreten war", erinnert sich Mitglied Markus Weineich.
Positive Zusammenarbeit zwischen TSNV und VBK
Der Fuhrpark des TSNV zählt derzeit neun betriebsfähige Triebwagen, drei Beiwagen sowie acht nicht fahrtüchtige Fahrzeuge, welche sich teilweise im Umbau befinden, wie etwa der Residenzwagen 92 aus dem Baujahr 1922. Auch ein Linienbus findet sich in der historischen Wagenhalle in der Tullastraße wieder. Als älteste Stahlbetonhalle der Stadt steht das 1913 errichtete Depot ähnlich wie die darin befindlichen Fahrzeuge für ein Stück Geschichte des Schienennahverkehrs in Karlsruhe.

Wichtig ist dabei anzumerken, dass sich die Fahrzeuge genau wie die Wagenhalle weiterhin im Besitz der VBK befinden. "Wir sind so gesehen ein besitzloser Verein. Die Bahnen sowie die Halle sind nach wie vor im Besitz der Verkehrsbetriebe", erklärt Vorstand Geistler. Der Verein kümmere sich hingegen um die Restaurierung und führe Sonderfahrten mit den historischen Fahrzeugen durch. Von der engen Zusammenarbeit profitieren letztendlich beide Seiten. Der TSNV bekommt so die Möglichkeit historische Straßenbahnen aufzubereiten und zu lagern, die Verkehrsbetriebe profitieren hingegen von der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins. "Wenn wir uns präsentieren, präsentieren wir immer auch die Verkehrsbetriebe", so Geistler weiter. Ziel des Vereins ist es, das geschichtliche Erbe des Unternehmens zu bewahren und zu pflegen.
Die aktuelle Lage des Karlsruher Schienennahverkehrs beurteilt der Verein positiv. "In Karlsruhe ging es immer voran. Man blickt auf eine Historie, in der viele positive Entwicklungen stattgefunden haben. Eine Historie, die man gerne repräsentiert", so die Worte des Vereinsvorsitzenden.

100.000 Euro und unzählbare Arbeitsstunden
Die Dauer einer Restaurierung ist zunächst vom Zustand des Fahrzeuges abhängig, andererseits aber auch von der verfügbaren Zeit der Vereinsmitglieder, da die Umbauarbeiten nach wie vor ehrenamtliche Freizeitaktivitäten sind. Meist handelt es sich bei den historischen Bahnen um ausrangierte Arbeitstriebwagen der VBK und AVG.
Der älteste Wagen im historischen Bahndepot des Vereins ist der Triebwagen 14 aus dem Jahre 1899. Als ältestes erhaltenes Karlsruher Straßenbahnfahrzeug wurde es zur Eröffnung des elektrischen Straßenbahnbetriebs im Jahr 1900 beschafft, war zwischenzeitlich als Reklamewagen mit handbemalten Werbeanzeigen im Einsatz und ist bis heute betriebsfähig erhalten.
In der Regel kostet die Überarbeitung der Fahrzeuge rund 100.000 Euro pro Wagen. So habe etwa der Residenztriebwagen 92 seit dem Beginn der Umbauarbeiten im Jahre 2006 bis zum heutigen Tag 60.000 Euro an Materialkosten in Anspruch genommen, weitere 20.000 Euro folgen für weitere Aufbereitungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Die Gelder dafür kommen aus den Mitgliedsbeiträgen oder werden durch Spenden finanziert.

Fahrzeuge zu restaurieren dauert viele Jahre
"Nicht eingerechnet sind hingegen die tausenden von ehrenamtlichen Arbeitsstunden unserer Mitglieder", fügt Geistler hinzu. Zu Beginn der Restaurierung werden die Fahrzeuge meist komplett ausgeräumt, ehe mit den Karosseriearbeiten begonnen werden kann. Die technischen Maßnahmen werden dabei meist von geschultem Personal in der Hauptwerkstätte der Verkehrsbetriebe durchgeführt. "Zum harten Kern des Vereins zählen etwa 30-50 Leute, welche an den Wägen arbeiten. Oftmals werden Leute auch aufgrund ihrer Qualifikationen für bestimmte Arbeiten eingesetzt", erklärt Zefferer.
Da die Fahrzeuge oft als Arbeitstriebwagen eingesetzt wurden, ist von der Innenausstattung meist nicht mehr viel übrig. Aus diesen Fahrzeugen wurden dann oft die Sitze ausgebaut, um mehr Platz für Arbeitsgeräte zu haben. Hier ist der Verein stets bemüht, so viele Originalteile wie möglich zu erhalten. Beispielhaft sei hier nur der Spiegelwagenzug erwähnt, welcher in rund 13 Jahren in seinen Originalzustand zurückversetzt wurde – inklusive Sitzen aus Echtleder und hölzerner Innenaustattung.
Eins der jüngeren Mitglieder des TSNV-Fuhrparks ist die als "Holzklasse" bekannte Bahn, die zuletzt in Karlsruhe als Linie 5 fuhr. Für die meisten dieser Fahrzeuge hat das Bahnleben mittlerweile ein Ende, sie wurden verschrottet. Doch in der Halle des TSNV wird auch dieses Fahrzeug den künftigen Generationen an Bahn-Enthusiasten erhalten bleiben.