Ob verarmte Klofrauen, vereinsamte Prostituierte, verwahrloste Junkies, verzweifelte Obdachlose, vernachlässigte Behinderte oder eben verkannte Ex-Häftlinge - Kuno Bärenbold kämpft verbissen gegen die Vorverurteilung von Randgruppen. Mit seinen Waffen wohlgemerkt. Denn die Feder ist bekanntlich um ein vielfaches mächtiger als das Schwert.
"Verführung zum Lesen. Gegen Vorurteile - für Toleranz" heißt deshalb auch sein neues Buch-Projekt. Mit 20 Erzählungen über den Strafvollzug, die Arbeitswelt, über Lebenshungrige und Liebesträumer, von Achtklässlern der Neuenstadter Realschule aus seinen Büchern ausgewählt, versucht er für seine Sache zu sensibilisieren. So auch in den vorangegangenen "bären(bold)starken" Büchern. Sechs an der Zahl hat der in Durlach lebende Schriftsteller bislang veröffentlicht.
Doch nicht nur als Autor, auch als Rezensent für verschiedene Medien hat sich der Mann mit der Baskenmütze über die Grenzen der Fächerstadt hinaus einen Namen gemacht. Ewig nörgelnde Kollegen hingegen beäugt er kritisch. "Ich jedenfalls verreiße längst keine Bücher mehr - für wen denn?" Zum Lesen verführen möchte er. "Das Lesevirus verbreiten", wie er sagt. Er selbst war lange Zeit immun, bis zum 27. Lebensjahr. Dann kam der Knast und wurde Wendepunkt seines Lebens.
"Ich hatte jahrelang Zeit gehabt, das Lesen zu lernen", erzählt Kuno Bärenbold mit ironischem Unterton im Rückblick auf seine Knastzeit - um sogleich zu ergänzen: "Und ich bin stolz darauf, heute als Autor und Kritiker das zurück geben zu können, was ich im Knast (auch!) gelernt habe - das Lesen." Das ist sein Geschenk an die da draußen, um gleichzeitig auf eine Grafik des Künstlers Gerhart Frey zu verweisen.
Bärenbold zieht hier einen prallvollen Bücherkarren und ruft den Leuten provozierend zu: "Lest doch, ihr Flaschen!"
Es geht aber auch anders, nämlich mit zuhören: Seine Lesungen in Schulen, Jugendzentren, Gefängnissen, Büchereien oder Kulturkneipen sind dem badischen Vorzeigepoeten ebenso wichtig, wie die tägliche Ration Literatur: "Einen Tag ohne Lesen?", fragt er ungläubig, "das ist für mich unvorstellbar!"
Doch Bärenbold ist nicht nur solo zu erleben: Gemeinsam mit dem Mundart-Dichter Harald Hurst und dem Musik-Kabarettisten Gunzi Heil füllt "Karlsruhes Boy Group der Literatur" regelmäßig die Hallen und Säle der Umgebung. In einer ihrer wenigen Sternstunden bezeichnete eine hiesige Tageszeitung die sympathischen Künstler auch schon so treffend als "Die Drei von der Denkstelle".
Zum Nachdenken anregen, darauf kommt es Kuno Bärenbold an. Doch trotz aller ideellen Wertschätzung, die er dem geschriebenen Wort beimisst, muss sich der erklärte Literatur-Liebhaber mit einem tiefen Seufzer eingestehen: "Schade nur, dass Bücher nicht küssen können."
Beschreiben Sie sich mit drei Worten:
Baskenmütze, Bart (Nietzsche-Verschnitt), Holz- und Bücherwurm.
Was ist Ihre größte Stärke?
Gute Kurzgeschichten und zum Lesen verführende Rezensionen schreiben, milden Rotwein süffeln, Frauen verwöhnen, wenn sie's zulassen.
Was ist Ihre größte Schwäche?
Frauen. Wenn nicht vorhanden, steigt der Verbrauch vom "Sprit für d' Seel" (Harald Hurst).
Was war als Kind oder Jugendlicher Ihr Traumberuf? Haben Sie damals jemals daran gedacht, das zu werden, was Sie heute sind?
Ich wollte unbedingt Kellner in einem Straßencafé am Überlinger Landungsplatz werden, direkt am Bodensee, weil dort viele schöne Mädle vorüber schlendern, die viel Bein und Busen zeigen. Seltsamerweise tauchen diese Traumfrauen in einigen Erzählungen wieder auf...
Was würden Sie im Leben gerne noch erreichen?
Zwei Bücher schreiben, die von Marcel Reich-Ranicki gerühmt werden und sich prächtig verkaufen. Als Literaturkritiker möchte ich die Menschen, siehe oben, zum Lesen verführen - und wer wünscht sich das nicht: Lieben und geliebt werden!
Was nervt Ihre Partnerin am meisten an Ihnen?
Nix mehr, weil sie mich verlassen hat. Oder war ich es, der ihr den Laufpass gab? Jedenfalls war's zuletzt so: Wenn's oben nicht stimmt, kann's unten nicht klappen. Und umgekehrt.
Auf welchen Gegenstand möchten Sie im Leben nicht verzichten?
Bücher, weil sie bildend unterhalten und treu bleiben.
Wen würden Sie gerne auf den Mond schießen?
Untreue Weibsbilder! Dort droben sollten sie für ihre Missetaten büßen müssen.
Welcher Mensch beeindruckt Sie?
Marcel Reich-Ranicki, der sich den Ehrentitel "Literaturpapst" redlich verdient hat.
Welche Musik (Interpret und Titel) und welcher Film haben Sie am meisten beeindruckt?
Das "Liederbuch" von Robert Long. Kostprobe: "Ab morgen sind wir tolerant, und reichen jedem Arsch die Hand! Und was uns stört in diesem Land, das wird jetzt keine Schweinerei mehr genannt." Reinhören! Tut gut!! Macht Mut!!! Ebenso wie Konstantin Weckers kämpferische Liedzeilen: "Ich will die Feigheit brennen sehn, man muss sich wehr'n, so lang man kann, denn wer sich fügt, der fängt bereits ganz insgeheim zu lügen an..." Ich ziehe derzeit das Theater dem Kino vor, habe einen großen Wunsch ans Badische Staatstheater: Bitte Anton Cechovs Komödie "Drei Schwestern" ins Programm aufnehmen!
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen?
Den Roman "Antoíne oder die Idiotie" von Martin Page (Wagenbach Verlag), der zu den zwei besten im Bücherherbst 2002 zählt. Thema: Wie man ein Idiot wird. Unbedingt lesen, Leute!
Sie werden als Tier geboren. Als welches?
Humbug-Frage. Antwort, wenn's denn sein muss: Als Schmusekater!
Sie tauschen einen Tag mit einer Person des anderen Geschlechts - wer wäre das?
Tausche nicht!
Was finden Sie an Karlsruhe reizvoll?
Badische Lebensart, vielfältiges Kulturangebot.
Was würden Sie an Karlsruhe ändern, wenn Sie Oberbürgermeister wären?
Ich strebe dieses schwere Amt nicht an, bitte die Bürger Karlsruhes um Verständnis.
Welches sind die markantesten Karlsruher / deutschen Köpfe?
Karlsruhes Boy Group der Literatur, berühmt als "Die Drei von der Denkstelle": Harald Hurst, Gunzi Heil und Kuno Bärenbold.
Sie leben in einem anderen Land. Welcher Grund könnte Sie dazu bewegen beziehungsweise davon abhalten, nach Deutschland einzuwandern?
Auftritte mit den Freunden und Kollegen im JUBEZ und in der Badisch Bühn, wenn es wieder heißt: "Musik & Literatur - live & pur". Anderenfalls: Das Sommerfinanzloch, da bleib ich dann lieber bei den türkischen Freunden in Sivas.
Es geht um das Glück der Republik. Welche Person, Gruppierung oder Idee sollte mehr Einfluss gewinnen?
Geistes- und Herzensbildung!
Wie und wo möchten Sie sterben?
Diese deprimierende Frage darf man einem Hypochonder nicht stellen! Merkt's euch: "Noch kriegt ihr mich nicht dran, es gibt noch viel zu viel zu tun..." (Konstantin Wecker).
Kommen Sie in den Himmel oder in die Hölle?
Natürlich in den siebten Bücherhimmel!