Ein Bericht von Stefan Jehle
Die Stephanskirche in Karlsruhe gilt neben der Klosterkirche in St. Blasien als die bedeutendste klassizistische Kuppelkirche in Baden. Noch im 18. Jahrhundert war im traditionell evangelisch geprägten Karlsruhe - als "Carolsruhe" eine Neugründung des Markgrafen von Baden-Durlach - der katholische Bevölkerungsanteil "Teil der Diaspora". Die um 1800 dann doch deutlich gestiegene Zahl der Katholiken erforderte dringend den Bau einer großen Stadtkirche.
Karlsruhes bedeutendster Stadtbaumeister des 19. Jahrhunderts, Friedrich Weinbrenner, setzte sich einst mit dem Entwurf für eine "kreuzförmige Rundkirche" durch: Eben dieser imposante Bau, weitgehend zerstört im Zweiten Weltkrieg, und wieder aufgebaut in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bildet nun die ideale Voraussetzung für "ein neues Kirchenverständnis". In Zukunft soll der Innenraum von "einer runden Insel mit Altar und Lesepult" geprägt sein, die Bänke "fast kreisförmig darum angeordnet" werden. Erzbischof Robert Zollitsch war es persönlich, der dem neuen Stadtdekan die baldige Renovation nahe legte.
"Entscheidung für die Zukunft"
Als "Entscheidung für die Zukunft" wertete Dekan Hubert Streckert das Anfang Dezember getroffene Votum des Pfarrgemeinderates. Mit der liturgischen Neugestaltung will die Gemeinde dem heutigen Gottesdienstverständnis Rechnung tragen. "Alle sind auf die gemeinsame Mitte, Jesus Christus, ausgerichtet", beschreibt Stadtpfarrer Achim Zerrer den Leitgedanken. Immer wieder wird die Pfarrkirche St. Peter und Paul im südbadischen Weil am Rhein als Vorbild genannt.
Achim Zerrer, seit 2005 Stadtpfarrer, der selbst aus dem südbadischen Oberkirch stammt, und sich St. Stephan schon seit seiner Zeit als Kaplan nach 1996 verbunden fühlt, verweist zudem auf Vorbilder in München (St. Bonifaz) und in Berlin (St. Hedwig). In der Diözese Münster sei "die kreisrunde Form" sogar schon zum Standard erklärt worden, versichert er. Das "Circumstantes-Modell" leite sich wörtlich ab von "die Herumstehenden", auch "die um den Altar herum stehenden".
Überdurchschnittlich besuchte Gottesdienste
Doch damit wollen sich zahlreiche Leserbriefschreiber in lokalen Pressespalten nicht einfach abfinden. Man verhindere durch die kreisrunde Anordnung der Kirchenbänke "wirkliche Andacht". Keiner könne sich mehr unbeobachtet fühlen, sagt etwa ein 60-Jähriger, der selbst nur wenige Meter von der Stadtkirche entfernt in der Innenstadt wohnt. Für "wenig Führungsgröße" spreche es, wenn in einer Gemeinde, die einmal aufgrund theologischer Inhalte eine besondere Anziehung gehabt habe, "eine Spaltung hingenommen wird", mein derweil ein anderer Innenstadtbewohner, und fordert "Toleranz". Fast hat die Neuplanung den Anstrich "einer Art Revolution".
Dekan Hubert Streckert äußert derweil die Hoffnung, dass "die Einheit der Gemeinde, auch mit den Kritikern an dem Entwurf, gewahrt bleibe". Auf dem Papier zählt der Stadtkirchenbezirk 4.800 Gemeindemitglieder. An vier Gottesdiensten samstags und sonntags zähle man jeweils 1.000 Besucher, "weit über dem Durchschnitt", sagt Stadtpfarrer Achim Zerrer. Die Stadtkirche zieht auch Besucher aus den Stadtteilen an. Ausgangspunkt für die jetzt getroffene Entscheidung war die dringende Notwendigkeit, den Kircheninnenraum zu sanieren. 1,5 Millionen Euro sind veranschlagt: für eine neue Beleuchtung und für die Sanierung von Wänden und Kuppel. Die Erneuerung der Kirchenbänke, Folge der kreisrunden Anordnung, soll zusätzlich etwa 500.000 Euro kosten. 540 Besucherplätze zählen die Bänke bisher, bei neuer Anordnung sind es 528 - also nicht sehr viel weniger als heute.
"Intensiveres Gemeinschaftsgefühl"
Das Geld für die neugestalteten Bänke, die "ein intensiveres Gemeinschaftsgefühl" ermöglichen sollen, muss allerdings erst noch aufgebracht werden. Die Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Kurses Katholische Religion eines örtlichen Gymnasiums begrüßten es in einem offenen Brief, dass "der Altar wieder näher ins Zentrum rückt", und wünschen sich zusätzlich "Bilder mit lachenden Kindern an den Wänden". Doch das kann die Sorge jener nicht besänftigen, die vor allem Ängste "um die Theologie" und "die Verschwendung von Geldmitteln" umtreiben. Millionen von Glaubensbrüdern und Glaubensschwestern in aller Welt müssten "ohne würdigen Kirchenraum leben, den sie sich wegen Armut nicht schaffen können", meint einer der Kritiker.