Tendenziell stellt die Polizei einen leichten Anstieg beim Cannabiskonsum in der Fächerstadt fest. Genaue Zahlen wird es im Frühjahr geben, wenn die offiziellen Statistiken veröffentlicht werden. Doch auch diese werden kein umfassendes Bild über den tatsächlichen Cannabisgebrauch geben können.
"Wir haben in diesem Bereich ein großes Dunkelfeld", so Kriminalhauptkommissarin Tanja Raststätter. Sie ist im Referat Prävention beim Polizeipräsidium Karlsruhe tätig.
Kiffen im Schlossgarten
"Früher wurde hauptsächlich an öffentlichen Plätzen konsumiert und erworben", so Rastätter. Beispielsweise am Europaplatz oder im Schlossgarten - das hat sich heutzutage in die eigenen vier Wände verlagert. Die Hanfplatze im Zimmer - gar in Form einer professionellen Indoor-Plantage - ist laut Polizei kein Einzelfall in Karlsruhe. Hinzu kommt eine Veränderung im Konsumverhalten: Der Joint gehört für viele inzwischen zum Alltag - "es gibt immer einen Grund zum Kiffen", formuliert es Rastätter deutlich.
Die Zeiten, in der Cannabis jedoch als Einstiegsdroge galt, sind vorbei: Die klassische Drogenkarriere, die mit dem Joint startet und der Nadel im Arm endet, ist seltener geworden. Vielmehr werden die Drogen in Mischungen kombiniert. "Amphetamine zum Aufputschen und Cannabis zum Runterkommen", so Raststätter. Ansonsten gelte für die Cannabis-Abhängigkeit dieselbe Regel wie für andere Drogen auch: Sobald ein Mittel regelmäßig zur vermeintlichen Problemlösung eingesetzt wird, wird es zum Suchtmittel.
Hanfpflanze im Zimmer: Kein Einzelfall mehr
Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Nicht jeder Mensch driftet nach dem ersten Joint in eine Cannabis-Abhängigkeit ab. "Viele Menschen kommen mit dem Suchtmittel Cannabis klar", sagt Cordula Sailer, Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe, "genauso wie die meisten von uns mit dem Suchtmittel Alkohol zurechtkommen. In Fachkreisen geht man davon aus, dass 95 Prozent der Cannabiskonsumenten in Deutschland nicht süchtig sind - sie konsumieren unauffällig."
Cannabiskonsumenten haben allerdings ein 20-fach erhöhtes Risiko, an einer drogeninduzierten Psychose zu erkranken: "Nach ersten neueren Untersuchungen scheint hier das Vorliegen psychischer Erkrankungen in der Familie ein weiterer Risikofaktor zu sein", so Drogenbeauftragte Sailer.
Zirka neun Prozent der Jugendlichen konsumieren regelmäßig
In Deutschland konsumieren laut einer Studie etwa 24 Prozent der 16- bis 34-Jährigen Haschisch oder Marihuana - in den USA sind es hingegen schon 51 Prozent. "Besondere Aufmerksamkeit brauchen Jugendliche, sie probieren aus, sind risikofreudig und mitten in der Entwicklung. Je früher Menschen anfangen Suchtmittel zu konsumieren, desto größer ist das Risiko eine Abhängigkeit zu entwickeln", sagt Sailer. Bundesweit konsumieren zirka neun Prozent der 15 bis 18-Jährigen regelmäßig Cannabis. Herunter gerechnet auf Karlsruhe wären dies zirka 900 Personen.
Hier müsse die Suchtprävention ansetzen und die Jugendlichen zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Suchtmitteln erziehen. "Sie müssen lernen, mit den Gefahren der Gesellschaft in diesem Leben umzugehen", so Sailer. Ein Verbot helfe ihrer Ansicht nach nicht weiter.
Im Jahr 2014 kamen 1.300 Menschen zur Drogenberatungsstelle der Stadt Karlsruhe. Dazu gehören nicht nur Jugendliche, sondern auch Angehörige und Freunde von Menschen, die Probleme mit Drogen haben. 280 von ihnen aufgrund von Cannabis-Konsum.
"Der größte Teil sind erstauffällige Konsumenten", so Sailer. Sie wurden von der Polizei, den Eltern oder in der Schule beim Konsum von Haschisch oder Marihuana aufgegriffen. In einem Gruppenprogramm über mehrere Abende versucht man, sie für die Risiken und Gefahren des Suchtmittels zu sensibilisieren. Nicht selten ist die Teilnahme an dem Kurs eine Auflage, um einer Anzeige zu entgehen.
Der andere Teil davon sind Menschen, die mit dem Cannabis nicht umgehen können, die eine Abhängigkeit entwickelt haben und von den Mitarbeitenden der Jugend- und Drogenberatung beraten und in therapeutische Maßnahmen vermittelt werden. Dieser Anteil hat laut Sailer zugenommen.
Besitz von Cannabis ist strafbar
Entgegen einem hartnäckigen Gerücht, ist bereits der Besitz einer geringen Menge Cannabis nach dem Betäbungsmittelgesetz strafbar. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch das Verfahren einstellen - Grundlage ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den 90er Jahren. "Wer als junger Mensch zum ersten Mal erwischt wird, niemanden gefährdet und nur eine geringe Menge Cannabis mit sich führt", so Kriminalkommissarin Rastätter, bei dem drücke man ein Auge zu.
Der Eintrag ins Führungszeugnis entfällt, einen Eintrag in die Polizeiakte gibt es jedoch. Und was vielen Jugendlichen nicht bewusst ist: Es ergeht immer eine Meldung an die Führerscheinstelle - das kann zur Verzögerung beim Erwerb oder zur Nachschulung führen.
"Don't smoke and drive"
"Kiffen und Autofahren geht gar nicht", so Polizeikommissar Jürgen Ell. Im Gegensatz zum Alkohol, gibt es keine Richtlinien oder Messverfahren, wie schnell sich der Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) im Körper abbaut. "Das kommt ganz auf das Konsumverhalten an", so Ell, "eine Beurteilung über die Fahrtauglichkeit bei Cannabis-Konsum ist aus meiner Sicht unmöglich."
Wie hoch die "geringe Menge" sein darf, das ist von Bundesland zu Bundesland unterscheidlich: Während in Baden-Württemberg unter fünf Gramm "toleriert" werden, sind es laut Rastätter in Hamburg bis zu 20 und in Rheinland-Pfalz bis zu zwölf Gramm. In Bayern ist man hingegen restriktiver - dort zieht man die Toleranzgrenze bereits bei drei Gramm.
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