Schulklingeln, große Pause. Grüppchen formieren sich und die Handys werden gezückt. Da wird auf dem Display mit demonstrativen Gesten herumgestrichen und ab und zu auch darauf geachtet, das Logo des jeweiligen Geräts ins Blickfeld zu drehen. Respektvolle Blicke von allen Seiten, wenn der "richtige" Schriftzug erscheint. "Statussymbole sind für viele der Weg zum Ziel", ist sich der Karlsruher Schüler, Jan Fischer (17), sicher. Das Ziel, so darf gemutmaßt werden, mithalten zu können, nicht als Außenseiter in der Klasse und im Freundeskreis zu gelten. Und so gegen das Alleinsein vorzugehen.
Aus der Reihe tanzen: Uncool ist cool
Die durch das neueste Smartphone erhoffte Aufmerksamkeit bleibt jedoch manchmal aus: Diejenigen, die wirklich aus der Masse herausstechen wollen, bräuchten etwas anderes, wobei es durchaus ein Mobiltelefon sein könne: "Es gibt Leute, die sich extra mit ihrem alten, uncoolen Handys brüsten und dafür sogar eine Menge Ansehen ernten." So zumindest sieht es Sarah Freiberger aus Karlsruhe. Die 17-Jährige sagt außerdem: "Heute 'cool zu sein', das bedeutet 'aus der Reihe zu tanzen' ". Es gehe nicht mehr so sehr um materielle Prestigeobjekte, als vielmehr darum, "dass man den Mut hat, manchmal gegen den Mainstream zu stehen". Mit konventionellen Statussymbolen könne die heutige Jugend sich die erhoffte Aufmerksamkeit gar nicht mehr sichern.
Doch der Wunsch nach dem "Ich-bin-wer-Gefühl" scheint unter den Jugendlichen teilweise schier greifbar. Dennoch: Es ist der Spagat zwischen dem Wunsch nach Abgrenzung, nach Individualität einerseits und andererseits der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, den jeder einzelne versucht zu leisten. Ebendieser Spagat spiegelt sich auch in der Thematik der Statussymbole wider: Auf der einen Seite stehen die "Trendsetter", die eine neue Richtung prägen und mit-vorgeben. Auf der anderen Seite die "Mitschwimmer", die mithalten wollen.
Der Kampf gegen das Alleinsein
Hansjörg Bär, der weit über 30 Jahre am Humboldt-Gymnasium Karlsruhe als Lehrer unterrichtete und vor einem Jahr in den Ruhestand ging, sagt, dass die ungemeine Popularität von Statussymbolen an sich nichts Neues sei: "Es war schon immer ein Bedürfnis da, sich von anderen Menschen abzugrenzen. Vielleicht ist der Gedanke hinter dem 'Dazuzugehören', der, die eigene Einsamkeit zu bekämpfen. Mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln."
Die Richtungen und Kategorien der Prestigeobjekte dabei sind ebenso mannigfaltig, wie die Menschen, die sie einsetzen und verwenden. Statussymbole werten Menschen scheinbar so auf, dass eine Gruppenzugehörigkeit herrscht, das Alleinsein bekämpft wird. So sieht das auch der Karlsruher Sozialpädagoge Harry Paschkowski und meint: "Je weniger die Menschen sich Statussymbole leisten können, desto mehr streben sie danach. Die globalisierten Luxusmarken vermitteln den Jugendlichen das Gefühl, über den anderen zu stehen." Vielleicht ist für viele genau deshalb das aktuellste Mobiltelefon das Mittel der Wahl.
Entscheidet das Smartphone über die soziale Anerkennung?
Einen Wandel in dieser Thematik erkennt Alicia Napoli. Die 18-jährige Karlsruher Schülerin meint: "Früher waren Schuhe wichtiger. Bestimmte Marken mussten einfach sein. Heute geht es mehr darum, das neuste Smartphone zu besitzen."
Das Smartphone als einziger Dreh- und Angelpunkt für soziale Anerkennung? Nein, sagt Philipp Guth. Der 20-Jährige Student am KIT widerspricht dieser These: "Markenklamotten sind immer in. Leute werden oft zuerst nach ihrem Äußeren beurteilt, so manches Statussymbol ist wegweisend für erste Kommunikationsansätze." Man höre manchmal Sätze, dass bestimmte Markennamen "gar nicht gehen". Statussymbol ist wohl immer das, was gerade als fortschrittlich und modern angesehen wird. Das Verfallsdatum scheint recht niedrig: Heute "in" - morgen "out", der Markt ändert sich schnell und die Werbung diktiert, so die Meinung vieler Jugendlicher, das Streben nach den Zeichen der Macht.
"Auch ohne den neusten Tablet-PC ist man eine einzigartige und wertvolle Person!"
Adrian Prath blickt kritisch auf diesen Prozess. Der 18-Jährige behauptet: "Die Masse der Jugendlichen braucht die Statussymbole. Das hat sich so durchgesetzt: Einer fängt mit einem bestimmten Statussymbol an - plötzlich wollen es alle haben. Mode- und Medieneinfluss unterstützen diese Entwicklung."
Julia Deisinger, die dieses Schuljahr ihr Abitur macht, fordert mehr eigenständiges Denken von den Menschen in ihrem Alter ein: "Ich denke, man sollte sich nicht von Statussymbolen beeinflussen lassen, immer das machen und kaufen, was man wirklich möchte und sich nicht nach anderen zu richten!" Jeder müsse seinen eigenen Weg finden, um zufrieden zu sein. Auch die 17-jährige Schülerin Annika Höll stellt sich die Frage nach dem Sinn der Prestigeobjekte: "Auch ohne den neusten Tablet-PC und ohne Markenklamotten ist man eine einzigartige und wertvolle Person!"
Die Schüler verdammen die Statussymbole - und dennoch machen Elektronik- und Kleidungshersteller horrende Gewinne. Aber dies zeigt, dass wohl doch so mancher der jungen Menschen hinter die Fassade blickt und für sich erkennt, dass diese Art, sich selbst und anderen etwas zu beweisen bestenfalls oberflächlich funktioniert. Bei allen Vorteilen und auch der vordergründigen Integration, die Statussymbole bieten mögen: Die eigene Einsamkeit kann auf diesem Weg augenscheinlich nur schwer bekämpft werden.