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Karlsruhe: Karlsruher Patientenberatung: Wenn Mund aufmachen teuer wird

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Karlsruher Patientenberatung: Wenn Mund aufmachen teuer wird

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    Mund aufmachen kann teuer werden.
    Mund aufmachen kann teuer werden. Foto: (Bild: dpa)

    Die Patientin staunte, als ihr der Zahnarzt eine kostenlose Zahnsteinentfernung verweigerte. Sie müsse 70 Euro für eine professionelle Zahnreinigung dazuzahlen, da die gesetzliche Krankenkasse die Kosten nicht übernehme, meinte der Arzt. Die Patientin lehnte ab und ließ sich von der Beratungsstelle der UPD in Karlsruhe über ihre Rechte aufklären.

    "IGel" bezahlt die Kasse nicht

    "Die Entfernung von Zahnstein ist grundsätzlich einmal pro Jahr durch die gesetzliche Krankenkasse gedeckt", erklärt Markus Lietz, Rechtsexperte bei der Patientenberatung in Karlsruhe. Zahnärzte müssten die Kassenleistung anbieten. Unabhängig davon, ob der Patient eine kostenpflichtige Zusatzleistung in Anspruch nehme oder nicht, so der Jurist. Zwar könne der Patient mit einer professionellen Zahnreinigung etwas für den Erhalt seiner Zähne tun, medizinisch notwendig sei diese Behandlung aber nicht. Die professionelle Zahnreinigung zählt damit zu den sogenannten "Individuellen Gesundheitsleitungen", kurz "IGel".

    Unter IGel wird im Prinzip alles verstanden, was der Patient selbst bezahlen muss, erklärt Heidrun Holstein, Ärztin bei der Patientenberatung. Das könnten einerseits Leistungen sein, die gesetzliche Kassen überhaupt nicht anböten. Dazu zählten Sportuntersuchungen oder Impfungen für Fernreisen. Auch gelte das für Leistungen, die nur unter bestimmten Bedingungen von der Kasse bezahlt werden. So das Messen des Augeninnendrucks zur frühzeitigen Erkennung der Augenkrankheit Grüner Star.

    Untersuchung wird Patient auf's Auge gedrückt

    "Häufig sind diese Leistungen jedoch überflüssig oder die Patienten werden nicht ausreichend über den Kosten und Nutzen der Untersuchung aufgeklärt", so Holstein. Dabei seien die gesetzlichen Regelungen eindeutig: Der Patient müsse die kostenpflichtige Behandlung ausdrücklich verlangen und dies dem Arzt schriftlich bestätigen. Vor der Untersuchung müsse demnach ein schriftlicher Vertrag zwischen Patient und Arzt abgeschlossen werde. Diese Aufklärung finde in der alltäglichen Praxis aber nur selten statt, bemängelt Holstein.

    Dass dem Patienten bereits an der Theke eine kostenpflichtige Untersuchung angeboten werde, bevor er mit dem Arzt gesprochen habe, hält die Verbrauchschützerin für ein Unding und Geschäftemacherei. Denn dabei werde häufig verschwiegen, dass die Untersuchung unter bestimmten Voraussetzungen von der gesetzlichen Kasse bezahlt würde und somit kostenfrei wäre. Denn wenn der begründete Verdacht auf eine Erkrankung und somit medizinische Notwendigkeit bestehe, zahle die Krankenkasse. "Die Krankenkasse ist grundsätzlich gesetzlich dazu verpflichtet, das zu bezahlen, was für die Krankheitsbehandlung medizinisch notwendig und ausreichend ist", betont die Ärztin.

    IGel im Wert von 1,5 Milliarden Euro

    Jurist Lietz weiß von zahlreichen Fällen, bei denen Ärzte ihren Patienten erzählten, dass die Krankenkasse bei einer späteren Erkrankung nicht zahle, wenn sie gewisse Vorsorgeuntersuchungen ablehnten. "Das stimmt nicht. Der Patient hat von der Krankenkasse keine negativen Auswirkungen zu befürchten", empört sich Lietz. Ärzte dürften keine Ängste schüren, um ihren Patienten irgendwelche unnötigen Vorsorgeuntersuchungen zu verkaufen, kritisiert er.

    "Der wirtschaftliche Druck auf die ein oder andere Arztpraxis ist höher geworden", ergänzt Lietz. Das dürfe aber nicht dazu führen, "dass es einigen Ärzten in erster Linie um den Verkauf von Zusatzleistungen geht und das Vertrauensverhältnis zum Patienten dabei ausgenutzt wird", so der Rechtsexperte.

    400 Anfragen pro Monat

    Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) schätzte den Wert der im Jahr 2010 vergebenen IGel-Leistungen in Deutschland auf 1,5 Milliarden Euro. Das sei seit 2005 ein Anstieg von rund 50 Prozent. Auch die Patientenberater haben immer mehr zu tun. "Der Beratungsbedarf hat über die Jahre stets zugenommen", sagt Lietz. Patienten sollten sich stets im Vorfeld informieren, einen schriftlichen Vertrag verlangen und sich nicht unter Druck setzen lassen, sondern in Ruhe über die Notwendigkeit der Leistung nachdenken.

    Seit 100 Tagen berät die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) in Karslruhe wieder in den Räumen der Verbraucherzentrale in der Kaiserstraße 167. Das Beratungsteam aus einer Ärztin, einer Psychologin und einem Juristen ist telefonisch, schriftlich und persönlich zu erreichen. Die Beratung ist kostenfrei. Seit der Wiedereröffnung im April bearbeiteten die Verbraucherschützer nach eigenen Angaben etwa 400 Anfragen monatlich. Der Träger der Beratungsstelle ist die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

    Die Patientenberatung ist am Montag und Donnerstag von 16 bis 18 Uhr sowie Dienstag und Mittwoch von 10 bis 14 Uhr telefonisch unter 0721/9845121 und per Mail unter karlsruhe@upd-online.de zu erreichen.

    Weitere Infos unter: www.upd-online.de

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