Von Bevor es um Inhalte geht, muss erst ein Vorurteil fallen: Das des verrenteten, spießigen Kleingärtners. Ein paar gibt es noch, keine Frage, aber es werden weniger. Der moderne Kleingärtner hingegen ist Anfang Vierzig, hat Kinder und einen Faible für Bio. Ute Gsöls-Puhl kennt viele von ihnen.
Gsöls-Puhl ist erste Vorsitzende des Kleingartenvereins Rennichwiesen in Durlach. Sie gehört zum modernen Kleingärtner-Schlag und bezeichnet sich als "Kleingärtnerin mit Gerechtigkeitssinn und Menschenliebe". Sie verteilt die Kleingärten an Interessenten. Familien mag sie besonders. "Viele von ihnen wohnen in der beengten Stadt, haben keinen Balkon und suchen nach einem Flecken Grün", sagt sie. "Nachfrage besteht."
1.000 Menschen auf Warteliste
Die Karlsruher haben den Kleingarten wieder entdeckt. Laut dem Bezirksverband gibt es in der Fächerstadt 81 Vereine mit rund 7.500 Parzellen. Etwa 1.000 Menschen stehen auf einer Warteliste. Tendenz steigend. "Der Kleingarten hat seine Spießigkeit verloren", sagt Alfred Lüthin, Vorsitzender des Bezirksverbandes der Gartenfreunde Karlsruhe.
Lüthin hat wie seine Kollegen beobachtet, dass sich vor allem Familien nach einem Garten sehnen. Aus zwei Gründen, wie er in Gesprächen immer wieder heraushört. Zum einen wollen junge Eltern wissen, woher Äpfel und Gurken kommen, mit denen sie ihren Nachwuchs füttern. Zum anderen fehlt vielen Familien das Geld, um in den Urlaub zu fahren. Ergo verbringen sie ein paar Tage im Garten. Weil mittlerweile Planschbecken erlaubt sind, kommen auch die Kinder auf ihre Kosten.
Meterhohes Unkraut: "Die sind nicht mehr so arbeitswütig"
Ohnehin hat sich die Kleingartengemeinde von den einst strengen Vorschriften verabschiedet. Die Jungen wollen nicht nur gärtnern, sondern auch im Garten entspannen. In den vergangenen Jahren haben die Stadt und der Bezirksverband die Satzung angepasst. Der Gärtner darf an sein Häuschen eine Pergola anbringen und muss nur noch auf einem Drittel der Fläche Obst und Gemüse anbauen. "Trend erkennen und umsetzen", nennt das Lüthin und stuft die Karlsruher Kleingartenszene als eine fortschrittliche ein. Er führt das auch auf die gute Zusammenarbeit mit der Stadt zurück, die für Veränderungen offen sei.
Doch es ist ein Fortschritt, der nicht jedem passt. Dieter Weiß ist einer von ihnen. Er ist Vorsitzender der Kleingartenanlage am Hirtenweg. Ihm stößt auf, dass viele jungen Pächter es nicht hinbekommen würden, das vorgeschriebene Drittel zu bepflanzen. "Die sind nicht mehr so arbeitswütig", moniert er, "da steht das Unkraut meterhoch im Garten." Viele Kleingärtner würden auf seine Hinweise nicht reagieren, klagt er. "Heute hat man es mit absoluten Egoisten zu tun." Die vielbeschworene Gemeinschaft im Garten gebe es heute kaum noch. Weiß betont, er sei nicht der einzige, der so denke. "Viele Vorsitzende anderer Vereine, mit denen ich rede, sehen das ähnlich." Nur offen sagen wolle es niemand, "auch nicht der Bezirksverband."
Weitere Infos unter:
www.kleingarten-karlsruhe.de
Hobbygärtner aufgepasst: Ab dem bevorstehenden Sommer können Familien, Naturbegeisterte und Städter aus Karlsruhe und Umgebung ihr Gemüse selbst anbauen. Gemeinsam mit dem Hofgut Maxau bietet "meine ernte" zirka 40 Bio-Gemüsegärten in Karlsruhe zum Mieten für Hobbygärtner an.