Es ist zwölf Uhr, das Thermometer zeigt 3 Grad. "Perfekte Temperatur für eine Tasse Glühwein", sagt Bruno E. Craveiro zu Beginn unseres Rundganges. Denn Glühwein hat den Zweck, von Innen zu wärmen und so sind drei Glühweinstände auf dem Christkindlesmarkt an diesem Nachmittag unser Ziel.
Glühwein auf genau die richtige Temperatur zu bringen, ist nicht leicht: Die Temperierung des Weins sollte stets mit der Temperatur des Wetters harmonieren - ohne, dass das Getränk zu heiß wird. Ein kniffliges Wechselspiel. "Bei der Weintemperatur scheiden sich die Geister", weiß auch der Weinexperte des Restaurantes Ettlinger Erbprinz. "Wichtig ist, dass der Wein nicht kocht - denn ab 78 Grad verdampft der Alkohol und das Fruchtaroma geht verloren"

Bevor wir uns dem ersten Stand nähern, die Frage: Wie würde der Sommelier selbst Glühwein zubereiten? "Wir in Ettlingen nehmen gern südfranzösische Rotweine wie den Côte du Rhône. Für einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt wäre das hochgerechnet natürlich viel zu teuer", so Craveiro. Denn Weihnachtsmarktstände müssen massenweise Glühwein zur Verfügung stellen, der dem Durchschnittsbürger munden soll. Ein "Multiwein" sozusagen.
Glühwein 1: Seyfert - Familienbetrieb seit Generationen
Unseren ersten von drei Stopps legen wir beim Stand "Schwibbogen Seyfert" ein. Der Grund: Vom Europaplatz kommend, strömen hier gefühlt die meisten Besucher hin, die es nach einem Schluck des warmen Kultgetränks dürstet. Nach Angaben der Standbetreiber wird der Wein direkt von einem württembergischen Winzer bezogen und während der Verkaufszeit automatisch temperiert.

Das Fazit des Experten: "Die Orange ist im Geschmack dominierend", stellt Craveiro fest. "Riecht nicht nach Alkohol. Das spricht für eine anständige Qualität. Der Zimtgeruch ist angenehm". Auch mir gefällt der volle Geschmack. Die Orangen schmecke ich ebenfalls raus, allerdings empfinde ich den Wein als etwas zu heiß, den Zimt rieche ich leider auch nicht.

Glühwein 2: Die Glühweinpyramide
Als zweites Testobjekt haben wir uns ein wahres Urgestein des Weihnachtsmarktes ausgesucht: Die Glühweinpyramide. Das auffällige Häuschen mit dem hohen Turm lockt zur Hochzeit so viele Besucher an, dass die Kassen sogar außerhalb aufgestellt werden. Hier muss der Wein doch gut sein, oder?

"Es fehlt mir die Dichte", sagt Craveiro nach dem ersten Schluck. "Es gibt drei wesentliche Kriterien bei Glühwein: Alkohol, Säure und Zucker - ist eines davon dominierend wird es unausgewogen. Und hier dominiert eindeutig der Zucker", erklärt der Fachmann. Das Fazit von mir fällt ähnlich aus: Mir persönlich ist der Glühwein ein wenig zu süß, sowohl geschmacklich, als auch im Geruchstest.

Glühwein 3: Weinlade Müller - ist Bio gleich besser?
Last but not least, der Stand von Weinlade Müller. Zwar liegt der Glühweinstand nicht auf direkt auf der Pyramidenstraße, fiel uns aber mit seiner Bewerbung von "Bio-Glühwein" direkt ins Auge. Wir sind skeptisch und neugierig zugleich. "Ich bezweifle, dass man Bio wirklich rausschmecken kann", so Craveiro. "Das hier Bio Wein steht, liegt vermutlich an den aktuellen Trends, die sich inzwischen auch beim Wein abzeichnen." Neben dem Bio-Wein gibt es mittlerweile auch veganen Wein.

Und wie schmeckt jetzt der Biowein? "Der Beste den ich heute getrunken habe", stellt Craveiro fest. "Ein vollmundiger Dornfelder. Mit deutlich mehr Gewürzen als in den Anderen. Der Sternanis kommt hier gut raus". Ich bin ebenfalls positiv überrascht, obwohl mir Sternanis normalerweise nicht schmeckt.
Ganz anders als alles, was ich bisher an Glühwein getrunken habe. Nicht zu süß, nicht zu herb. Ob das nun auf die Bio Herstellung zurückgeführt werden kann, sei mal dahingestellt.

Fazit unseres Tests: Vom Tetrapack weit entfernt
So vielfältig die Weine, so verschieden die Geschmäcker. Die Glühweinstände vom Karlsruher Weihnachtsmarkt bieten den Besuchern ein breites Angebot. Von süßen Fruchtnoten bis hin zum Biowein - der ein oder andere überzeugt sogar einen ausgebildeten Weinkenner. Zwar konnte ich mit dem geschulten Gaumen des Sommeliers nicht mithalten, stimmte mit ihm aber im Endergebnis überein: Der Dornfelder Glühwein vom Weinlade Müller schneidet für uns am besten ab.

Nichtdestotrotz ist jede Beurteilung auf unsere subjektive Meinung zurückzuführen und soll anderen Besuchern lediglich als Anregung dienen. Wer sich selbst Durchprobieren möchte, kann das bis Montag, 23. Dezember. Dann schließt der Karlsruher Christkindlesmarkt seine Tore für dieses Jahr.
Bereits in der Antike war das aromatische Aufrüsten des Weins Gang und Gebe. Verfeinert wurde das "Getränk der Götter" mit Honig, Zimt, Pfeffer oder Früchten. Das klassische Glühweinrezept, wie wir es heute kennen, reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und setzt sich aus einer Konstellation verschiedener Gewürze zusammen.
Darunter Kardamom, Nelken, Zimt, Früchte und Sternanis – je nach Vorliebe, Betrieb und Region mit klassischen Weinen wie Dornfelder oder Spätburgunder aufgesetzt und anschließend gesüßt. Dabei wird zwischen Industriewein und Handwerkwein unterschieden. Die Einen, die fertigen Wein kaufen und mit Aromen "Schönen" und die Anderen, welche den Wein aus eigener Produktion nutzen.
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