Vergessen Sie alles, was Sie über Buchstaben und Schriftzeichen zu wissen glauben. Hören Sie diesem Menschen ein paar Augenblicke zu und versuchen Sie dann, sich nicht von seiner Begeisterung und seiner Liebe zur Schrift verzaubern zu lassen. Es wird Ihnen nicht gelingen. Nach einem seiner Wochenend-Seminare, die er Interessierten in regelmäßigen Abständen anbietet, werden Sie keinen Buchstaben mehr vergessen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Dieser Mann schafft es tatsächlich, eine Beziehung zu etwas aufzubauen, was uns lange Zeit als pures Hilfsmittel zur Kommunikation diente. Aus einzelnen Worten oder Sätzen wird Kunst, aus Geschichten werden Bilder. Wie er zu neuen Ideen kommt? Er träumt sie. Wacht auf, greift nach einer - durchaus auch mal aus garteneigenem Schilfrohr oder anderen Materialien selbstgefertigten - Feder und beginnt sein Werk.
Da Plagiate die größte Sünde sind, die es in Karl-Wilhelm Meyers Leben gibt, ist es kein Wunder, dass sein Archiv aus allen Nähten platzt und er seine Schriftbilder schon lange nicht mehr zählen kann. Größte Kritikerin ist übrigens seine Frau Margarete, die ihn liebevoll "KW" nennt und sich daran gewöhnt hat, dass ihr Leben von Schrift bestimmt wird. Und auch der Postbote, auf dessen Route das Heim von Margarete und Karl-Wilhelm liegt, wundert sich längst nicht mehr, wenn wieder einmal ein kunstvoll gestalteter und alles andere als herkömmlicher Briefumschlag bei Familie Meyer ankommt. Denn die "Jünger" des Schriftkünstlers haben sich anstecken lassen - "normale" Post bekommen die beiden schon lange nicht mehr.
Beschreiben Sie sich mit drei Worten:
Spontan, sensibel, zuverlässig.
Was ist Ihre größte Stärke?
Innerhalb meines Fachgebietes die Bandbreite meiner Arbeiten und Phantasie, darüber hinaus Respekt gegenüber jeden Lebens.
Was ist Ihre größte Schwäche?
Sich nicht trennen können.
Was war als Kind oder Jugendlicher Ihr Traumberuf? Haben Sie damals jemals daran gedacht, das zu werden, was Sie heute sind?
Als Kind lebte ich in vielen differenzierten Träumen und Phantasien. Als Jugendlicher beschäftigten mich intensiv Buchstaben, Schriftschreiben und Schriftzeichnen, wenngleich ich noch nicht an einen Beruf dachte. Ich habe immer intensiv und voller Freude gelernt und mich auf das Studium "Buchgrafik und Typografie" an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart bei dem international bekannten Professor Walter Brudi konzentriert. Daraus wurde, ohne zu wissen, eine "echte Berufung".
Was würden Sie im Leben gerne noch erreichen?
Ich möchte noch aus dem gesammelten Arbeitsmaterial meines bisherigen Lebens ein Buch über die Kultur und große Medizin von Buchstaben, Schriftschreiben und Schriftzeichnen machen. Meine kenntnisreichen Freunde ermuntern mich mit den Worten: "Ich würde dort anfangen, wo andere aufhören."
Was nervt Ihre/n Partner/in am meisten an Ihnen?
Dass ich so viel arbeite.
Auf welchen Gegenstand möchten Sie im Leben nicht verzichten?
Auf ein Schreibwerkzeug, weil ich damit Gedanken und Phantasien festhalten und lautlos etwas sagen kann. "Buchstaben sind Diener des Geistes."
Wen würden Sie gerne auf den Mond schießen?
Niemand. Ich habe keine Veranlassung das zu tun. Wenn es aber sein muss, dann den, der nicht begreifen will.
Welcher Mensch beeindruckt Sie?
Der Mensch, ob jung oder alt, mit Charisma beeindruckt mich.
Welche Musik (Interpret und Titel) und welcher Film haben Sie am meisten beeindruckt?
Musik: Die Welt ist voll harmonischer Klänge und deren Meister viele. Aber das Cello und Pablo Casals sind eine Klangwelt, in die ich durch Hauskonzerte meines Vaters, er war Cellist, hingeführt wurde. Im Genre Film hat mich "Die Reise zum Mond" besonders beeindruckt.
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen?
"Codices illustres" - Die schönsten illuminierten Handschriften der Welt.
Sie werden als Tier geboren. Als welches?
Als Löwe, den König der Tiere.
Sie tauschen einen Tag mit einer Person des anderen Geschlechts - wer wäre das?
Ich tausche einen Tag sofort und gern mit meiner Frau, denn sie ist wie ich.
Was finden Sie an Karlsruhe reizvoll?
Ich finde die Lage der Stadt, durch die Achsen mit all ihren kurzen Wegen in kulturelle, geistige und lukullische Regionen und Zentren in der die Seele aufgetankt werden kann, schön und reizvoll.
Was würden Sie an Karlsruhe ändern, wenn Sie Oberbürgermeister/in wären?
Ich würde Karlsruhe sauberer machen und den Besuchern die interessanten Institutionen bewusster darstellen und dabei die Schriftkultur mit einbeziehen. Weil sie, wenn es um das Weltkulturerbe geht, einfach dazu gehört. Als kleinen Beitrag habe ich 1985 den "KWM-Studienkreis zur Pflege des Kulturgutes Schrift" als "Freie Vereinigung" gegründet. In Seminaren, Ausstellungen, Vorträgen, Exkursionen im In- und Ausland bringe ich interessierten Menschen das Thema "Schrift" näher.
Welches sind die markantesten Karlsruher / deutschen Köpfe?
Die markantesten Köpfe sind die, in denen der Mensch zu erkennen ist.
Sie leben in einem anderen Land. Welcher Grund könnte Sie dazu bewegen beziehungsweise davon abhalten, nach Deutschland einzuwandern?
Für eine Einwanderung stehen Freunde, Klima, Kultur und Landschaft. Dagegen, der uns allen bekannte Alltag.
Es geht um das Glück der Republik. Welche Person, Gruppierung oder Idee sollte mehr Einfluss gewinnen?
Der Jugend sollten Perspektiven geschaffen und Freude an allen Aufgaben des Lebens geweckt, vermittelt und ermöglicht werden.
Wie und wo möchten Sie sterben?
Sterben möchte ich wie ich arbeite, leise, in liebevoller Umgebung und phantasievollem Traum.
Kommen Sie in den Himmel oder in die Hölle?
Die Entscheidung über Himmel oder Hölle wird mir abgenommen.