Der OB solle der Konzernleitung den Aufbau einer Vertretung in Berlin vorschlagen. Dafür solle die Deutschland-Zentrale in Karlsruhe verbleiben. Dies fordert die SPD-Gemeinderatsfraktion und unterstützt damit eine gleichlautende Idee von Wirtschaftbürgermeisterin Margret Mergen (CDU). Die von Pfizer vorgetragene Begründung, der Umzug erfolge im Interesse einer stärkeren Interaktion und eines intensiven Dialogs mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen, erfordert nach Überzeugung der SPD geradezu den Aufbau einer Lobby-Vertretung in Berlin. Die Begründung trage jedoch nicht für eine komplette Verlagerung des Unternehmens von Karlsruhe nach Berlin.
Warum nicht gleich nach Brüssel?
Würde Pfizers Begründung Schule machen, müssten unabhängig von der jeweiligen Branche alle großen Unternehmen ihren Hauptsitz nach Berlin oder gar nach Brüssel zur Europäischen Union verlegen, kritisiert die SPD-Fraktionsvorsitzende Doris Baitinger. Beides aber sei nicht der Fall. "Vielmehr bauen die Unternehmen in den europäischen Hauptstädten und in Brüssel Vertretungen mit einem repräsentativen Büro auf, um gezielt Lobbyarbeit bei den politischen Entscheidungsträgern vor Ort zu betreiben. So unterhalten beispielsweise 250 europäische Unternehmen eine Repräsentanz bei der Europäischen Union in Brüssel", argumentiert Baitinger.
Der Standort Karlsruhe habe Pfizer in der Vergangenheit viel Erfolg gebracht. Im langfristigen Interesse des Unternehmens und vor allem im Interesse der Mitarbeiter in Karlsruhe sollte die Hauptzentrale daher in Karlsruhe bleiben. "Beim Aufbau einer Repräsentanz in Berlin wird die Stadt Karlsruhe und das Land Baden-Württemberg Pfizer sicherlich behilflich sein", so Baitinger abschließend.
Fachkräftemangel in Berlin?
Auch der Karlsruher SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Jung hat sich in den vergangenen Tagen mehrfach für den Erhalt des Karlsruher Pfizer-Standorts eingesetzt. Nach Gesprächen mit der Geschäftsleitung und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie mit Berliner Bundestagskollegen über die Lage in Berlin, nahm er am vergangenen Mittwoch an einer Betriebsversammlung bei Pfizer in Hagsfeld teil. Als nach eigenen Angaben einziger Vertreter der Karlsruher Politik überbrachte er den Beschäftigten drei Kernbotschaften. Er wies darauf hin, dass das Arbeitsrecht Seiten der Pfizer-Mitarbeiter sei, sie zudem mit ihrer Qualifikation in Berlin "konkurrenzlos und nicht ersetzbar" seien: "Pfizer ist auf Sie angewiesen." Weiterhin betonte er: "Nicht nur Pfizer, auch unsere Region braucht Sie."
Die Unternehmensführung von Pfizer Deutschland glaube offenbar, Karlsruhe könne mit Berlin deshalb nicht konkurrieren, weil das gesamte Umfeld für Medizinforschung und Medizintechnik dort besser sei, so Jung. "Aber selbst wenn dies zuträfe: In Berlin würden auf lange Zeit die qualifizierten Fachkräfte fehlen." Diese könne Berlin definitiv nicht bieten, da sie schon längst zu sehr guten Konditionen bei der Berliner Traditionsfirma Schering, bei Berlin-Chemie, bei Sanofi-Aventis oder im Charité-Verbund arbeiteten. Deshalb müsse sich Pfizer "extrem aufwändig" um jeden einzelnen Mitarbeiter in Karlsruhe bemühen. Die Stimmung bei den Beschäftigten sei zwar geprägt von Bitternis, aber auch von Pragmatismus, um sich mit dieser Situation nicht abzufinden.
Pfizer geht - und 30 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen gehen mit
Absolut unzutreffend sei die in der Karlsruher Politik aktuell "weit verbreitete" Auffassung, Pfizer wolle und müsse nur mehr Nähe zur Politik suchen und hierzu die schon bestehende Berliner Konzernrepräsentanz personell ausbauen. Jung: "Dies ist eine bequeme und geradezu einfältige These, denn es geht um viel mehr. Die Unternehmensleitung glaubt, dass in Berlin die Bedingungen für Medizinforschung und Pharmazie generell besser sind als in der Region Karlsruhe. Das muss den Strategen der Technologieregion Karlsruhe zu denken geben. Die Wahrheit ist: Unsere Region ist in fast allen Sparten von Wirtschaft und Wissenschaft exzellent, nur nicht im gemeinsamen schlagkräftigen Auftreten von Politik und Verwaltung und in der Verständigung auf eine Zukunftsstrategie."
Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um den drohenden Wegzug nach Berlin "möglichst klein" zu halten. "Alle Details müssen über das Arbeitsrecht auf den Prüfstand. Unsere Region braucht dieses Unternehmen und diese Branche", so Jung abschließend. Wie sehr, zeigt ein Blick auf die Gewerbesteuereinnahmen, die der Stadt Karlsruhe durch den Umzug entgingen: Nach ka-news-Informationen belaufen sich die Steuereinnahmen auf rund 30 Millionen Euro.