Tee gibt es in Julia von Hillers Büro nicht aus dem "Henkelpott". "Das finde ich furchtbar", sagt sie und nimmt genüsslich einen Schluck aus einer feinen Tasse, die an die Biedermeier-Zeit erinnert. "Am liebsten hätte ich Biedermeier-Möbel in meinem Büro", sagt sie. Doch außer dem Tee-Service entstammt dort wenig aus dieser Epoche. Modern schlicht ist die Einrichtung. Doch auch das steht der Bibliotheksdirektorin gut.
"Ich brauche die Aura des Historischen"
Julia von Hiller scheint in allen Epochen zu Hause zu sein. Das gilt nicht nur für die frühen Zeiten des Buchdrucks, sondern auch für jene moderne Zeit, in denen Bücher zunehmend in elektronischer Form existieren. "Ich brauche die Aura des Historischen", gibt sie ohne Umschweife zu. So hat sie tatsächlich die gesamte Bandbreite der Medien - vom mittelalterlichen Codex bis zum Buch in digitaler Form - um sich. "Wenn ich das nicht hätte, würde mir die Arbeit keinen Spaß machen."
Dass Julia Freifrau Hiller von Gaertringen, wie sie mit vollem Namen heißt, in der Bibliothek arbeiten will, wusste sie bereits in jungen Jahren. In Braunschweig aufgewachsen, studierte sie Germanistik in Göttingen, obwohl ihr ein Professor schon am ersten Tag wegen der schlechten Berufsaussichten davon abgeraten hatte. "Ich kann das, ich will das und ich mach das", sagte sie sich damals und schloss das Studium ein paar Jahre später mit einem Doktortitel ab.
Allrounderin und Pippi-Langstrumpf-Liebhaberin
Schon während ihres Studiums arbeitete sie in der Forschungsbibliothek Wolfenbüttel. Nach der Promotion ging sie nach Düsseldorf, wo sie sich zur Wissenschaftlichen Bibliothekarin ausbilden ließ. Anschließend führte sie ihr Weg nach Detmold an die Lippische Landesbibliothek. Dort war sie 14 Jahre, unter anderem als Stellvertretende Direktorin, tätig. "Ich war dort die ganze Zeit über glücklich und zufrieden", erzählt sie. Dann ergab sich aber vor drei Jahren die Möglichkeit, die Leitung der BLB zu übernehmen. "Das ist eine ganz tolle Bibliothek", sagt sie, "mit gleichem Profil, aber fünfmal größer und sehr anspruchsvoll. Sie zu leiten ist eine ganz besonders schöne Aufgabe."
Trotz ihrer beruflichen Erfahrung war es für Julia von Hiller nicht selbstverständlich, dass man ihr die Leitung der BLB übertragen hat. "Wahrscheinlich lag es an meinem persönlichen Profil als Allrounderin und an den Ideen, die ich für die Badische Landesbibliothek hatte." Mittlerweile sitzt die Pippi-Langstrumpf-Liebhaberin fest in ihrem Sessel, aber zum Bücherlesen kommt sie dort nicht. "Ich bin ja nicht zum Lesen hier", sagt sie. Eine Bibliothek mit mehr als 150 Mitarbeitern managt man eben nicht so nebenbei.
"Ich bin ja nicht zum Lesen hier"
Nach wie vor liebt sie ihre Arbeit und freut sich besonders über das große Wohlwollen, das der Bibliothek von Seiten des Landes entgegenkommt. "Ich habe in den zweieinhalb Jahren noch keinen Rückschlag erlebt." Alle Pläne, die sie zum Dienstbeginn 2009 für die BLB hatte, hat sie bereits in die Tat umsetzen können. Vieles ist angefangen, und manches ist schon sehr weit gediehen. Sehr stolz ist sie beispielsweise auf die Digitalisierungswerkstatt der BLB, die innerhalb kürzester Zeit aufgebaut werden konnte, und auf die Schulungsarbeit in der Teaching Library, mit der junge Leute fit gemacht werden in der Informationsrecherche. Es scheint jedenfalls nichts dagegen zu sprechen, dass Julia von Hiller auch in Karlsruhe weiterhin "glücklich und zufrieden" ist.
Beschreiben Sie sich mit drei Worten.
groß, lebhaft, direkt
Was ist Ihre größte Stärke, was Ihre größte Schwäche?
Schokolade
Lerche oder Eule? Sind Sie Frühaufsteher oder Nachtmensch?
Eule mit morgendlicher Hyposomnie
Was war als Kind oder Jugendlicher Ihr Traumberuf? Haben Sie jemals daran gedacht, das zu werden, was Sie heute sind?
Oh ja, auf die Bibliothek als mein Berufsziel habe ich zielstrebig hingearbeitet. Bibliotheken sind das Gedächtnis der Menschheit und die Grundlage ihres geistigen Fortschritts. Es gibt keinen interessanteren Arbeitsort als diesen. Schon meine Studienschwerpunkte lagen alle im medienkundlichen Bereich: Ich habe mich im Studium vorzugsweise mit Handschriften, Frühdrucken, Flugblättern, alten Reisebeschreibungen und anderen Quellen befasst, die in Bibliotheken überliefert sind. Und erstaunlicherweise verlief mein beruflicher Weg sehr geradlinig.
Wenn Sie in Ihrem Leben etwas noch einmal machen könnten, was wäre das?
Mit siebzehn "Ölberge, Weinberge" von Erhart Kästner lesen und darauf eine intellektuelle Entwicklung und ein Berufsleben gründen.
Sie schlagen morgens die Zeitung auf. Welche Schlagzeile würden Sie gerne über sich lesen?
Über mich keine, aber jede über die Badische Landesbibliothek.
Auf welchen Gegenstand möchten Sie im Leben nicht verzichten?
Auf meine Brille (weil ich sonst nichts sehe).
Wen würden Sie gerne auf den Mond schießen?
Einige, aber das nützt ja nichts! Bisher sind alle zurückgekommen.
Wenn Sie Ihr eigener Mitarbeiter wären, was würde Ihnen besonders an sich auffallen?
Mein fester Schritt: man hört mich immer kommen. Wenn’s um die Arbeit geht, gelte ich als fleißig, zielstrebig, rastlos, beharrlich und ziemlich anspruchsvoll.
Sie tauschen einen Tag mit einer Person des anderen Geschlechts – wer wäre das?
Nee, ich tausche nicht.
Was würden Sie ändern, wenn Sie König von Deutschland wären?
Gott sei Dank, die Monarchie ist abgeschafft. Denn was ich ändern wollte, das würde sehr vielen nicht passen.
Sie werden als Tier geboren. Als welches?
Als eierlegende Wollmilchsau (vellus lactes porca). Lieber aber wäre ich eine Steinlaus (petrophaga lorioti). Am liebsten aber: Herr Nilsson.
Was finden Sie an Karlsruhe reizvoll?
Die gute Zusammenarbeit der Karlsruhe Kulturinstitute, die Antikensammlung im Landesmuseum, meinen Platz im Staatstheater und das von allen vermaledeite Klima
Deutschland gilt auch als das Land der Nörgler und Perfektionisten – Warum würden Sie dennoch einwandern?
Weil es das Land mit der größten Vielfalt an Bibliotheken, Museen und Theatern ist. Im übrigen passe ich aber auch ganz gut dahin.
Sekt oder Selters – welches Getränk geht bei Ihnen nie aus?
Tee, aber immer aus einer schönen Tasse
Was bewegt Sie dazu, vom Sofa aufzustehen?
Da das Sofa einer der bevorzugten heimischen Arbeitsplätze ist: eigentlich nichts.
Meer oder Berge – Action oder Entspannung im Urlaub?
Möglichst beides. Aber obendrüber ein blauer Himmel und Ströme von Licht.
Welche Sprache würden Sie gerne noch lernen?
Am liebsten noch mal all die, die ich schon mal gelernt habe und die mangels Gebrauch im Berufsleben verschüttet sind.
Kommen Sie in den Himmel oder in die Hölle?
Das entscheide nicht ich. Aber egal wohin – ich werde auch dann mein Motto beherzigen: „Nie ohne was gehn!“