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Karlsruhe: Jüdische NS-Opfer in Karlsruhe: "Gedenken mitten in die Stadt bringen"

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Jüdische NS-Opfer in Karlsruhe: "Gedenken mitten in die Stadt bringen"

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    Autoren legen neue Biographien in das Karslruher Gedenkbuch ein.
    Autoren legen neue Biographien in das Karslruher Gedenkbuch ein. Foto: Wiesendanger

    Die Bände des Karlsruher Gedenkbuchs werden dicker. Aktuell wurde das Werk um 13 Einzel- und Familiengeschichten von 26 ermordeten Karlsruhern jüdischen Glaubens erweitert. Betreut vom Stadtarchiv erarbeiteten im vergangenen Jahr 11 interessierte Bürger und Schüler der Stadt die Lebensläufe der Opfer.

    Lebensgeschichten rücken in den Mittelpunkt

    Es gebe zwar ein Denkmal auf dem jüdischen Friedhof, aber mit dem Projekt wolle man das Gedenken bewusst mitten in die Stadt holen, so Jürgen Schuhladen-Krämer, Betreuer der Autoren. 2002 wurden zum ersten Mal Biographien in das Buch eingelegt. Heute zählt das Werk immerhin 196 Lebens- und Familiengeschichten von 491 Opfern. Verglichen mit der ganzen Anzahl Karlsruher Opfer, die mittlerweile auf 1052 beziffert würden, seien das noch wenig, so Kulturamtsleiterin Susanne Asche. "Ziel des Gedenkbuchs ist es, eine Form des Erinnerns zu pflegen, die abstrakten Zahlen individuelle Geschichten entgegensetzt", so Asche. Hinter jeder der Taten stehe ein gelebtes Schicksal. "Die Opfer waren Teil unserer Stadt", versuchte Asche zu verdeutlichen. Die Tatsache, dass es heute nationalsozialistische Mörder in Deutschland gebe, zeige dass es wichtig sei, sich zur Demokratie zu bekennen.

    Immer weniger Zeitzeugen für Recherche

    Das besondere am Karlsruher Gedenkbuch ist, dass Bürger jeden Alters die Biographien von jüdischen Opfern recherchieren. "Hier wird Gedenkkultur in der Breite verstanden", so Schuhladen-Krämer. Mittlerweile haben bereits 400 Karlsruher an dem Projekt teilgenommen. Dass die Recherche aufgrund schlechter Quellenlage und nur noch weniger Überlebender des Holocausts teilweise schwierig ist, vermittelten die Autoren bei der Vorstellung ihrer Arbeit. Wolfgang Strauß weiß wovon er spricht, er ist seit Beginn der Initiative als Autor tätig und hat mittlerweile 29 Biographien verfasst. 2011 schrieb er über das Leben von Bertha und Hedwig Marx. "Es war das erste Mal, dass ich über die Opfer gar nichts gefunden habe. Ich habe mich aber entschlossen diese Arbeit zu machen und habe dann das familiäre Umfeld punktuell mit eingebunden", erklärte Strauß. Durch einen Glücksfall sei er an ein Interview mit einem der Opfer gekommen. "Ich habe rund um den Erdball telefoniert", so Strauß über seine Recherche.

    Autor Christoph Kalisch stieß bei seiner Spurensuche zu vier Einzel- und Familienschicksalen auf großes Interesse bei den Nachfahren und knüpfte im Zuge dessen neue freundschaftliche Kontakte nach England. Dorothea von Schilling hatte bei ihrer Arbeit zur Lebensgeschichte von Sofie Baumann nicht nur mit einer schwierigen Quellenlage zu kämpfen, sondern in Beschäftigung mit diesem belastenden Thema auch ein wenig mit sich selbst.

    Gedenkbuch ist ein Mehrgenerationenprojekt

    "Ich bin froh, dass sich jedes Jahr auch Schüler engagieren", so der Betreuer Schuhladen-Krämer. Die Oberstufenschüler Ruth Krämer, Semirem Yüceli, Carolin Beer, Patricia Magyar, Jacqueline Nees und Sigmar Walter erarbeiteten die Geschichte von zwölf Opfern. Auch wenn dem ein oder anderen von ihnen die langwierige Suche schwer fiel, betonten die anwesenden Schüler jedoch, dass sie durch die Arbeit eine wertvolle Erfahrung gemacht hätten. "Es ist ein Projekt, dass noch viele Jahre laufen kann - ein Mehrgenerationenprojekt", so Kulturamtsleiterin Asche zum Abschluss. Heute stehen noch insgesamt 600 Biographien von Opfern aus, für die das Stadtarchiv dringend engagierte Autoren sucht.

    Wer sich für das Projekt interessiert, kann sich per E-Mail an: projekt-gedenkbuch@kultur.karlsruhe.de melden. Das Gedenkbuch selbst ist im Internet einsehbar: http://my.informedia.de/gedenkbuch

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