Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: Integration durch Literatur?

Karlsruhe

Integration durch Literatur?

    • |
    • |

    Gefördert wird das Projekt von der Stadtbibliothek Karlsruhe und dem Europäischen Sozialfonds. Teilgenommen haben zwölf Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, die alle das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) besuchen und in diesem oder dem nächsten Jahr ihren Hauptschulabschluss machen. Die Schülerinnen stammen aus Ländern wie Bulgarien, Russland und Kasachstan.

    Wahrnehmung für berufliche Veränderungen schärfen

    Barbara vor den zu Papier gebrachten Ergebnissen der Märchenstunde (Foto: ka-news)

    Ziel des Projektes ist es, den Jugendlichen Zugang zu literarischen Welten zu ermöglichen, während des Leseprozesses auftretende Empfindungen erfahr- und erlebbar zu machen. Dabei meint das Motto "change it" Veränderung im Sinne von persönlichem Wandel, speziell bezogen auf die Ausbildungsphase, in der sich die Jugendlichen befinden. Durch das Erfahren und Erleben von Literatur sollten die Mädchen sowohl ihre Wahrnehmung schärfen als auch eigene Kreativität entwickeln. Damit wurde nicht zuletzt das Ziel verfolgt, sich in Eigeninitiative um die berufliche Zukunft zu kümmern.

    Durch die kreative Beschäftigung mit Texten sollten Schwellenängste auch vor der fremden Sprache abgebaut werden, welche oft entstehen, wenn die Mädchen Text nur als eine Aneinanderreihung von Buchstaben mit für sie problematischer Grammatik erleben."Es war echt toll, Lesen auf diese Weise zu erfahren. Wir haben echt viel gemacht. Ein Märchenbuch gelesen, dann Figuren dazu entworfen und Dialoge geschrieben. Und mit meinem Deutsch klappt es jetzt auch besser", so die 16-jährige Barbara aus Bulgarien. Sie lebt seit zwei Jahren in Deutschland und will nächstes Jahr ihren Hauptschulabschluss machen.

    Veränderung aus der eigenen Perspektive erleben

    Weil "change" aber eben Veränderung meint, standen am Anfang des Projektes einfache Aktivitäten zur Umgestaltung der Umgebung und von Gegenständen im Raum. Die Jugendlichen sollten sich erst der Veränderungen ihrer Umgebung bewusst werden, bevor sie im weiteren Verlauf des Projekts Veränderungen an sich selbst feststellen konnten. Im Verlauf wurde beispielsweise ein Tuch zum Rock umfunktioniert. Den Übergang von der eigenen Persönlichkeit zu den Figuren im Buch schafften die Mädchen, indem sie ihre Körperkonturen nachzeichneten und malerisch eigene Figuren daraus entwickelten.

    Sprachlich gefordert wurden die jungen Frauen durch eine spezielle Art von Märchenstunde. "Zuerst haben wir ein Märchenbuch gelesen und dann die Figuren, die uns in den Sinn kamen, gezeichnet. Schließlich haben wir Dialoge erfunden, die zum Teil echt lustig waren", so Barbara. Am Ende dieses Projektabschnittes stand der Dialog. "Dabei haben wir zum Teil echt intime Gespräche geführt", so Martina Leidig. Weil Märchen nicht nur Freud zufolge sexuelle Assoziationen bei z.B. der Farbe Rot des Rotkäppchens hervor gerufen haben, konnten die Mädchen entsprechende Assoziationen offen äußern und lernen, Sexualität als Teil ihrer persönlichen Empfindungswelt zu akzeptieren.

    Sprachförderung durch Hörgenuss

    Teilnehmerinnen vor Projektwerken (Foto: ka-news)

    Die Sprachförderung gelang der Projektleiterin Leidig durch die Beschäftigung mit Hörbüchern. "Das Hören und sprechen darüber ist der beste Spracherwerb", so Leidig weiter.Die verschiedenen Erlebnis- und Lebenswelten, die Literatur von russischer Liebesromanen bis zu Büchern der in Karlsruhe geborenen Marie-Luise Kaschnitz offenbart, brachte die Theaterpädagogin von ihrem Bücherregal zu Hause mit. Als wichtig erachtet Leidig auch den Kauf eines ausgewählten Buches. Nichts trage mehr zur Identitätsfindung bei als die Vermischung der fiktiven Lebenswelten eines Buches und der eigenen Wirklichkeit.

    Neben der Identifätsfindung war die Reflexion des Leseverhaltens der Mädchen ein wichtiger Teil des Projekts. Schließlich sollten die Mädchen den Nutzen und die Notwendigkeit des Lesens erkennen, um in ihrer späteren Ausbildung durch Lese- und Rechtschreibkompetenz sowie Lesemotivation punkten zu können.Nachdem sie einen Fragebogen zum Thema "Lesen und Alltag" ausgefüllt hatten, endete das Projekt für die Teilnehmerinnen mit einem Theaterbesuch in Baden-Baden.

    Frau und Mann erleben Literatur auf verschiedene Weise

    "Change it" selbst ist Teil zwei eines Projektes zur Leseförderung. Durch die Teilnahme von männlichen Jugendlichen der Carl-Hofer-Schule am ersten Teil des Projekts sollte eine geschlechterspezifische Trennung erfolgen, um zu testen, welche unterschiedlichen Assoziationen Texte bei Jungen und Mädchen hervor rufen. Konkret geplant ist eine Fortsetzung des Projektes noch nicht, sie ist aber angesichts des bisherigen Erfolgs angedacht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden