Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: Ins Reine kommen: Mythos Waschsalon

Karlsruhe

Ins Reine kommen: Mythos Waschsalon

    • |
    • |
    Traurige Einsicht: Hier wird nur Wäsche gewaschen.
    Traurige Einsicht: Hier wird nur Wäsche gewaschen. Foto: ka-news

    Es begann in einem echten Kölner Waschsalon: Bei "Nightwash" gaben aufstrebende Comedians das Beste, um die Zuschauer in einem humoristischen Vollwaschgang so richtig einzuseifen. In Berlin wurde kürzlich die Variante "Waschen und Essen" entdeckt: In diesen Waschsalons gibt es nicht nur den üblichen Kaffee aus Pappbechern und einen Getränkeautomaten, sondern kulinarische Highlights, die vergessen machen, dass man eigentlich zum Wäsche waschen gekommen ist.

    Keine Spur von Romantik á la Hollywood

    In etlichen Filmen - insbesondere amerikanischen - verlieben, lieben oder trennen sich die Protagonisten zwischen Trockner, Waschmaschine und Münzautomat. Und auch die Werbung greift immer wieder auf das Saubermach-Image und die Waschsalonromantik zurück. Grund genug, diesen "Kultur- und Romantik-Aspekt" der Waschhäuser in Karlsruhe auf die Probe zu stellen. Die Ergebnisse waren ernüchternd.

    Aber der Reihe nach: Während der Beobachtungsphase kam es zu keiner herzzerreißenden oder leidenschaftlichen Szene, das einzig anwesende Pärchen im Waschsalon verzichtete sogar während des gesamten Schleudergangs darauf, Intimitäten auszutauschen. Auch der Punkt "Plaudern und nette Leute kennenlernen" musste leider mit einem "Fehlanzeige" abgehakt werden - die Besucher sitzen still, fast teilnahmslos auf den Holzbänken und warten einfach nur darauf, dass Lieblingspulli und Unterhemden vom Schmutz befreit werden. "Kommen Sie samstags, da ist am meisten los", hatte die Betreiberin auf telefonische Anfrage erklärt. Nun ja.

    "... unsere Waschmaschine ist kaputt ..."

    Und der kulturelle Aspekt offenbart sich im langsamsten aller Schongänge, denn das Angebot kann es knapp mit dem Abwechslungsreichtum eines üblichen Arztpraxis-Wartezimmers aufnehmen: An der Theke liegt auf dem Zeitschriftenstapel die in eine Lesezirkel-Hülle eingeschlagene "Gala" und wartet darauf, berichten zu dürfen, welcher Schlagerstar diese Woche seine Hände in Unschuld wäscht. Doch dann ein kleiner Lichtblick: Christian mit den Rastalocken sitzt im Schneidersitz vor seiner Maschine und verbringt die anderthalb Stunden des Wartens damit, ein mitgebrachtes Buch zu lesen. "Mindestens einmal im Monat komm ich hierher. Um, naja, eben Wäsche zu waschen", erklärt er. Zumindest liest er ein Buch, das zählt als Kultur. 

    Selim nimmt gar nicht erst Platz auf den Bänken, sondern wartet stehend darauf, dass die ratternden Schleudern zum Stillstand kommen und er seine Klamotten aus dem runden Schlund befreien kann. "Ich bin sonst nie hier, aber unsere Waschmaschine ist kaputt gegangen. Das nervt, aber wenigstens sind die Preise in Ordnung." In seiner Verzweiflung greift er doch zur Zeitschrift und blättert ein wenig darin.

    Und so plätschert das Geschehen und das Spülwasser in unserem "wunderbaren Waschsalon" vor sich hin. Rein gar nichts, was das rettungslos romantische Gemüt des Autors den Begegnungsstätten zwischen Colaautomaten und Spülmitteln zuvor angedichtet hatte, hat sich bestätigt. Der Mythos der Waschsalonromantik ist zerstört - doch zumindest die Wäsche ist anschließend sauber und wohlriechend. Bestimmt war's auch nur der falsche Tag...

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden