In den fünfziger Jahren waren die Hinterhöfe von Karlsruhe noch farbenfroh, der Geruch von Waschpulver hing in der Nase und auf den Balkonen winkten die Hausfrauen herunter, während sie ihre Zugwäscheleinen bestückten. Doch der ein oder andere gute Beobachter würde nun sagen: "Hier hängt doch immer noch eine Leine, die sich von Haus zu Haus spannt."

Genauer gesagt handelt es sich hier um das Haus von Dorothee Rosenbauer. Die Physiklehrerin holt die alte, fast schon vergessene Tradition zurück und sagt den "Energiefressern", den elektrischen Trocknern den Kampf an.
Sie will den Zugwäscheleinen zu einem Comeback verhelfen und hat hierfür den Verein "Bunte Südstadt: Sonnenenergie direkt nutzen" gegründet. Im Interview mit ka-news.de am 4. April verrät Dorothee Rosenbauer, wie viel man mit einer Wäscheleine sparen kann, wo man sie überall aufhängen kann und was eine Kinderarmbrust mit der Sache zu tun hat.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen die Zugwäscheleinen wiederbeleben zu wollen?
"Ich hab schon immer meine Wäsche gerne draußen aufgehängt. Als Studentin hatte ich in der Südstadt bereits so eine Leine und fand sie immer super praktisch, gerade für größere Wäschestücke. Die Wäsche riecht auch immer so gut, wenn sie von Draußen kommt, das hat dann so was Bodenständiges.

Wenn ich die Wäsche raushänge, habe ich immer das Gefühl die Welt sei in Ordnung. Und dann kam auch etwas die Physiklehrerin in mir raus, die sich gefragt hat, wo kann ich in meinem Alltag energiesparen. Klassische Wäschetrockner müssen viel Wärme generieren und verbrauchen daher ordentlich Energie.
Hier, durch alte Techniken, die Kraft der Sonne und des Windes direkt zu nutzen, erschien mir daher als sehr sinnvolle Alternative."
Haben Sie schon Ihre Nachbarn von Ihrer Idee überzeugen können?
"Mir ist aufgefallen, dass vor allem Leute die seit Jahren einen Trockner benutzen, schwerer zu überzeugen sind. In der Klimadiskussion bezeichnet man das auch als "De-Learning", es braucht viel Überzeugungsarbeit erlernte Verhaltensweisen zu verändern.

Im Vergleich hierzu sind Leute, die Ihre Wäsche bereits seit Jahren draußen trocknen deutlich leichter für unsere Idee zu gewinnen. Bei denen ist das Interesse an unseren Installationsanleitungen und Baukästen sehr hoch.
Bei vielen Häusern sind die Haken für die Zugwäscheleinen ja noch vorhanden, es fehlen lediglich die Rollen und die Leinen selber."
Wie viele Wäscheleien konnten Sie mit Ihrem Verein schon spannen und haben Sie schon Rückmeldungen bekommen, wie sie ankommen?

"Wir konnten bis jetzt 14 Zugwäscheleinen in der Südstadt spannen. Die meisten davon bei Freunden und Bekannten, die sind bis jetzt auch sehr zufrieden. Bei einer Freundin haben wir die Leine zwischen zwei Balkonen angebracht, das erleichtert die Sache natürlich, weil man nicht den Hausbesitzer fragen muss, ob man einen Haken an der Fassade befestigen darf."
Was für Voraussetzungen braucht man denn für die Installation einer Zugwäscheleine?

"Man benötigt eigentlich nur zwei Befestigungspunkte und eine Möglichkeit, die Leine von dem einen zum anderen Punkt zu befördern. Hier experimentieren wir gerade mit einer Kinderarmbrust, das macht sogar richtig Spaß und ist immer eine gute Möglichkeit, mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen."
Wie viel kostet es denn eine Zugwäscheleine zu installieren und wie viel Wäsche kann man den damit trocknen?
"Unser Bausatz kostet derzeit für 70 Euro, das ist der reine Materialpreis, gerade die Rollen sind leider wirklich teuer. Er besteht aus zwei Leinen mit einer Länge von vier Metern, auf diese insgesamt acht Meter bekomme ich meistens eine ganze Maschinenladung Wäsche."
Doch durch den Erlös des Umweltpreises der Stadt könne der Bausatz nun auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Einfach über die Website des Projekts beantragen und weiter erklärt Rosenbauer:

"Die Wäsche ist auch nach zwei bis vier Stunden dann richtig trocken. Wenn die Sonne richtig Kraft hat, kann das aber auch mal nur 30 Minuten dauern. Klar, wenn man jetzt kleinteilige Unterwäsche gewaschen hat, kann es sein, dass der Platz nicht ganz ausreicht."
Wieso sind denn gerade die verwendeten Rollen so teuer?
"Es war ohnehin schon sehr schwierig, passende Rollen zu finden. Kein Baumarkt hat so was noch im Sortiment. Also mussten wir viele verschiedene Rollen ausprobieren und wurden schlussendlich bei der Firma Heinrich, Betz und Söhne fündig, die uns jetzt auch direkt beliefern.

Bei unseren Lieferanten ist es, auch wegen des Klimaaspektes, uns sehr wichtig, dass sie aus Deutschland kommen. Und da war diese Firma die letzte, die noch Rollen produziert, die sich für unser Vorhaben eignen.
Wie viel Strom kann man denn durch eine Zugwäscheleine einsparen?
"Das kommt immer drauf an, wie oft man seinen Trockner benutzt und wie neu das Modell ist. Ich habe selber mal ein jährliches Ersparnis von 70 bis 200 Euro berechnet. Bei 160 Trocknungsläufen im Jahr verbraucht ein neuer Trockner mit einem top Energieverbrauchswert so ungefähr 180 bis 200 Kilowattstunden und die meisten Leute haben kein top aktuelles Modell zu Hause stehen.

Um so viel Strom zu erzeugen, müsste man drei ganze Quadratmeter Solarpaneele in perfekter Lage aufstellen. Warum denn hier nicht die Sonne und den Wind direkt benutzen."
Sie haben mit Ihrer Idee den Umweltpreis "Klimaschutz Nebenan" gewonnen wie haben Sie von diesem Wettbewerb erfahren und haben sie mit dem Sieg gerechnet?
"Erfahren habe ich von dem Wettbewerb durch die "nebenan.de App", da wollte ich allerdings erst mit einem anderen Projekt teilnehmen. Das wurde jedoch nicht genommen und dann habe ich kurz vor Knapp noch meine Idee mit den Wäscheleinen eingereicht.

Naja sagen wir mal so, als ich die Konkurrenz gesehen habe, wusste ich, dass meine Chancen ganz gut stehen. Immer nur Pflanzkübel aufzustellen ist dann doch etwas unkreativ."
Wie soll es jetzt weitergehen, haben Sie die 3.000 Euro Preisgeld schon verplant?
"Wir hoffen, ein Umdenken bei den Verantwortlichen bewirken zu können. Hierfür war der Wettbewerb super hilfreich, um mehr Reichweite zu bekommen. Derzeit stehen wir in Kontakt mit Bauhaus, damit sie vielleicht unsere Bausätze ins Sortiment aufnehmen oder die notwendigen Materialien zum Eigenbau wieder führen.

Auch die Stadt haben wir angefragt, um es zukünftig zu erleichtern, Zugwäscheleinen in Hinterhöfen zu spannen.
Von den 3.000 Euro Preisgeld ist die Hälfte bereits ausgegeben, um neues Material zu beschaffen. Wir nutzen den Gewinn also um mehr Wäscheleinen zu errichten. Wir werden sicher nicht durch Wäscheleinen die Welt retten, aber einen kleinen Beitrag zu leisten ist besser, als nichts zu tun. Solange der Rest des Preisgeldes noch reicht, wollen wir allen Interessierten einen gratis Bausatz zur Verfügung stellen. Den kann man ganz einfach über die Webseite unseres Vereins beantragen"