Das Glücksgefühl der Schwangerschaft erhielt bei Miriam Sonnenbichler einen Dämpfer, als sie zum Frauenarzt ging: "Ich rutschte in den Patientenstatus ab und man behandelte mich, als sei ich krank", berichtet die engagierte Mutter aus Karlsruhe.
Eine Hausgeburtshebamme für ganz Karlsruhe
Hebammen hätten da eine ganz andere Herangehensweise: Hier finde die Behandlung auf einer persönlichen Ebene statt - und das kann dann auch mal zwei Stunden Vorsorge in Anspruch nehmen, anstatt eine Viertelstunde beim Frauenarzt, so Sonnenbichler.
Doch diese individuelle Begleitung der schwangeren Frauen durch Hausgeburts - und außerklinische Geburtshilfe wird immer seltener: Grund dafür sind unter anderem die gestiegenen Berufshaftpflichtprämien, die viele Hebammen dazu zwingen ihren Beruf aufzugeben, weil sie die hohen Kosten der Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlen können. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht diese Entwicklung: Während die Haftpflichtprämie im Jahr 1992 noch bei rund 180 Euro lag, beträgt sie heute etwa 4.200 Euro. Hinzu kommt die ohnehin schon geringe Bezahlung der Hebammen. Der Nettostundenlohn lag laut Hebammenverbände in den Jahren 2007/2008 bei durchschnittlich 7,50 Euro und ist seitdem nicht signifikant gestiegen.
Unterschieden wird zwischen außerklinischer Geburtshilfe im eigenen Haus oder in sogenannten Geburtshäusern und der Geburt im Krankenhaus. Daneben gibt es auch Beleghebammen, die Frauen während der Schwangerschaft begleiten, wenn die Wehen einsetzen bei ihnen zu Hause sind und auch zusammen mit der Frau zur Geburt in eine Klinik gehen. In Karlsruhe gibt es derzeit nur noch eine Hausgeburtshebamme. Sie heißt Eva Fröb und arbeitet in der Hebammenpraxis "Geburt & Leben". Diese war auch Cerstin Jüttes erste Anlaufstelle: "Ich habe eine Odyssee hinter mir", sagt die Mutter, die derzeit mit ihrem zweiten Kind schwanger ist.
"Wegen schlechten Bedingungen für Hebammen gibt es keine Wahlfreiheit des Geburtsortes mehr"
Obwohl Jütte schon in der 6. Schwangerschaftswoche damit begonnen hatte eine Hausgeburtshebamme zu suchen, musste sie ihren Suchradius ständig erweitern: Nachdem es mit "Geburt&Leben" nicht gepasst hat, fragte sie im 25 Kilometer außerhalb von Karlsruhe gelegenen Bruchsal-Untergrombach. Hier wurde ihr gesagt, dass man keine Geburten aus der Stadt begleiten würde. Schließlich ging die Schwangere sogar so weit, dass sie in Rastatt und Mühlacker bei Hausgeburtshebammen nachfragte, doch auch dort konnte sie nicht fündig werden. "Die Situation wird sich weiter zuspitzen", befürchtet Cerstin Jütte, die außerdem Leiterin des "Entdeckungsraum" in Karlsruhe ist und begleitende Kurse für Babies und Kinder gibt.
Aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis würden sich immer mehr Frauen, vor allem Zweitgebärende, dafür entscheiden ihr Kind zu Hause zur Welt zu bringen. Viele Frauen wünschten sich in diesem intimen Moment und auch in der Wochenbettbetreuung danach eine Eins-zu-Eins-Betreuung von einer Person, der sie vertrauen. "Aber wegen der immer schlechter werdenden Bedingungen für Hebammen gibt es keine Wahlfreiheit des Geburtsortes mehr", erklärt Miriam Sonnenbichler. Ihrer Ansicht nach sollte jede Frau selbst entscheiden dürfen, wo sie sich bei der Geburt am sichersten fühlt.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte im Fall Anna Ternovszky gegen Ungarn im Jahr 2010, dass jede Frau in der EU ein Recht auf die Wahlfreiheit, wo und wie sie ihr Kind auf die Welt bringen möchte, haben soll. Dieser Fall wird im britischen Film "Freedom for Birth" aufgegriffen. Darin wird die Geschichte einer ungarischen Hebamme erzählt, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, weil sie Frauen bei Hausgeburten unterstützte. Am 20. September 2012 wurde der Film in 50 Ländern uraufgeführt - so auch in Karlsruhe, wo Cerstin Jütte und Miriam Sonnenbichler die Premiere organisierten.
Neue Webseite fördert Austausch von Eltern in Karlsruhe und Region
Nach der Filmpremiere riefen die beiden Karlsruherinnen die Elterninitiative "HappyBirthday - Gemeinsam für eine selbstbestimmte Geburtskultur" ins Leben, deren Webseite ab jetzt online ist. Ziel der Initiative ist es, dass sich das vorherrschende Bild in der Gesellschaft, das Frauen während der Schwangerschaft zu Patientinnen macht, positiv verändert und Schwangerschaft und Geburt von vielen Frauen als eine "wunderbare, einmalige und geheimnisvolle Zeit erlebt werden dürfen".
Auf der Webseite tauschen sich Eltern aus, erfahrene Mütter und Väter geben Tipps und erzählen von ihren eigenen Erfahrungen. Mit der Initiative "HappyBirthday" solle das Bauchgefühl von schwangeren Frauen gestärkt werden, sodass werdende Eltern ihren persönlichen Weg durch die besondere Zeit selbstbewusst gehen können - auch wenn Bekannte oder Medien etwas anderes behaupten, so die Gründerinnen. Außerdem würden die Informationen zum Thema und bestehende Angebote im Großraum Karlsruhe auf der Webseite gebündelt zur Verfügung gestellt. Wichtig ist es den Gründerinnen aber vor allem auch "aus der Anonymität des Webs herauszukommen und regelmäßige Treffen zu organisieren, um den persönlichen Kontakt zwischen den Eltern herzustellen." Daneben setzt sich "HappyBirthday" dafür ein, dass Hebammen zukünftig von ihrem Beruf gut leben können und das Wahlrecht des Geburtsortes auch real existiert.
www.happybirthday-ka.de
www.facebook.com/HappyBirthdayKA