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Karlsruhe: Günther Oettinger bei Pfizer

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Günther Oettinger bei Pfizer

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    Keine "blühenden Landschaften" und kein "Die Rente ist sicher", vielmehr: "Wir müssen möglicherweise begreifen, dass wir auf dem Höhepunkt unseres sozialen Wohlstands angelangt sind." Hier scheint eine neue Ehrlichkeit angebrochen zu sein, die einmal mehr zeigt, wie leer die öffentlichen Kassen und wie marode die sozialen Sicherungssysteme sind. Großspurige Versprechungen würden sich für eine Oppositionspartei, die an die Regierung will, nach der Wahl als gefährlicher Bumerang erweisen. Neben Hoepfner-Burg undTechnologiepark stand gestern auch der Viagra-Hersteller Pfizer auf Oettingers Tagesprogramm. Dabei ist er nicht nur in Sachen Bundestagswahlkampfunterwegs, sondern gleichzeitig auf PR-Tour für sich selbst: In gut einem halben Jahr hat der Ministerpräsident, gerade einmal vier Monate im Amt, mit der Landtagswahl 2006 seine bis dato wohl größte Bewährungsprobe zu bestehen.

    Walter Köbele gibt Ministerpräsident Günther Oettinger und dem Bundestagsabgeordneten Ingo Wellenreuther eine kurze Einführung zur aktuellen Situation am Pfizer-Standort Karlsruhe (Foto: ka-news)

    Das schwierige Ringen um Investitionen in Karlsruhe

    Ort der Handlung: die Karlsruher Niederlassung des weltweit größten Arzneimittel-Herstellers. Der Konzern, berichtete der Chef von Pfizer Deutschland, Walter Köbele in Richtung des Regierungschefs aus Ditzingen, habe ebenfalls "schwäbische Wurzeln": Vor über 150 Jahren wanderten Karl Friedrich Pfizer und sein Cousin aus Ludwigsburg in die Vereinigten Staaten aus und legten dort den Grundstein für den Pharma-Riesen mit heute 53 Milliarden Dollar Umsatz und allein 5.200 Mitarbeitern in Deutschland, davon etwa 1.000 am Standort Karlsruhe. Köbele - in seiner einleitenden Rede - legte vor: "Baden-Württemberg und Karlsruhe bieten uns hervorragende Rahmenbedingungen." Die Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Land seien sehr gut. Dann war allerdings auch schon Schluss mit den lobenden Worten.

    Es gebe innovationsfeindliche Tendenzen in Deutschland, monierte Köbele: Bürokratie, verkrustete Strukturen, Forschungsleistungen im Pharma-Markt würden diskriminiert: Die von der Regierungskoalition eingeführten Festbetragsregelungen für Arzneimittel machen den Pharmafirmen, die Milliarden für Forschung und Entwicklung ausgeben, im Wettbewerb mit Generika-Herstellern das Leben schwer. "Ich befinde mich in einem harten Länderwettbewerb mit meinen Kollegen", illustrierte Köbele die konzerninternen Abwägungsprozesse bei der Suche nach Investitionsmöglichkeiten. Es gelinge kaum noch, so der deutsche Pfizer-Chef, weitere Investitionen nach Deutschland zu holen. Er habe die Hoffnung, dass eine neue Bundesregierung - in welcher Zusammensetzung auchimmer - die Fehler der Vergangenheit korrigieren werde.

    Ein Wachstumsmarkt mit "unglaublichen Chancen"

    Günther Oettinger: Mal heiter... (Foto: ka-news)

    Oettinger zeigte sich beeindruckt von der Erfolgsgeschichte und der Entwicklung des Unternehmens. "Pfizer ist eine Marke, wie es wenige gibt", sagte er zu Beginn seiner Rede. Allerdings weiß der Ministerpräsident auch um die Schwächen des hiesigen Pharma-Unternehmens im globalen Wettbewerb: "Deutschland war einmal die Apotheke der Welt", so Oettinger - mit Betonung auf "war". "Wir müssen alles tun, damit sich Ihr Unternehmen im Wettbewerb mit allenTochtergesellschaften und anderen Unternehmen in der ganzen Welt messen kann", verkündete er den zirka 300 versammelten Pfizer-Mitarbeitern. In einer Welt des globalen Wettbewerbs, so Oettinger im Anschluss an die Veranstaltung gegenüber ka-news, "müssen wir uns bei den Lohnnebenkosten, bei den Abläufen von Genehmigungen, bei der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Produktionsbetrieben und bei den Standortfaktoren generell dem Standard anderer Länder annähern."

    ...mal ernst (Foto: ka-news)

    Daran müssten sich sämtliche Reformen in der deutschen Finanz-, Sozial- und Verwaltungsstruktur orientieren. Wichtig sei, dass ein Unternehmen wie Pfizer in Karlsruhe und in Deutschland möglichst stark in der Wertschöpfungskette verankert bleibe: Forschung und Entwicklung, Produktion - und nicht nur Standort für ein großes Hochlager sei. Der Gesundheits- und Pharmamarkt sei ein Wachstumsmarkt mit "unglaublichen Chancen", betonte Oettinger. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, sei der Umbau der Sozialsysteme die entscheidende Herausforderung der Politik in den nächsten Jahren.

    Planwirtschaft oder Marktwirtschaft?

    Im Anschluss an Oettingers Rede hatten die Pfizer-Beschäftigten im Zuschauerraum die Möglichkeit, den Ministerpräsidenten mit ihren Sorgen und Erwartungen zu konfrontieren. Die Fragen drehten sich vor allem um das Gesundheitswesen und die von der Union geplante "solidarische Gesundheitsprämie", besser bekannt als "Kopfpauschale" - Themenbereiche, die für die Beschäftigten des Pharma-Unternehmens Pfizer konkrete Auswirkungen auf die Zukunft ihrer Arbeitsplätze und den Erhalt ihres Lebensstandards haben. Dabei waren die Antworten nicht immer so konkret, wie die Fragesteller es sich vielleicht gewünscht hätten.

    "Festbetragsregelungen haben sich für mich als Instrument längst nicht so bewährt, wie von den Erfindern ursprünglich vorgesehen", antwortete Oettinger einem besorgten Pfizer-Mitarbeiter, der wissen wollte, ob es auch mit einer unionsgeführten Regierung "fragwürdige Festbetragsregelungen" geben werde. Solche Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung seien eher planwirtschaftlicher Natur, erläuterte der Ministerpräsident, er verspreche sich Kostensenkung dagegen eher durch mehr marktwirtschaftliche Elemente und mehr Wettbewerb: Im Gesundheitswesen sei ein Rückzug des planenden, alles regelnden Staates notwendig.

    "Es wird nicht schlechter" als Zukunftsvision

    Allerdings konnte oder wollte Oettinger die Möglichkeit von Festbetragsregelungen im Fall einer unionsgeführten Bundesregierung nicht gänzlich ausschließen. Es war der ebenfalls anwesende Karlsruher CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Wellenreuther, der die "schwebende" Situation - Oettingers Lavieren vorbei an den Klippen konkreter Zusagen oder Versprechungen - "löste", indem er antwortete: "Mit uns wird es sicherlich keine fragwürdigen oder unsinnigen Eingruppierungen geben" - eine Antwort, die den Fragenden wohl nicht wirklich zufrieden stellte konnte.

    Wellenreuther, Oettinger und Köbele stellen sich den kritischen Fragen der Pfizer-Beschäftigten (Foto: ka-news)

    Auf die Frage, wann für die Menschen in Deutschland nach einem möglichen Wechsel in Berlin und mit einer unionsgeführten Bundesregierung erste Anzeichen für eine Besserung spürbar würden, dämpfte Oettinger allzu hoch gesteckte Erwartungen. Einer der großen Fehler von Gerhard Schröder sei es gewesen, antwortete Oettinger, begleitend zu den Reformen keine Vision vom Licht am Ende des Tunnels vermittelt zu haben. "Es war alles Stückwerk." Oettinger: "Vielleicht muss unsere Vision heißen 'Es wird nicht schlechter'." Deutschland sei mit 100 Milliarden Euro strukturell unterfinanziert. Den Lebensstandard zu halten ist unter diesen Bedingungen schon viel.

    Nicht von heute auf morgen!

    Allerdings werde die Union einen Vertrauensvorschuss bekommen - noch "unverdient", so Oettinger. Die Hoffnung der Bürger und der Wirtschaft auf Klarheit und Handlungsfähigkeit könnte Deutschland vielleicht schon im kommenden Jahr ein Wachstum von zwei Prozent bescheren, prognostiziert der Regierungschef. Aber in breitem Umfang würden die Früchte der umfassenden Reformen, die nach einem Regierungswechsel umgesetzt werden sollen, vermutlich erst in sechs bis acht Jahren sichtbar. Das, so Oettinger abschließend, zeigen unter anderem die Reform-Erfahrungen in England und Österreich.

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