Die Sonne scheint an diesem herrlichen Sonntagmorgen, während die Kirchenglocken die Karlsruher Oststadt beschallen. Es ist kein gewöhnlicher Gottesdienst in der Karlsruher St. Bernhard Kirche am Durlacher Tor, denn am Eingang steht ein Ordner, der Namen, Adresse und Telefonnummer der Besucher notiert.
Hygieneregeln lassen keinen normalen Gottesdienst zu
Auf den ersten Blick sehen die weißen Bänder an den Kirchbänken wie der Schmuck einer bevorstehenden Hochzeit aus, doch die Bänder haben einen ganz anderen Hintergrund, erklärt Pfarrer Rainer Auer. "Wir haben höhere Hygienestandards als die gesetzlichen Vorschriften und halten zu allen Seiten zwei Meter Abstand. Daher finden auch nur maximal achtzig Personen in der großen Kirche Platz."

Im Gottesdienst herrscht trotz Abstand eine Maskenpflicht und die Hostie verteilt der Pfarrer hinter einem Plexiglas-Hygieneschild. Auf gemeinsames Singen wird verzichtet, stattdessen ertönt der hingebungsvolle Gesang des Organisten.
Gottesdienst bestärkt und befreit
Marlis Kutscher nimmt heute am Gottesdienst teil. Für sie steht das Gesamte der Menschen im Fokus. "Ich hatte noch keinen Tag Angst vor Corona. Ich halte mich an die Maßnahmen und vertraue auf Gott. Sehr traurig macht mich, miterleben zu müssen, wie Menschen erkranken und auch sterben, Eltern mit Zusatzaufgaben überfordert sind, Kinder keine Freunde mehr zum Spielen haben und Geschäftsleute an ihre Existenzgrenze geraten", so die ehemalige Religionslehrerin

"Darum habe ich auch meine Fragen und Zweifel am Sinn mancher Schließung. Ich wünsche mir so sehr die Rückkehr in die Normalität - was auch immer damit gemeint sein kann, so Kutscher.
Auch für Nicole aus Karlsruhe ist der sonntägliche Gottesdienst fester Bestandteil der Woche und eine kleine Auszeit im Arbeitsalltag. "Ich bin froh, dass der Gottesdienst überhaupt stattfinden kann, wenn auch unter diesen Bedingungen. Es ist ein Treffpunkt und ein zu sich selbst finden, so die 42-Jährige gegenüber ka-news.

Das junge Pärchen Alex und Nathalie fühlt sich im Gottesdienst in ihrem Glauben bestärkt und befreit. "Es ist einfach die Verbundenheit mit der Gemeinschaft, wir fühlen uns danach befreiter", sagen beide.
Kindern und Jugendlichen "geht ein Stück weit das Leben verloren"
Für Pfarrer Rainer Auer ist die Corona-Pandemie eine riesengroße Umstellung. Nicht nur den Gottesdienst betreffend, sondern vor allem auch die Gemeinschaften in der Gemeinde, die nicht mehr stattfinden können. Gruppenarbeit aller Altersstrukturen seinen betroffen, so Auer.

"Den Kindern und Jugendlichen geht ein Stück des zwanglosen Lebens und Erwachsen werden verloren, das macht ein Stück weit traurig", gibt der Kleriker zu bedenken. Schwierig sei auch die Gestaltung der Jugendarbeit, die normalerweise zum größten Teil im Freien oder im Kirchengelände stattfindet. "Die meisten Jugendkinder sehen sich zwar regelmäßig im Videochat, aber natürlich ist das etwas anderes, als 'normal' zusammen Gemeinschaft zu erleben", meint ein Jugendleiter.
Immerhin: Der Ablauf im Gottesdienst hat sich im Laufe des Corona-Jahres eingespielt. "Wir möchten, dass die Gesundheit jedes Einzelnen geschützt wird". Ordner, Desinfektionsspender, vorgegebene Laufwege, Masken und Schutzschilder sind fester Bestandteil der Messe. Eine Sache, die Pfarrer Auer viel mehr Sorge bereitet, sind die vielen Gemeinsamkeiten und Feste, die nicht mehr richtig gelebt und gefeiert werden können.