Deshalb hat ka-news mit Karlsruher Ärzten und Krankenkassen gesprochen, um herauszufinden, welches Vorgehen empfohlen wird.
Bei intakten Implantaten keine überstürzte Entfernung
Der Karlsruher Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie Hans-Joachim Stocker, der nach eigenen Angaben die gefährlichen Implantate bei seinen OPs nicht verwendet hat, erklärt im Gespräch mit ka-news: "Die offiziellen Empfehlungen sind etwas widersprüchlich, da es keine klaren Daten gibt. Gerissene Implantate sollten auf jeden Fall entfernt werden. Betroffene Patientinnen sollten zunächst eine Ultraschalluntersuchung vornehmen lassen um zu prüfen, ob die Implantate intakt sind. Wenn dies der Fall ist, muss keine überstürzte Entfernung erfolgen."
Außerdem rät er betroffenen Patientinnen dazu, sich für die Entfernung der Implantate mit Kapsel um eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu bemühen. "Die Kosten richten sich nach Aufwand und ob neue Implantate eingesetzt werden. Es kann sein, dass es besser ist, neue Implantate erst drei bis sechs Monate nach der Entfernung einzusetzen", erklärt der Mediziner.
In der Karlsruher Klinik am Stadtgarten in Karlsruhe wurden Silikongelimplantate der Firma PIP seit 2001 bei etwa 98 Prozent der Patientinnen verwendet, wie der Inhaber und ärztliche Leiter, Bernd Loos, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, erklärt. "Nur wenn Spezialimplantate gebraucht wurden, wurden diese von einem anderen Hersteller bezogen. Insgesamt wurden in meiner Klinik seit 2001 bei 389 Patientinnen PIP Implantate verwendet. Wir informieren die Patientinnen aktiv, wobei sich viele schon vor der schriftlichen Benachrichtigung aufgrund der Presseberichte in der Klinik gemeldet hatten. Ein aktives Zugehen auf und Informieren der Patientinnen ist aus meiner Sicht nicht nur selbstverständlich, sondern auch Pflicht des Arztes", so der Mediziner weiter.
Keine erhöhte Krebsgefahr aber massive Probleme in der Brust
In Sachen Implantatentfernung rät er: "Nach den im vergangenen Jahr gewonnenen Erfahrungen bin ich zu dem Schluss gekommen, allen PIP-Implantatträgerinnen einen Wechsel oder die Entfernung der Implantate zu empfehlen." Entgegen anderer Meldungen bestünde jedoch kein Hinweis darauf, dass die von PIP verwendeten Materialien krebserregend seien. Es komme zu keiner Häufung an Krebsfällen bei PIP Implantatträgerinnen im Vergleich mit den Trägerinnen anderer Implantathersteller.
Bei Tests an Zellkulturen und im Tierversuch habe sich jedoch eine auf das Gewebe reizend wirkende Eigenschaft des PIP Gels herausgestellt, wie dies bei medizinischem Silikongel nicht gefunden wurde. Es stünden also, so Loos, die lokalen Probleme an der Brust im Vordergrund. Zum einen weisen die Implantate ein deutlich stärkeres Schwitzen des Silikongels auf, zum anderen käme es bei einer Rissbildung in der Hülle zu einer Entzündungsreaktion, die von betroffenen Patientinnen meist nicht bemerkt werde.
Bei länger dauerndem Kontakt der mit Silikon vermischten Körperflüssigkeit werde diese in die Lymphwege abtransportiert, was zu Lymphknotenschwellungen führe. "Die betroffenen Lymphknoten müssen dann zusätzlich herausoperiert werden, wobei in keinem Fall eine vollständige Entfernung des Silikons aus den Lymphen mehr möglich ist. Diese Problematik konnte ich auch bei Patientinnen feststellen, die wie empfohlen alle sechs Monate ihre Brust mit Ultraschall untersuchen haben lassen", berichtet der Mediziner.
Was zahlen die Kassen?
Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liege eine Gesundheitsgefahr vor, machte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums unlängst gegenüber der "Tagesschau" deutlich. "Und wenn eine Gesundheitsgefahr besteht, hat ein Patient Anspruch gegenüber der Kasse, dass die Kosten übernommen werden", das gelte grundsätzlich sowohl für aus medizinischen als auch aus ästhetischen Gründen eingesetzte Silikonkissen.
Auf ka-news-Nachfrage bestätigt dies auch die Pressestelle der AOK Baden-Württemberg: "Bei Frauen, denen aus medizinischen Gründen ein Brustimplantat eingesetzt wurde, übernimmt die AOK Baden-Württemberg alle anfallenden Behandlungskosten. Haben sich Frauen ausschließlich aus kosmetischen Gründen (Schönheitsoperation) Implantate einsetzen lassen, müssen die betroffenen Frauen gegebenenfalls die Behandlungskosten teilweise oder komplett selbst tragen. Über die Höhe der Eigenanteile entscheidet die AOK Baden-Württemberg je nach Sachverhalt des Einzelfalls."
Besorgte Frauen, die bei der AOK Baden-Württemberg versichert sind, können sich jederzeit mit Fragen an ihre Krankenkasse wenden. "Die medizinischen Experten der AOK Baden-Württemberg geben umfassende Informationen und leiten bei Bedarf an spezielle Behandlungsfehlerteams weiter, die in Medizinschadensfällen beraten und auch bei der Verfolgung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld unterstützen", so die Stellungnahme weiter.
Entscheidungen im Einzelfall
Auch bei der Techniker Krankenkasse (TK) wird das Thema ähnlich gehandhabt. Waren die Implantate eine Kassenleistung, trägt die Kasse die Kosten für die Entnahme und den Wiederaufbau komplett. "Wurde das Implantat im Rahmen einer Schönheits-OP auf eigene Kosten eingesetzt, zahlt die TK nur, wenn der Arzt es für medizinisch notwendig erachtet, das Implantat zu entfernen. Dann aber auch, wenn das Implantat noch nicht defekt ist. Für uns zählt die Verordnung des Arztes", berichtet die Pressestelle der TK auf ka-news-Nachfrage.
"Die Entscheidung in welchem Umfang Kundinnen, die die Implantate im Rahmen einer Schönheits-OP eingesetzt bekommen haben, an den Entnahmekosten beteiligt werden, steht noch aus. Wir werden uns bemühen, die bereits geschädigten Patientinnen nicht übermäßig zu belasten", so die Kasse weiter. Kosten für ein neues Implantat, dass nach der Entfernung der PIP-Implantate eingesetzt wird, übernimmt die Kasse nicht, es mache aber selbstverständlich Sinn, die Entnahme und den Wiederaufbau wenn möglich in einer OP zu vollziehen und die Kosten zu verrechnen, empfiehlt die TK.
Für betroffene Kunden der TK gebe es zudem einen "Terminservice", der hilft zeitnah einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen.
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