Baden-Württemberg schottet sich im Kampf gegen das Coronavirus weiter ab und schickt sich zunehmend selbst in Quarantäne. Neben den Schulen und Kindergärten wurden am Montag die Grenzen weitgehend geschlossen, die Flughäfen sind bald dicht und Justiz, Politik und gesellschaftliches Leben werden auf das Nötigste reduziert.
Alles mit einem einzigen Ziel: die Regierung will Zeit gewinnen und den schneller werdenden Anstieg der Infektionen mit dem ansteckenden Virus so gut es geht in den Griff bekommen, um das Gesundheitssystem zu entlasten.
Öffnungszeiten für Restaurants
Restaurants müssen zudem spätestens um 18 Uhr schließen und dürfen frühestens um 6 Uhr öffnen, es soll keine Übernachtungsangebote für Touristen mehr geben, bis auf weiteres werden auch Gottesdienste, Treffen in Vereinen und Busreisen verboten und Spielplätze geschlossen.
Das geht aus einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Beschluss der Bundesregierung und der Regierungschefs der Länder vom Montag hervor, der daher auch für Baden-Württemberg gültig wäre.
Die Maßnahmen sollen ab sofort gelten. Die Länder würden den am Montag gemeinsam von der Bundesregierung und den Regierungschefs der Bundesländer beschlossenen eineinhalbseitigen Handlungskatalog nun umsetzen, hieß es.
Supermärkte, Apotheken und weitere bleiben offen
Ausdrücklich nicht geschlossen werden sollen Supermärkte, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen - aber auch Poststellen, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte oder der Großhandel.
Für diese Bereiche sollen vielmehr die Sonntagsverkaufsverbote bis auf weiteres grundsätzlich ausgesetzt werden. Damit soll die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden.
Auch Freizeit- und Tierparks sollen geschlossen werden
Geschlossen werden sollen dagegen Bars, Clubs, Diskotheken sowie Kneipen, Theater, Opern, Konzerthäuser und Museen - dies ist in einigen Ländern bereits der Fall oder angekündigt.
Dicht machen sollen außerdem Messen, Ausstellungen, Kinos sowie Freizeit- und Tierparks, außerdem Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen sowie Bordelle.
Für Mensen, Restaurants, Speisegaststätten und Hotels soll das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus durch eine Abstandsregelung für Tische sowie einer Reglementierung der Besucherzahl verringert werden. Das Land Baden-Württemberg hat einen entsprechenden Erlass bereits verfügt.
Auch private Feiern absagen
Wie das Staatsministerium mitteilte müssen im Fall von Infektionen für einen Zeitraum von einem Monat mögliche Kontaktpersonen nachverfolgbar bleiben.
Darüber hinaus gelte die dringende Empfehlung, alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen - auch etwa Familienfeiern mit weniger als 100 Gästen.
Flughäfen sollen schließen
Am Montagmorgen wurden die Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich und zur Schweiz verschärft, außerdem sollen die Flughäfen bis auf weiteres schließen, um das Tempo der Ansteckungen von außen so gut es geht zu bremsen.
Reisende aus dem Ausland würden aber noch zurückgeholt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Regierungskreisen in Stuttgart. Wer aus einer Krisenregion komme, müsse in Quarantäne. Der Beschluss soll im Lauf der Woche in Kraft treten.
977 Infektionen in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg ist neben Nordrhein-Westfalen und Bayern das am stärksten von der Ausbreitung des Coronavirus betroffene Bundesland. Bis zum Sonntag waren in Baden-Württemberg bei den dortigen Behörden 977 Infektionen bestätigt. Drei infizierte Menschen sind bisher gestorben.
In Bayern gelten seit Montag noch schärfere Einschränkungen als in Baden-Württemberg: Der Freistaat rief den Katastrophenfall aus, um schnelle Entscheidungen treffen zu können. Außerdem wurde zum Schutz der Wirtschaft vor den nicht ansatzweise absehbaren Folgen der Coronakrise ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bereitgestellt.
Pendler dürfen Grenzen queren
Vollständig geschlossen sind die Grenzen zur Schweiz und nach Frankreich aber noch nicht: Im südbadischen Weil am Rhein führten zum Teil mit Atemmasken ausgestattete Kontrolleure unter anderem Befragungen durch und schickten zahlreiche aus der Schweiz kommende Autos zurück in das Nachbarland.
Bei Hinweisen auf eine Infektion oder auf Kontakt zu Infizierten können sie dies tun, außerdem müssen die Fahrer einen guten Grund für die Einreise vorweisen können. Berufspendler und Fahrzeuge des Warenverkehrs dürfen die Grenzen weiterhin überqueren. Die an Baden-Württemberg grenzende französische Region Grand Est (Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne) gilt als Risikogebiet.
"Absolute Notsituation"
Für die Schulen und Kindergärten sprach Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kurz vor der landesweiten wochenlangen Zwangsschließung der Einrichtungen von einer absoluten Notsituation. "Das gab's so noch nie. Auf so was kann man sich auch nicht allumfassend vorbereiten." Jeder müsse seinen Teil beitragen.
Sie setzt in der Zeit ohne Unterricht und Betreuung auch auf digitale Lernangebote. Sie vertraue darauf, dass von den Schulen Übungen digital an die Schüler weitergegeben würden, sagte Eisenmann am Montagmorgen im Radioprogramm SWR Aktuell. "Und wenn es irgendwie gar nicht funktioniert, greifen wir vielleicht auch einfach auf die gute, alte Post zurück."
1,6 Millionen Eltern ohne Kinderbetreuung
Bis auf wenige bereits geschlossene Einrichtungen wurde am Montag landesweit zum vorerst letzten Mal in den Schulen unterrichtet und in den Kindergärten betreut. Kinder und Jugendliche sollten nach Angaben des Kultusministeriums Hausaufgaben und wichtige Informationen abholen können. Trotz einer häufig eingerichteten Notbetreuung dürfte die Zwangspause vor allem viele berufstätige Eltern vor Probleme stellen.
Von den Schul- und Kita-Schließungen könnten bis zu 1,6 Millionen Familien und Alleinerziehende mit Kindern betroffen sein. Trotzdem verteidigte die Landesregierung sie als einzig richtige Maßnahme. Auch andere Bundesländer hatten zuvor angekündigt, landesweit alle Schulen und Kindertagesstätten bis Ostern zu schließen.
Besuchsverbot in Gefängnissen
Auch die Justiz schränkt ihren Alltag in den Gerichten und Gefängnissen so weit wie möglich ein. Häftlinge dürfen bis auf Weiteres nicht mehr besucht werden, es werden nur noch wichtige Prozesse verhandelt und die meisten Angestellten und Beamten nach Hause geschickt, wie Justizminister Guido Wolf (CDU) ankündigte. "Es muss sich niemand Sorgen machen. Der Rechtsstaat funktioniert auch in der Krise", versicherte der Minister.