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Karlsruhe: Geiselnahme in Karlsruhe mit fünf Toten: Obduktion erst am Freitag

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Geiselnahme in Karlsruhe mit fünf Toten: Obduktion erst am Freitag

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    Die Opfer starben an Schussverletzungen. Foto: Jan-Philipp Strobel
    Die Opfer starben an Schussverletzungen. Foto: Jan-Philipp Strobel

    Von einer "hochkomplexen Einsatzlage mit erheblicher Eigengefährdung der Beamten" sprach Polizeipräsidentin Hildegard Gerecke bei der Pressekonferenz am Mittwoch, 4. Juli. Am Morgen kam es zu dem schrecklichen Verbrechen, bei dem fünf Menschen starben.

    Zwangsvollstreckung endet in Blutbad

    Bei der Zwangsvollstreckung einer Dachgeschosswohnung im Karlsruher Kanalweg kam es zu dem Verbrechen. Der Bewohner, der Lebengesfährte der Wohnungsbesitzerin, öffnete einem Vollzugsbeamten, einem Schlosser und einem Sozialarbeiter der Stadt Karlsruhe noch unbewaffnet die Tür und bat die Männer herein. Das teilten der leitende Polizeidirektor Roland Lay und der leitende Staatsanwalt Gunter Spitz mit.

    Als diese nach der Aufforderung des Täters im Wohnzimmer nicht Platz nehmen wollten, ging der 53-jährige Täter in ein Nebenzimmer und eröffnete dann das Feuer auf den Gerichtsvollzieher. Zwei Schüsse trafen den 47-jährigen Familienvater im Oberschenkel. In der Folge forderte der Bewohner den Schlosser auf, die beiden anderen Geiseln mit Kabelbinder auf dem Rücken zu fesseln und sie auf das Sofa zu setzen. Als der Geiselnehmer schließlich den Schlosser fesseln wollte, versuchte der 33-jährige Schlosser die Waffe zu entreißen.

    Notruf erreichte Polizei um 8.55 Uhr

    Der Versuch blieb erfolglos und der Mann wurde durch vier oder fünf Schüsse in den Kopf- und Brustbereich schwerstverletzt, so Lay weiter. Das Opfer blieb vor dem Sofa liegen, dem Aufruf einen Notarzt zu rufen kam der Täter nicht nach. Zirka 40 Minuten später gab der Bewohner dem Sozialarbeiter die Genehmigung, die Wohnung zu verlassen und zeigte ihm dabei seine schwere Bewaffnung. Zuvor klingelte der neue Wohnungsbesitzer und geriet ebenfalls in die Fänge des Geiselnehmers. Beim Verlassen der Wohnung vernahm der Sozialarbeiter fünf weitere Schüsse. Die Obduktion soll nun ergeben, ob die Opfer bereits um diese Uhrzeit getötet wurden.

    Der Sozialarbeiter alarmierte dann um 8.55 Uhr die Polizei und berichtete von zwei Handgranaten, einer Langwaffe und einer Faustfeuerwaffe, die der Täter bei sich trug. Später fanden die Beamten eine Übungsgranate, zwei Pistolen, eine Schrotflinte, ein Gewehr mit langem Magazin sowie reichlich Munition. Die Polizei Karlsruhe mobilisierte sofort zahlreiche Einsatzkräfte. Zudem wurden alle einsatzbereiten Sondereinsatzkräfte (SEK) des Landes nach Karlsruhe beordert. Als die Kräfte des SEK einsatzbereit waren, gegen 11.45 Uhr, vernahmen die Beamten vor Ort Brandgeruch aus der Wohnung. Um 11.48 Uhr erfolgte dann der Zugriff mit Sprengmitteln auf die Wohnung. Die Wohnung war bereits verraucht, der Geiselnehmer hatte den Teppich in Brand gesetzt.

    Obduktion soll zeitnah starten

    "Als die Beamten in die Wohnung kamen, waren alle fünf Opfer bereits tot, es gab keinen Waffeneinsatz der Polizei", sagte Staatsanwalt Spitz. Vor Ort muss sich für die Einsatzkräfte ein furchtbares Bild geboten haben: Der 33-jährige Schlosser lag Tod auf dem Boden, der Gerichtsvollzieher und der neue Wohnungsbesitzer wurden mit Kopfschüssen und den Händen auf dem Rücken aufgefunden. "Die Opfer wurden regelrecht hingerichtet", so Spitz weiter. In einer zweiten Besichtigung der Wohnung, nachdem der Rauch abgezogen war, wurde eine weitere Person tot aufgefunden: die 55-jährige ehemalige Wohnungseigentümerin und Lebensgefährtin des Geiselnehmers. Sie wurde durch einen aufgesetzten Brustschuss getötet.

    Der Täter nahm sich durch einen Schuss mit einer Schrotflinte das Leben. Ob die Frau bereits vor dem Eintreffen der Opfer tot war, soll nun die Obduktion in der Rechtsmedizin Heidelberg ergeben, die bereits am Donnerstagvormittag anlaufen soll. Der Gerichtsvollzieher und der Schlosser mit türkischer Abstammung waren Familienväter. Besonders tragisch - der 33-jährige Schlosser erwartete sein zweites Kind. Der neue Wohnungsbesitzer war 49 Jahre alt. Für die Bevölkerung soll zu keiner Zeit Gefahr bestanden haben. Der Sozialarbeiter befindet sich derzeit in psychologischer Behandlung.

    Opfer waren auf solche Gewalteskalation nicht eingestellt

    Nach den Zeugenaussagen des Sozialarbeiters soll der Täter alkoholisiert gewesen und während der Geiselnahme öfter in die Küche gegangen sein, um Bier zu trinken. Die Polizei geht davon aus, dass die Waffen auf illegale Weise in die Hände des Täters geraten sind - bei der Waffenbehörde liegen keine Erkenntnisse über den 53-Jährigen vor. Polizeilich war er jedoch bekannt: Vor einigen Jahren wurde er wegen eines Überfalls mit Besitz einer Waffe verurteilt worden.

    Der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) teilte mit, dass der mutmaßliche Täter kein Jäger war: Er war weder bei der Waffen- noch bei der Jagdbehörde in Frankreich oder Deutschland gemeldet und besaß keinen Europäischen Feuerwaffenpass, hieß es in einer Mitteilung. Demnach handelt es sich wahrscheinlich um einen illegalen Waffenbesitzer. Auch hat der Mann wohl keine Jagdwaffen besessen.

    Zu der Räumung der Wohnung der derzeit erwerbslosen Frau und ihres seit längerem arbeitslosen Lebensgefährten kam es nach Aussagen des Oberbürgermeisters Heinz Fenrich, da die Frau mit Zahlungen im Rückstand war. Zum 25. April wurde die Wohnung dann zwangsversteigert. Jegliche Versuche, mit den Bewohnern in Kontakt zu treten, sollen gescheitert sein. "Auf eine solche Situation waren die Opfer nicht eingestellt, es gab keine Indizien auf eine solche Gewalteskalation", waren sich Spitz und die Beamten einig. Amtshilfe durch Begleitung von Polizeibeamten bei der Zwangsräumung wurde nicht angefordert.

    OB Fenrich bestürzt über Geiseldrama

    Nach derzeitigem Ermittlungsstand gehen die Ermittler davon aus, dass der Geiselnehmer seine Tat geplant hat. Das zeige die umfangreiche Auswahl an Waffen sowie der verwendete Kabelbinder. Auslöser soll die Zwangsräumung der Wohnung im Kanalweg 115 sein. Wie bei solchen Räumungen üblich, war ein Gerichtsvollzieher sowie ein Schlosser vor Ort. Zusätzlich schickte die Stadt Karlsruhe einen Sozialarbeiter "als zusätzliche freiwillige Hilfeleistung für die Betroffenen", wie OB Fenrich mitteilte.

    Fenrich zeigte sich sichtlich bestürzt über das Verbrechen in der Fächerstadt. Er sprach den Angehörigen sein tiefstes Mitgefühl auf. Die Stadt werde in Zusammenarbeit mit der Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen, wie und wo mehr Sicherheit eingebaut werden könne - auch wenn es eine hundertprozentige Sicherheit nie geben werde. Er dankte zudem den Einsatzkräften und der Leitung für die gute Zusammenarbeit. Auch Gerecke und Spitz lobten den hochprofessionellen Polizeieinsatz.

    Aktualisierung Donnerstag, 10.30 Uhr

    Wie die Karlsruher Polizei soeben gegenüber ka-news bestätigt hat, wurde die Obduktion auf Freitag verschoben. Die Polizei geht derzeit den Zeugenaussagen der Nachbarn und Anwohner nach, nach denen bereits am Dienstag mindestens ein Schuss vernommen wurde. Inzwischen ist klar, dass der Täter Franzose war. Der Kontakt zu den französischen Behörden wurde hergestellt, so die Polizei weiter. Die kriminaltechnischen Maßnahmen am Tatort dauern an.

    Lesen Sie hier die Chronologie der tragischen Ereignisse im ka-news-Ticker.

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