"Man darf Kinder nicht erst in den Brunnen fallen lassen, sondern sie sollen vorher lernen, auf sich selbst aufzupassen", sagte Dr. Björn Hagen, Geschäftsführer des EREV am Dienstag auf einer Pressekonferenz zu der Tagung. Den Jugendlichen sollen wieder Perspektiven gegeben werden, sie sollen wissen, dass sie etwas leisten können und gewollt sind. Es ist kaum zu fassen dass Eltern, wie die eines neunjährigen Jungen aus Bretten, kein Interesse an ihren Kindern zeigen. Er möchte etwas Besonderes sein, weiß Jochen Röckle, Leiter dieser Jugendhilfeeinrichtung Hohberghaus in Bretten.
Fälle wie dieser hätten auch zum Selbstmord einer 16-jährigen Jugendlichen geführt, die in ihrem Abschiedsbrief erklärte, dass sie sich nur die Liebe ihrer Eltern gewünscht habe, ohne die sie keine Perspektive mehr hätte. Diesen Fällen will die EREV, vor allem mit Elternbetreuung und Begleitung des Jugendlichen durch sein Leben, entgegenwirken.
Auch "Ausrastern" wie in Winnenden und Sankt Augustin, könnte vorgebeugt werden. "Bei solchen Auffälligkeiten ist es ja meistens schon zu spät", erklärt Wilfried Knorr, Vorsitzender des EREV Deutschland. Er fordert deshalb, dass die gesamte Lebensspanne bis zum Alter von achzehn Jahren in den Blick der Politiker und des Bundesfamilienministeriums genommen wird. Schon Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren zeigen, laut Jochen Röckle, Auffälligkeiten.
Er habe in kürzester Zeit 35 Anträge zur Übernahme von Kindern in diesem Alter auf die Sonderschule seiner Einrichtung erhalten. Geplant sei ein spezielles "Kinderhaus" welches die jüngeren Fälle gesondert behandelt. "Doch, wir erreichen nicht alle Kinder und Jugendlichen", gesteht Winfried Knorr.
"Alle stehen drum herum, aber keiner kümmert sich"
Um das zu ändern sei es zwingend notwendig, zwischen den Systemen Schule und Kindergarten, Justiz, Psychiatrie und Jugendhilfe mehr Durchlässigkeit entstehen zu lassen um Probleme früh erkennen zu können. Nur so könne effektive Familienhilfe angeboten werden, denn häufig seien die Eltern überfordert oder die Kinder fühlten sich in der Welt nicht akzeptiert.
"Alle stehen drum herum, aber keiner kümmert sich", erkennt Jürgen Rollin, Kirchenrat, Vorstandsmitglied des EREV und Vorstand im Diakonischen Werk Baden, und möchte die Zivilgesellschaft zur Mitarbeit animieren. In den letzten Jahren habe die Nachfrage nach erzieherischen Maßnahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe um 40 Prozent zugenommen, so der Kirchenrat.
Trotz dieser Entwicklung sinken, laut Rollin, die stationären Betreuungsangebote, es würden immer weniger Plätze vergeben. Leider sei Baden-Württemberg in dieser Entwicklung, gemeinsam mit Bayern, führend in Deutschland.
Das liege, so Knorr, an dem "dogmatischen Automatismus", die ambulante Versorgung der stationären vorauszuschicken, auch wenn das nicht in jedem Fall der richtige Weg, aber meist der kostengünstigere, sei. Außerdem habe sich die Aufenthaltsdauer der Jugendlichen in den Heimen häufig von zwei auf ein Jahr verringert. "Weitere Kürzungen sind im System der Jugendhilfe nicht mehr zu verkraften", meint Rollin, der befürchtet dass aufgrund der Konjunktur nun am "falschen Ende" gespart werde. Die Investition in die Jugendhilfe als eine Haushaltslast zu sehen, würde, laut Knorr, in die falsche Richtung weisen.