Auf rein freiwilliger Basis ist es seit dem 1. Juli dieses Jahres möglich, in sozialen Einrichtungen für ein Taschengeld zu arbeiten. Im Gegensatz zum bisherigen Zivildienst und dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) sollen nun auch ältere Bürger die Möglichkeit haben sich zu engagieren.
Jörg Biermann, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kreisverband Karlsruhe, sagte auf Nachfrage von ka-news, dass er in der Freiwilligkeit des Dienstes ein Problem sehe. So seien beim DRK Karlsruhe die Bewerberzahlen um 90 Prozent zurückgegangen. Nicht nur, dass sich keine "Bufdis" (Bundesfreiwilligendienstleistende) melden würden, auch die Bewerbungen für das FSJ seinen dramatisch zurückgegangen.
Soziales Jahr bedeute einen immensen Nachteil gegenüber Gleichaltrigen
Genau wie das DRK hat die Individuelle Schwerbehindertenförderung (ISB) Karlsruhe mit einem Mangel an Freiwilligen zu kämpfen. Der Geschäftsführer der ISB Karlsruhe Hubert König erklärt gegenüber ka-news: "Wir haben deshalb Engpässe, weil der Zivildienst einen gewissen Zwang bedeutete. Der Freiwilligendienst ist dagegen offen für jeden."
Die Bewerbungen im Städtischen Klinikum Karlsruhe seien nur noch ein Bruchteil von den alten Zahlen, erklärte Pflegedirektor Josef Hug. Mittelfristig sei es nötig, ein soziales Pflichtjahr in Deutschland einzuführen, sagte der Pflegedirektor. "Wir leben in einer Gesellschaft, in der man so schnell wie möglich, so viel es geht, erreichen muss." Da bedeute ein soziales Jahr einen immensen Nachteil gegenüber Gleichaltrigen.
Engpässe werden durch Arbeitsplätze aufgefangen
Hanno Schäfer, Pressereferent des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), bestätigte im Gespräch mit ka-news, dass die Freiwilligenzahlen zurückgegangen seien. Er sagte auch, dass der BFD nicht das leisten könne und auch nicht werde, was der Zivildienst leistete. Ein soziales Pflichtjahr sei verfassungsrechtlich nicht möglich. "Der Zivildienst hing an der Wehrpflicht. Mit der Abschaffung Wehrpflicht wurde der Zivildienst abgeschafft." Man könne aber nun rechtlich keinen sozialen Zwangsdienst einführen.
Die Engpässe, die beim DRK durch den Wegfall des Zivildienstes entstanden sind seien groß. Vorher leisteten 40 bis 50 junge Menschen ein FSJ beim DRK Karlsruhe nun sind es nur noch 15 Freiwillige. Die Knappheit an Freiwilligen gleicht das DRK Karlsruhe nun mit Zeitverträgen und 400 Euro Jobs aus. Denn Dauerbesetzen sei zu riskant, da die Möglichkeit bestünde, dass sich wieder mehr Menschen für den Freiwilligendienst interessieren.
"Der Zivildienst sollte immer arbeitsmarktneutral sein"
Um dennoch nicht ganz ohne helfende Hände auszukommen, hat die ISB ebenfalls "den ein oder anderen Platz mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten" besetzt, so König. Dies bedeute allerdings höhere Kosten für diejenigen, die den Dienst in Anspruch nehmen. Damit seien, dann auch die Sozialkassen höher belastet. Seit dem Wegfall der Zivildienstleistenden hat auch das Klinikum zehn Vollzeitkräfte im Patientenbegleitservice eingestellt.
Das Bundesministerium kommentiert die Neueinstellung in den Einsatzstellen wie folgt: "Der Zivildienst sollte immer arbeitsmarktneutral sein." Das heißt die Zivildienstleistenden sollten zwar unterstützen, aber ohne sie müsste theoretisch ein reibungsloser Ablauf in den Einsatzstellen möglich sein. "Der Zivildienst hinterlässt zwar eine Lücke, es wird aber keinen Zusammenbruch der Sozialdienste geben."
Städtisches Klinikum leistet Kindergeld in Vorlage
Ein weiterer Grund für das Ausbleiben der Bewerber seien, die Unklarheiten bei der Kindergeldzahlungen. Da zunächst nicht vorgesehen war, dass die "Bufdis" Kindergeld erhalten, gibt es diesbezüglich noch keinen Gesetzesbeschluss. Die Freiwilligen hätten zwar einen Anspruch auf Kindergeld, das Geld erhielten sie allerdings erst ab dem Jahr 2012 rückwirkend, erklärte die ISB. Deshalb entschieden sich viele für das FSJ, da dort die Kindergeldzahlungen geregelt seien.
Der Pflegedirektor des Städtischen Klinikums sagte zur Kindergeldregelung: "Wir leisten das Kindergeld für die 'Bufdis' in Vorlage, das haben wir mit der Arbeitsagentur so abgesprochen." Das heißt für die Bufdis beim Städtischen Klinikum: sie erhalten sofort Kindergeld. Auch das BMFSFJ schlägt ein solches Vorgehen vor, um die jungen Leute nicht wegen des Kindergeldes abzuschrecken.
Gesetzesänderung für das Kindergeld ist auf den Weg gebracht
Zwar gebe es noch keinen konkreten Gesetzesbeschluss für die Zahlungen des Kindergeldes, aber es sei "erklärter politischer Wille Kindergeld im Bundesfreiwilligendiensts auszuzahlen", kommentierte das BMFSFJ. Das Finanzministerium sei für das Kindergeld zuständig. Es habe eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht und Anfang November werde das Gesetz beschlossen. "Von da an haben die 'Bufdis' Anspruch auf Kindergeld. Diejenigen, die jetzt schon ihren Dienst leisten, bekommen es rückwirkend ausbezahlt.", so Schäfer.
ka-news wollte vom BMFSFJ wissen, ob nicht schon beim Gesetzesbeschluss das Kindergeld mit einbezogen werden konnte. Dies sei auf Grund der Schnelligkeit, mit der das Gesetz beschlossen werden musste, nicht möglich gewesen, so der Pressereferent des Ministeriums. Für die Kindergeldzahlungen hätte auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen müssen, dies hätte zur Folge gehabt, dass es länger gedauert hätte, das Gesetz auf den Weg zu bringen.
Das Städtische Klinikum fühlt sich mit dem Gesetzesbeschluss allein gelassen. "Es eine kaum wahrnehmbare Imagekampagne. Dabei wurde angekündigt, dass der Bundesfreiwilligendienst groß beworben wird", sagte der Pflegedirektor. Da das Gesetz erst im April beschlossen wurde konnte erst zwei Wochen später die Imagekampagne starten. "Da dies ein neuer Dienst ist, muss sich das Ganze erst mal finden", sagte Schäfer. Außerdem könne die bundesweite Kampagne nicht Werbung für eine Einsatzstelle in Karlsruhe machen. Dafür sei jeden Einsatzstelle selbst in der Verantwortung.
Deswegen mobilisiere die ISB ihre "letzte Reserve", indem sie Werbeanzeigen schalte. Um doch noch Menschen für die freiwillige Arbeit zu interessieren. Hoffnungen setzen die Einsatzstellen auf den Doppeljahrgang im nächsten Jahr. Dann werden die letzten Abiturienten des G9 und die ersten Schüler des G8 gleichzeitig die Schule verlassen. Das DRK Karlsruhe denkt, dass sich dann wieder mehr junge Menschen für die freiwillige Arbeit bewerben. Da die Hochschulen wahrscheinlich die Menge an Bewerbern nicht aufnehmen können.