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Karlsruhe: Forensische Ambulanz Baden: Opferschutz hat Vorrang

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Forensische Ambulanz Baden: Opferschutz hat Vorrang

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    (Symbolbild)
    (Symbolbild) Foto: ka-news

    "Das besondere an unserer Einrichtung ist die Zielsetzung. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Opferschutz. Deshalb weisen wir auch Therapiewillige, bei denen kein Rückfallrisiko besteht, zurück", so Klaus Böhm von BIOS im Rahmen einer Pressekonferenz. Die meisten Patienten säßen in Haft oder seien mit günstiger Prognose entlassen worden. "Bei den Gefängnisinsassen findet die Therapie vor Ort statt. Anders wäre das gar nicht möglich. Wir unterstützen damit auch die Anstalten, die gar nicht genug Fachleute haben."

    Zwölf Prozent der behandelten Fälle hätten Bewährungsstrafen erhalten. "So gab es einen Fall, da bekam ein Mann ein Jahr Haft auf Bewährung, weil er Kinderpornos aus dem Internet herunter geladen hatte. Als Auflage bekam er den Besuch einer Therapie. Schon in der ersten Sitzung wurde klar, dass sie dringend notwendig war", so Böhm.

    Sprechstunden für "Tatgeneigte"

    Doch schnell habe sich herausgestellt, dass allein auf diese Weise effektiver Opferschutz nicht möglich sei. "Man kann nicht einfach nur warten, bis jemand eine Straftat begeht, um ihn dann zu therapieren. Man muss früher ansetzen", so Böhm. Einzelne seien noch nicht straffällig geworden, fürchteten aber, dass sie es werden könnten. In manchen Fällen denken auch andere, dass jemand straffällig werden könnte.

    "Solche 'Tatgeneigten' können sich telefonisch melden und anonym einen Termin ausmachen. Wir haben hierfür extra Sprechstunden. Dann wird entschieden, ob die Notwendigkeit einer Behandlung besteht. Aber auch Sozialträger wie die Caritas melden sich bei uns, wenn sie in Gesprächen feststellen, dass ein Risiko besteht", erläutert Böhm.

    "Gestern hatten wir einen Fall, da hat sich jemand bei der Telefonseelsorge gemeldet. Die hat ihn dann an uns weitervermittelt", fügt Diplom-Psychotherapeut Markus Klein hinzu.

    "Zunächst haben wir dieses Programm nicht publik gemacht, da wir uns wegen der Finanzierung unsicher waren", so Böhm. Trotzdem habe man in diesem Bereich bereits sieben Patienten. Eine Therapie koste im Durchschnitt 6.000 Euro. Bei bereits straffällig Gewordenen springe hier der von Baden-Württemberg mit Haushaltsmitteln ausgestattete "Fonds Psychotherapie und Bewährung", das Land selbst oder das Psychiatrische Zentrum Nordbaden in Wiesloch ein. Bei den "Tatgeneigten" sei die Finanzierung dagegen unklar. Eine Spende der baden-württembergischen Justiz ermögliche nun die Fortsetzung des Programms für diese Patientengruppe für ein weiteres Jahr.

    "Opferschutz im Strafrecht stärken"

    Da die Polizei auch oft nicht wisse, was sie mit den Opfern tun solle, biete die Forensische Ambulanz nun auch Therapien für diese an - allerdings nur für akute Fälle zur Überbrückung. Freie Psychotherapeuten hätten sehr oft lange Wartezeiten, während ein Opfer sofort Hilfe benötige. Um zu verhindern, dass Täter und Opfer auf ein und dem selben Stuhl sitzen, gebe es eigens Opferzimmer.

    Ein besonderes Anliegen sei BIOS aber auch die Rechtslage in Deutschland. "Bisher steht die Schuldfrage im Fokus des deutschen Strafrechts, nicht der Opferschutz", so Böhm, der selbst Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe ist. Dies sei in der Schweiz ganz anders.

    Dem stimmt Astrid Rossegger vom Justizvollzug des Kanton Zürich zu: "In Deutschland ist  die Feststellung der Schuldfähigkeit geradezu ein Hinderungsgrund für eine Therapie." In Zürich, so Rossegger weiter, liege bei nahezu 100 Prozent aller Sexualstraftäter Sachverständigengutachten vor. In Deutschland, so Böhm, läge der Anteil dagegen lediglich bei 10,9 Prozent.

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