Am Sonntag stürzte ein Kleinflugzeug unmittelbar nach dem Start vom Flugplatz Rheinstetten-Forchheim in ein nahegelegenes Waldgebiet. Die beiden Insassen - zwei Brüder - überleben den Unfall nicht. Warum das Ultraleichtflugzeug abgestürzt ist, ist noch unklar. Hinweise auf ein technisches Versagen liegen laut Polizei und Staatsanwalt bisher nicht vor.
"Jede gebrochene Schraube hat irgendjemand mal in einem Flugzeug eingebaut"
"Aber technisches Versagen ist immer auch ein Stück menschliches Versagen, da bei etwa der Produktion der Flugzeugteile Menschen involviert sind", sagt Germout Freitag. Er ist Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), die sich Fällen wie dem in Rheinstetten annehmen, um die wichtigste Frage im Rahmen der Ermittlungen zu klären: Wie konnte es zu dem Unfall kommen?
"Jede gebrochene Schraube hat irgendjemand mal in einem Flugzeug eingebaut. Die Gründe für so einen Absturz sind daher millionenfach, eine Statistik gibt es nicht. Auch wenn der Mensch immer irgendwie beteiligt ist: Man kann nicht pauschal den Piloten, den Lotsen oder den Flugzeughersteller über einen Kamm scheren", meint Freitag im Gespräch mit ka-news.de.
Ältere Piloten sind häufiger an Unfällen beteiligt
Der Unfall des Ultraleichtflugzeugs nahe Rheinstetten ist der dritte seiner Art, der sich innerhalb von rund drei Jahren in der Umgebung um Karlsruhe ereignet hat: Im Januar 2018 stießen bei Oberhausen-Rheinhausen im nördlichen Landkreis Karlsruhe ein Kleinflugzeug und ein Rettungshubschrauber zusammen, vier Personen starben. Im Juli 2019 stürzte ein Kleinflugzeug in den Lagerbereich eines Bruchsaler Baumarktes. Dabei kamen alle drei Insassen ums Leben.
Beim Vergleich der Unglücke fällt auf: Alle Piloten waren 60 Jahre alt oder älter. Hängt das mit den Unfällen zusammen? "Das Alter spielt für uns keine Rolle, da jeder Pilot - anders wie beim Autofahren - unabhängig seines Alters regelmäßig seinen Flugführerschein und seine gesundheitliche Tauglichkeit überprüfen lassen muss", erklärt Germout Freitag.
Dass häufiger etwas ältere Piloten in Unfälle verwickelt sind, falle statistisch zwar auf, Freitag erklärt das aber mit dem Hobby des Fliegens an sich: "Sport- oder Freizeitflieger wird nur, wer sich das kostspielige Hobby leisten kann - das sind vornehmlich ältere und finanziell gefestigte Menschen", sagt der BFU-Sprecher.
Kleine Flugzeuge sind nicht automatisch gefährlicher
Auch eine möglicherweise mangelhafte Ausbildung sei seines Erachtens nicht für solche Unfälle verantwortlich zu machen. "Die Ausbildung für Verkehrspiloten ist zwar mannigfaltiger, das heißt aber nicht, dass Freizeitflieger deshalb schlechter sind", so Freitag gegenüber ka-news.de. Vor allem die Erfahrung spiele beim Fliegen eine Rolle - "und gerade, wenn man das als Hobby betreibt, das einem Spaß machen soll, setzt man alles daran, darin gut zu sein".

Daher könne man auch nicht behaupten, dass kleinere Flugzeuge oder Segelflieger generell gefährlicher oder ungefährlicher sind als große Verkehrsmaschinen - auch, wenn es sich bei den drei Unfällen rund um Karlsruhe jedes Mal um ein Kleinflugzeug gehandelt hat. "Kleine Flugzeugtypen werden einfach häufiger zugelassen und starten und landen am Tag öfter als große", meint der Flugunfall-Experte.
BFU will Risiko für Unfälle minimieren
Was bei dem Unfall nahe Rheinstetten letztendlich die Ursache war, wird durch Germout Freitags Kollegen der BFU nun untersucht. Dafür sammeln die Experten am Unfallort Informationen über den möglichen Hergang - durch Fotos, Zeugenaussagen und die Obduktion der Leichen. Gegen Ende September legen die Untersucher dann einen Zwischenbericht mit allen gesammelten Daten vor. "Dann beginnt die eigentliche Analyse nach der Ursache - quasi Kriminalarbeit", so Freitag.
Darin müssen die Untersucher am Ende zum einen beweisen können, wie der Unfall zustande gekommen ist und zum anderen eine Empfehlung abgeben, wie solche Unfälle in Zukunft verhindert werden können. "Indem wir beispielsweise sagen, diese Schraube ist nicht sicher genug, die darf nicht mehr verbaut werden, versuchen wir das Risiko immer ein Stück weit zu minimieren", sagt Germout Freitag.
Leichen an der Absturzstelle - "solche Bilder brennen sich ein"
Dabei können die Ermittler der BFU aber auch an ihre psychischen Grenzen kommen: "Bei der Untersuchung der Unfallstelle vor Ort werden wir auch mit den Leichen konfrontiert - solche Bilder brennen sich ein und sind für unsere Untersucher - hauptsächlich gelernte Ingenieure und Piloten - eine große psychische Belastung." Auch der Umgang mit den Angehörigen brauche man "Nerven aus Drahtseilen" - die Untersucher können sich daher immer auch Hilfe bei BFU-internen Seelsorgern suchen.

Von solchen Schilderungen Angst machen lassen muss sich laut Germout Freitag aber niemand. "Wir haben Millionen Flugbewegungen pro Tag und hatten 2019 in Deutschland 19 tödliche Unfälle mit Kleinflugzeugen und anderen leichten Luftsportgeräten." In Relation gesetzt sei diese Zahl doch sehr gering - "auch wenn natürlich jeder Tote einer zu viel ist".
Aufklärung des Unfalls kann Jahre dauern
Bis der Unfall bei Rheinstetten endgültig aufgeklärt ist, kann es noch eine Weile dauern. Der Grund: Bei kleinen Flugzeugen fehlen oft Aufzeichnungsgeräte wie eine sogenannte Blackbox, die den Unfallhergang genau dokumentiert - das macht es den Ermittlern der BFU schwerer. "Das geht von Wochen über Monate bis hin zu drei bis sechs Jahren", sagt Freitag. Dennoch ist er zuversichtlich: "Bisher haben wir noch jeden Unfall aufklären können."
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