ka-news: Die Taunus BKK führt seit dem Jahr 2001 Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung durch. Wie und warum kam es zur Zusammenarbeit Taunus BKK und IfSS?
Hans Steiner: Ich denke, es waren zwei Gründe. Zum einen war hier mal eine Studentin, die bei uns als Hilfskraft im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung gearbeitet und Erfahrungen gesammelt hat. Sie war dann bei der BKK auch verantwortlich für die betriebliche Gesundheitsförderung und hat sich dessen erinnert. Da das Sportinstitut schon lange auf dem Gebiet tätig war, kamen zwei Dinge zusammen. Seit dem Zeitpunkt haben wir dann kontinuierlich bei der betrieblichen Gesundheitsförderung der BKK mitgearbeitet.
ka-news: Wie kommt das Thema "Betriebliche Gesundheitsförderung" bei den Betrieben im allgemeinen an? Besteht großes Interesse oder Skepsis?
Steiner: Ich denke, man muss unterscheiden zwischen Großbetrieben, die zum Teil auch die Möglichkeit haben, die betriebliche Gesundheitsförderung von innen her zu organisieren, und mittleren und kleineren Betrieben. Bei den Großbetrieben ist die betriebliche Gesundheitsförderung mittlerweile Standard geworden, in welcher Form auch immer, sie ist Bestandteil der Organisation. Man spricht heute auch von Gesundheitsmanagement, das heißt, dass auch die Führungsebene bei der Gesundheitsförderung miteingeschaltet ist. Bei den mittleren und kleinen Betrieben ist die betriebliche Gesundheitsförderung sicher noch in Zukunft ein Thema, weil sie hier wesentlich schwieriger zu organisieren ist und Angebote schwieriger zu platzieren sind. Da muss sicherlich noch Einiges passieren.
ka-news:
Im Fokus der Projekte standen und stehen Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Wie sieht die Realität an Hand der Forschungsprojekte diesbezüglich aus? Erschreckende oder zuversichtliche Ergebnisse beim Gesundheitscheck?
Steiner: Also zunächst mal sind es zwei klassische Säulen der Gesundheitsförderung: Ernährung und Bewegung. Es käme vielleicht noch die psychologische Komponente als Dritte hinzu. Was die Akzeptanz angeht, muss man sagen, dass das Interesse immer sehr groß ist, sogar größer geworden ist, weil in der Öffentlichkeit auch viel geschieht in Sachen Gesundheitsförderung. Da will man halt auch wissen, was man innerhalb der betrieblichen Struktur tun kann. Was die Realität bezüglich der Ergebnisse angeht, kann man feststellen, dass da doch großer Nachholbedarf besteht, mit den Möglichkeiten auch vor Ort etwas zu tun. Ernährung ist eine Frage, wie die jeweilige Verpflegungssituation aussieht. Die sieht in der Regel sehr unterschiedlich aus. Es gibt immer mehr Betriebe, die wirklich was tun und bei anderen herrscht noch "Mittelalter". Man kann eine Menge an Beratungen durchführen. In Sachen Bewegung sind es immer die klassischen Bewegungsdefizite, die hier auftauchen, beispielsweise beim ständigen Sitzen oder Stehen am Arbeitsplatz. In den Köpfen ist noch wenig drin, was man ausgleichsweise tun kann. Vor allen Dingen auch über die Betriebe hinaus, etwa im Bereich des Sports oder gezieltere Maßnahmen bei Rückenproblemen. Es wird zwar schon viel über das Thema gesagt und geschrieben, aber es ist noch eine Unmenge an Arbeit, die vor uns steht.
ka-news: Was sind die allgemeinen Ziele der Forschungsprojekte? Reicht eine Aufklärung? Anfängliche Euphorie beispielsweise bei einer Ernährungsumstellung verschwindet leicht wieder...
Steiner: Die Projekte sind so organisiert, dass die Aufklärung ein Teil davon ist. Es wird auch Diagnose betrieben, also medizinische Untersuchungen beispielsweise. Dann gehören Maßnahmen dazu, einmal im Sinne der Vermittlung in professionelle Hände, also dass Betroffene zum Arzt geschickt werden oder dass Bewegungsmöglichkeiten eröffnet werden. Außerdem ist es in den Projekten vorgesehen, dass eine Wiederholungsuntersuchung durchgeführt wird, um zu kontrollieren, inwieweit gewisse Dinge angeschlagen haben. Das Ganze wird wissenschaftlich untersucht und entsprechend publiziert. Es ist eine runde Sache, ein in sich geschlossenes Konzept.
ka-news: Was sind die Aufgaben des Sportinstituts bei diesen Projekten?
Steiner: Wir haben grob gesehen zwei Hauptaufgaben. Die Eine ist, dass wir in Sachen Bewegung die Experten sind und in allen Phasen der Projekte beraten und Einfluss nehmen. Die zweite Aufgabe ist die wissenschaftliche Evaluierung. Das ist bei uns ein Standard, dass wir empirisch arbeiten. So sind wir in der Lage, die Ergebnisse entsprechend aufzuarbeiten.
ka-news:
Welche Rolle spielt Betriebssport bei der betrieblichen Gesundheitsförderung?
Steiner: Insgesamt gesehen natürlich eine große Rolle, auch wenn der Betriebssport innerhalb der Organisation nicht überall die Bedeutung bekommen hat, wie das aus meiner Sicht sein müsste. Dass zum Beispiel das Ganze unter medizinischer Hand geführt wird. Der Sport wird hier ein bisschen an den Rand gedrängt. Das hängt sehr stark von den entsprechenden Personen ab. Was unser Projekt angeht, da spielt der Betriebssport kaum eine Rolle. Das ist aber ganz leicht zu erklären: Es geht hier immer um kleinere und mittlere Betriebe. Die können es sich in der Regel nicht leisten, einen eigenen Betriebssport einzurichten. Das hängt allein schon von der Zahl der Beschäftigten an diesen jeweiligen Standorten ab. Hier kann man auch wirklich nur auf den Sport außerhalb der Betriebe verweisen und vermitteln.
ka-news: Was kann man denn gezielt unternehmen, wenn man einen Steh- oder Sitzberuf hat? Haben sie einen Literaturtipp? Oder einfache Bewegungstipps für den Arbeitsalltag?
Steiner: Einfach mal die Haltung unterbrechen, etwa beim Sitzen aufstehen. Auch während des Sitzens kann man Einiges tun: Beine strecken oder Arme räkeln. Da gibt es mittlerweile jede Menge an Übungen und auch an Medien, etwa Videos oder CDs. Wir haben selbst eine entwickelt, die speziell für den Computerarbeitsplatz gedacht ist. Ich denke, es ist mittlerweile ein Standard erreicht, an dem es nicht mehr daran liegt, die Übungen zu haben oder zu finden, sondern eigentlich vielmehr daran, wie kann man sie vor Ort anwendet. Das bringt eigene Probleme mit sich, dass manche die Übungen eine Zeit lang tun und dann wieder aufhören. Da stecken eine Menge von Umsetzungsschwierigkeiten hinter.
ka-news: Worum geht es genau im derzeitigen Projekt "Frei Atmen - Vital am Arbeitsplatz"? Was erwarten sie bezüglich der Ergebnisse im nächsten Jahr?
Steiner: Es geht vor allen Dingen um eine der Krankheitsarten, die sehr häufig auftritt. Man kann sagen, dass ein Drittel aller Arbeitsunfähigkeitstage auf Atemwegserkrankungen zurückgehen. Asthma zum Beispiel ist in den Fokus des Gesundheitswesens geraten, weil es eine doch sehr schwere Krankheit ist. Der Hauptgrund in diesem Projekt ist aber, dass man über das Thema Atemwegserkrankungen sehr viele Mitarbeiter erreicht. Sie sind doch ständig davon betroffen. Wir erwarten, und das zeigen erste Ergebnisse, dass eine sehr hohe Beteiligung an dem Projekt zu registrieren sein wird. Das zeichnet sich bereits deutlich im ersten Teil der Untersuchung ab. Es ist viel Aufklärungsarbeit zu betreiben, wie man sich schützt, was man für Maßnahmen im Alltag ergreifen kann. Auch die Betriebe werden bezüglich der Arbeitsbedingungen auf viele Dinge aufmerksam gemacht. Beispielsweise dort, wo klimatische Einflüsse eine Rolle spielen, etwa Klimaanlagen, wo Allergien entstehen können, dass auch hier Einiges geschieht. Aber wir sind da sehr optimistisch.