"Wir kriegen Ärger, aber sch**** drauf!", brüllt Azad Azadpour am Freitagabend in das Mikro der Feldbühne. Es ist kurz nach 23 Uhr, das Unwetter hat Karlsruhe erreicht und Azad von den Verantwortlichen gerade die Information zur Evakuierung des Geländes erhalten. Doch der Frankfurter lässt sich von den Zurufen seines Publikums erweichen und setzt in rebellischer Rapper-Manier noch einen Song drauf. Während sich am Himmel alle Schleusen öffnen, bricht im Publikum der Begeisterungssturm los.
Auch Clueso wurde nass
Immerhin: Azad konnte bis zum Fest-Abbruch über 30 Minuten auf der Bühne performen, seine Musikerkollegen im Bezahl-Bereich hatten weniger Glück. Moop Mama schaffte nur wenige Songs, bis die Veranstalter die Bühne betraten und das Karlsruher Festival aus Sicherheitsgründen vorzeitig beenden mussten. Auf der Feldbühne gab es für diese Entscheidung wenig Verständnis - nach Pfiffen und dem Werfen einiger leerer Bierbecher, folgte das Publikum jedoch der Evakuierungsanweisung und verließ im strömenden Regen ruhig und geordnet das Festgelände.
Ebenfalls komplett durchnässt, aber aus völlig anderen Gründen, ging zuvor Hauptact Clueso nach 1,5 Stunden Show von der Hauptbühne. Bei schwülen 27 Grad beglückte er ab 21 Uhr das Publikum im Hügelbereich der Günther-Klotz-Anlage mit seinem ganz eigenen Mix aus Elektro, Pop, Reggae und sanftem Sprechgesang. Lange bitten musste Thomas Hübner, wie Clueso mit bürgerlichem Namen heißt, sein Publikum nicht. Bereits ab dem zweiten Lied wurde mitgeklatscht, -gesungen und -gewunken.
"Ihr könnt euch ruhig ein bisschen mehr bewegen"
Zum Beben brachte Clueso den Hügel nicht - das dürfte jedoch mehr an den drückenden Temperaturen und weniger an der Perfomance des Künstlers gelegen haben. Im schweissgetränkten T-Shirt und nach einem kurzen Stimmverlust durch ein verschlucktes Insekt, holte Clueso gegen Ende seiner Show nochmal alles aus sich und dem Publikum heraus. "Ihr könnt euch ruhig ein bisschen mehr bewegen", ruft er seinen Zuhörern bei einer neu abgemischten Elektro-Version von "Out of Space" zu.
Bei "Chicago" gab es eine Entstehungsanekdote, wie ihn sein ehemaliger Mitbewohner ermutigte, das Lied zu schreiben. Ansonsten reichte die Setliste quer durch die Clueso-Musikgeschichte. "Keinen Zentimter", "Bleib einfach hier" und "Love the people" waren dort ebenso zu finden wie "Gewinner", bei welchem der Hügel im obligatorischen Handylichtermeer erstrahlte. Bei "Freidrehen" gab es eine sportliche Tanzeinlage: In bester Breakdance-Manier drehte Clueso eine Runde auf dem Bühnenboden.
"Das Fest, ihr seid die Geilsten", bedankte sich Clueso um 22 Uhr bei seinem Publikum. "Ich sage bewusst Fest und nicht Karlsruhe, denn ihr kommt ja nicht alle von hier." Spätestens mit dieser diplomatischen Aussage hatte der Musikkünstler auch das letzte Publikumsherz für sich gewonnen. Gegen 22.30 Uhr verabschiedet sich der Freitags-Hauptact von der Bühne - während am anderen Ende des Festivalgeländes Rapper Azad das Feldbühnen-Mikro in die Hand nimmt.