Etwa die Hälfte der Gesamtfläche der evangelischen Kirche muss reduziert werden. "Das ist eine Riesenaufgabe für die nächsten Jahre", erklärt Jürgen Keller, zuständig für die Projektsteuerung der evangelischen Kirche Karlsruhe. Insgesamt befinden sich 125 Gebäude im Besitz der evangelischen Kirche in der Fächerstadt.
In Kooperation mit der Kirche haben sich nun 13 Masterstudenten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Gedanken über eine alternative Nutzung der Liegenschaften gemacht. Insgesamt wurden sechs der 26 evangelischen Gemeinden in der Fächerstadt für das Projekt ausgewählt: "Matthäus", "Markus", "Paul-Gerhardt", "Knielingen", die Friedensgemeinde Weiherfeld-Dammerstock und die Kirchengemeinde "Rüppurr".
Großes Interesse zu Ausstellungsbeginn
"Die Projekte sind teilweise provokant. Darum haben wir die Studenten aber auch gebeten", sagt Thomas Schalla, Dekan der evangelischen Kirche, am Rande der Präsentation im Architekturschaufenster. Dieses platzte bei der Vernissage aus allen Nähten. Das Interesse der Bürger war groß, viele Gemeindemitglieder sind gekommen. Vor allem diese wurden immer mal wieder zum Kopfschütteln gebracht.

Das lag daran, dass viele Studenten teilweise Abrisse der Gemeindehäuser und Verkleinerungen der Sakralräume in ihren Entwürfen vorgesehen haben. Ein Vorschlag eines Studenten war aber auch die Integration einer Brauerei. "Brauereien in Kirchen führen zu einer Irritation der gesellschaftlichen Wahrnehmung", betont Schalla im Anschluss. Diese Idee schließt er daher eher aus. Mehr Potential habe dafür die Idee der Integration von Kindertagesstätten in den kirchlichen Liegenschaften.
Sozialer Wohnraum in Kirchen war schon häufiger geplant
Anna Grimm, eine der Studenten, die am Projekt beteiligt war, sieht in der Zukunft hingegen eine Integration eines Frauenhauses in der Gemeinde der Markuskirche. "Das ist eine Funktion, die die Kirche haben kann. Denjenigen Schutz bieten, die schutzbedürftig sind", befürwortet Schalla die Idee. "Die Entwürfe, die das Wohnen kombinieren, haben mir auch sehr gut gefallen. Manche Projekte würde ich direkt eins zu eins umsetzen", erklärt Thomas Schalla. "Wenn das nötige Geld vorhanden wäre", fügt er schmunzelnd hinzu.
"Die Tatsache, dass die Kirche sozialen Wohnraum schafft, finde ich wichtig. Aber Wohnraum in Kirchen waren bisher immer Projekte, die gescheitert sind", gibt Jürgen Keller, für die Projektsteuerung der evangelischen Kirche zuständig, zu bedenken.

Wohnen zu integrieren war dennoch ein Teil der Arbeit von Lilly Arnold. Sie möchte in ihrem Entwurf Einzimmerwohnungen in den Gebäuden der Matthäuskirche integrieren. Die Arbeit habe sich teilweise schwierig gestaltet: "Die aktuellen Unterlagen der Gebäude sind nicht gut aufbereitet", nennt sie die Herausforderung ihrer Arbeit.
Immobilien sind momentan die Währung schlechthin
"Die Gemeinden waren ständig mit im Dialog. Die Studierenden waren vor Ort und haben sich die Gegebenheiten betrachtet", sagt Schalla. "Ziel war es eine Nutzung zu finden, die der Kirche entspricht", erklärt die Studentin Anna Grimm die Herangehensweise an ihre Arbeit.
Die Gebäude sollen, wenn möglich, im Besitz der Kirche bleiben. "Verkaufen wäre das Einfachste. Ist aber das Letzte, was wir wollen", stellt der Dekan Thomas Schalla klar. "Immobilien sind momentan die Währung schlechthin. Die Interessenten kreisen um potenzielle Gebäude", ergänzt Ludwig Wappner, Leiter des Fachgebiets Baukonstruktion am KIT, im Rahmen einer Podiumsdiskussion, die im Anschluss an die Vernissage durchgeführt wurde.

Tanzen in der Kirche
"Kirchen sind keine Wohnzimmer, sondern Orte der Begegnung. Die sakrale Bedeutung darf bei einer Zweit- und Drittnutzung nicht verloren gehen", stellt Schalla klar. Wie es gehen könnte, zeigt ein Beispiel aus Mannheim: Die Anwohner rund um die Trinitatiskirche in der Mannheimer Innenstadt sind heute eher nichtchristlicher Herkunft. Der demografische Wandel machte dort das Gotteshaus überflüssig. Nun wird dort das Tanzbein geschwungen. 2015 gab es einen Wettbewerb zur Umnutzung der Kirche. Diesen gewann das Mannheimer Tanzhaus, das seitdem dort ihre Aufführungen präsentiert.
Bei der Vernissage war auch Anke Karmann-Wössner, Leiterin des Stadtplanungsamts Karlsruhe. "Die Kirche muss sich von Liegenschaften trennen. Diese Flächen könnten dann insgesamt für den Wohnungsbau genutzt werden. Gespräche zwischen Stadt und Kirche finden zweimal jährlich statt", sagt sie nach der Veranstaltung gegenüber ka-news. "Wir könnten relativ schnell neue Wohnbauprojekte entwickeln", blickt Karmann-Wössner in die Zukunft.

Wie die Nutzung kaum genutzter kirchlicher Liegenschaften zukünftig dann wirklich aussieht, wird sich zeigen. Bislang handelt es sich bei den Entwürfen der Studenten nur um Idee. Ideen, die bis Mittwoch, 30. Januar, gezeigt werden. Bis dahin läuft die Ausstellung im Architekturschaufenster.
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!