Ralph James, Leiter der Naturschutznotrufbergung Karlsruhe (NNB), formuliert seine Forderung deutlich: "Nicht offensichtlich verletzte oder kranke Igel sollten endlich in Ruhe gelassen werden und nicht zur Hausüberwinterung mitgenommen werden." Die "Bambi-Mentalität" vermeintlicher Igel-Freunde, welche die Tiere nur aufgrund von Mitgefühl und "süßem" Aussehen einsammeln, könne den Tieren erheblich schaden.
Wenn das Herz blutet, sollte man wenigstens für artgerechte Haltung sorgen
Zum einen wären Igel, welche die kalte Jahreszeit von Menschen behütet verbracht haben, schlechter für den darauf folgenden Winter gewappnet und würden die kalten Monate des nächsten Jahres oft nicht überleben. Ausgesetzte Igel müssten sich im Frühjahr auch vielfach nach einem neuen Revier umschauen, da ihr angestammtes Gebiet von einem Artgenossen eingenommen wurde. Häufig würden zudem Igel vom Halter komplett von Parasiten befreit. Wieder in Freiheit erhöhe dies wiederum ihre Anfälligkeit für genau dieses Ungeziefer und die Igel gingen jämmerlich zugrunde, gab James gegenüber ka-news zu bedenken.
Zusammenrechen auf einen Haufen, fertig ist das Igelrevier (Foto: ka-news) |
Volker Hahn vom Amt für Umwelt- und Arbeitsschutz der Stadt Karlsruhe bekräftigt die Aussage, dass eine Hausüberwinterung, beispielsweise im Keller, nicht gut für die Tiere sei. Zum jetzigen Zeitpunkt solle man kleine und scheinbar ausgehungerte "Igel-Kinder" keinesfalls mit nach Hause nehmen, denn sie hätten noch genügend Zeit, ihren Winterspeck anzufressen. Aber Hahn kennt seine Pappenheimer und weiß genau, dass das "Herz eines jeden Bürger blutet", wenn ein kleiner Igel gefunden wird. Wenn die Leute schon das Bedürfnis hätten, einen Igel aufzunehmen, legt er ihnen wenigstens eine artgerechte Haltung ans Herz.
Reisig und Laub machen den Igel schon glücklich
Man könne dem kleinen Tier dann einen Bungalow im Garten bauen, ihn ein wenig mit Katzenfutter oder Speck versorgen, aber dann den Winter über in Ruhe lassen. Außerdem müssen Igel unbedingt einzeln gehalten werden. Die magische 500-Gramm-Grenze, unterhalb der ein Igel als potentiell krank gilt, lässt Hahn auch nur eingeschränkt gelten. Wenn diese Marke zumindest im Oktober oder November immer noch nicht überschritten sei, könne man über eine "Adoption" nachdenken.
Katzenfutter erwünscht, Milchprodukte strikt untersagt (Foto: Tierhilfe Forst) |
James hält die 500 Gramm-Mindestgrenze für völlig hinfällig, da auch schon viele Exemplare weit unterhalb dieses Gewichtes überlebt hätten. Viel wichtiger findet er, im Garten Laub- und Reisighaufen aufzuschütten, um den Igeln ein gutes Versteck zum Überwintern zu bieten. Wirklich kranke oder verletzte Tiere sollten zu Wildtierstationen gebracht und nicht in Tierheimen abgegeben werden.
Die Naturschutznotrufbergung Karlsruhe leitet Notrufe zur Tierrettung an andere Behörden weiter. Rund um die Uhr werden unter 0176/51644879 Notfälle weitergeleitet und Fragen zu Naturschutz und Wildtieren beantwortet. Informationen zum Überwintern von Igeln und Tipps kann man bei der Stadt unter 0721/133-1002 erfragen.
Immer brutaler setzt auch die Natur den Igeln zu
Annette Koop von der Tierhilfe Forst, selbst seit rund 20 Jahren im Dienste der Igel unterwegs, hat jedoch keinerlei Bedenken bezüglich einer übereifrigen Hilfeleistung seitens der Bürger. Nur ein sehr geringer Teil der Tiere werde gesund abgegeben und benötige keine Hilfe, teilte sie ka-news mit. Sie wünscht sich jedoch eine bessere Aufklärung, die meisten Menschen hätten kein fundiertes Wissen über die Igel und ihren natürlichen Lebensraum. "Von Jahr zu Jahr wird es brutaler, was die Verletzungen und Krankheiten der Igel anbetrifft", klagt Koop. Sie schreibt dies auch teilweise dem gewandelten Klima zu, das für Jungtiere nicht wirklich ideal sei.
Verletzte Igel sollten sofort gemeldet werden (Foto: Tierhilfe Forst) |
Die Tierhilfe Forst nimmt auch Igel aus dem Stadtgebiet Karlsruhe auf. Das Einzugsgebiet reicht generell von Ettlingen über Heidelberg bis Landau. In Bretten sei noch eine kleine Auffangstation vorhanden, die allerdings von einem älteren Ehepaar geführt werde und deshalb in der Kapazität eingeschränkt sei. Rund 25 Tiere können dort aufgenommen werden. In Forst kümmert man sich aktuell um etwa 90 Igel. Die Tierhilfe Forst ist unter 07255/7689940 oder der Notrufnummer 0173-8167050 erreichbar.
Einige hilfreiche Tipps, wie kranken und verletzten Tieren begegnet werden kann, erörtert die Tierhilfe folgendermaßen:
- Besonderes Alarmzeichen: Igel dürfen nie am Tag laufen. Als nachtaktives Tier erkennt er zum Beispiel die Gefahren, die von Schmeißfliegen kommen, nicht. Schmeißfliegen legen ihre Eier auf den Igel und sobald die Maden schlüpfen, suchen diese die nächste Körperöffnung oder feuchte Stelle und fressen den Igel bei lebendigem Leib auf. Diese Gefahr besteht für alle Igel, die tagsüber laufen, egal ob Jungtier oder hungriges wohlernährtes Alttier.
- Für Laien schwer zu erkennen sei, ob der 400 Gramm wiegende Igel ein wohlernährter Jungigel oder ein untergewichtiges Alttier ist.
- Igel bekommen nur einmal im Jahr Nachwuchs: Während dem Winterschlaf verlieren die Igel bis zu einem Drittel und mehr ihres Gewichts, bevor es zur Paarung kommt bauen sie zunächst ihren Köper wieder auf. Durch den Klimawandel und die immer schlechteren Wetterbedingungen im Frühjahr und Sommer kommen die Jungen immer später im Jahr zur Welt.
- Der Igel ist ein Kulturfolger, was bedeutet dass sein Lebensraum nicht der Wald sondern in Menschen nähe ist, etwa im Ort, am Ortsrand, an Pferdekoppeln. Es ist wichtig, dass ein Igel nie eingesammelt und im Wald ausgesetzt wird, zumal es sich um ein Muttertier handeln kann, dessen Jungen vergeblich im Nest auf Nahrung warten und dadurch verhungern müssen.
- Todesfallen: Igel können nur kurze Strecken schwimmen. Bei Swimmingpools, Teichen und offenen Wasserstellen sollte immer ein Steg vorhanden sein, den die Igel benutzten können um sich retten zu können. Kellerschächte und Gruben sollten abgedeckt oder eine Aufsteighilfe haben, der Sturz wird durch das Stachelkleid abgedämpft. Meist verhungern die Igel in solchen Schächten, da sie zu spät gefunden werden. Vogelnetze gespannt über Teichanlagen oder Salatbeeten sind heimtückische Fallen: abgebundene Gliedmaßen und ein schmerzhafter elender Tod können die Folge sein.
- Reisighaufen sollten von Hand umgesetzt werden, damit die Igel nicht mit der Gabel aufgespiesst werden.
- Ernährung: Milchprodukte (Kuhmilch, Katzenmilch) sind für Igel tabu, da sie Durchfall bekommen, an dessen Ursache sie verenden. Angeboten werden kann: Katzentrockenfutter, Katzendosenfutter, gebratenes Rinderhackfleisch, manchmal gekochte Eier (und vieles mehr). Ein erwachsener Igel nimmt bis zu 400g Ersatzfutter pro Nacht auf.
- Schwache, unterernährte Igel sollten nie sofort mit "Gift" wie Entwurmungsmittel, Floh- und Zeckenmittel behandelt werden. Viel zu viele Igel sterben parasitenfrei. Nur ein "stabiler" Körper kann das Gift oder Spritzen verarbeiten.
- Igelsäuglinge gehören in erfahrene Hände: Viel zu oft bekommen Tierhilfen im sterben liegende Igelsäuglinge, weil die Finder die Aufzucht selbst ausprobieren wollten. Erst nach Tagen, wenn die Tiere im Sterben liegen, wird der Rat einer Igelstation gesucht.
Die oben genannten Punkte sind nur Anhaltspunkte, wer einen untergewichtigen, unterkühlten, torkelnden oder bei Tage laufenden Igel findet, sollte Rat bei einer Igelstation suchen.