Der Termin geriet in Gefahr, als durch den strengen Winter die Bauarbeiten zum Erliegen kamen. "Ich war gespannt, ob der Termin haltbar ist", gibt Dr. Walter Casazza, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), zu. "Die vor Ort tätigen Beteiligten haben wirklich Erstaunliches geleistet, wenn man bedenkt, unter welch widrigen Wetterbedingungen sie die letzten Wochen arbeiten mussten", lobt er die motivierte Zusammenarbeit mit den einzelnen Unternehmen, die den pünktlichen Start ermöglicht hat.
Sachorientierte Diskussion kam beiden Seiten zugute
Schon im Vorfeld der eigentlichen Bauarbeiten war eine enge Zusammenarbeit von VBK, Stadtwerken, Tiefbauamt und den einzelnen Baufirmen nötig. Im Planfeststellungsverfahren wurden Einwände gesammelt, bewertet und in die Planung miteinbezogen. Die wichtigsten Bedenken wurden in Bezug auf den entstehenden Bau- und Verkehrslärm sowie die notwendige Baumfällaktion laut. Auch die Sanierung des Westlichen Entlastungskanals, der unter der neuen Straßenbahntrasse verläuft, war vonnöten.
Das Großprojekt nimmt Formen an: Die Haltestellen werden bald einsatzbereit sein (Foto: ka-news) |
"Die Bevölkerung hat den Bau positiv aufgenommen", freut sich Casazza. "Auch von erklärten Gegnern des Projekts bekamen wir Lob zur Durchführung zu hören. Insgesamt hat im Austausch mit den betroffenen Anwohnern eine sachorientierte Diskussion stattgefunden und es wurden immer Lösungen gefunden, die beiden Seiten zugute kamen. Ich bin mir sicher, die neue Strecke wird von den Bürgern gut angenommen."
Die Nordstadt wächst an die Innenstadt heran
Die ehemalige Bahnstrecke nach Mannheim entwickelte sich in den letzten knapp 100 Jahren zur grünen Lunge der Nordweststadt. Daher wurde versucht, den alten Baumbestand so wenig wie möglich in Mitleidenschaft zu ziehen. Das wird unter anderem durch ein Punktfundament der Haltestellen erreicht, das die Wurzeln weniger in Mitleidenschaft zieht. Einige Bäume mussten der Trasse weichen, diese werden aber schrittweise ersetzt. Ein Teil wurde bereits zum Tag des Baumes zusammen mit Neureuter Schülern in einer gemeinsamen Aktion gepflanzt.
Ahornblätter verbinden Haltestellen und Natur (Foto: ka-news) |
Den engen Bezug zwischen Natur und Verkehr wollte auch der Architekt herstellen, nach dessen Entwürfen gebaut wird: Blattmuster verzieren die Bodenplatten und Glaswände der Haltestellen. "Die drei Kilometer lange Strecke hat ein eigenes und einzigartiges Design", erklärt Horst Stammler von den VBK. "Die Nordstadt wächst, es gibt hier viele junge Familien", beschreibt er die Situation. "Die Kinder werden auf weiterführende Schulen gehen, später auf die Hochschulen. Viele Familien haben sich hier bewusst angesiedelt, als der Bau der Strecke feststand. Die Nordstadt wächst jetzt näher an die Innenstadt heran."
Der Schallschutz war ein wichtiger Aspekt beim Bau (schwarze Blöcke an den Schienen, weiße Platten zwischen den Betonschwellen) (Foto: ka-news) |
Abitur ohne Presslufthammer
Die Weichen für die Nordstadt sind gestellt - und bald auch in Betrieb (Foto: ka-news) |
Die ursprüngliche Planung sah vor, dass die Linie 6, die am Mühlburger Tor endet, in die Nordstadt weiterfährt. Dies geht jedoch aufgrund von Kapazitätsunterschieden nicht. Nun wird die Linie 3 die Nordstadt versorgen: ihre Strecke zur Siemensallee wird von den Linien 2 und 6 übernommen. "Die Linie 6 war ja nur eine halbe Linie, das war klar, dass die in das neue Konzept mit eingebunden werden muss", so Stammler gegenüber ka-news.
Dem Lärmschutz wurde ebenso Genüge getan. Die Gleise werden mit einem speziellen Schallschutzsystem ausgestattet. Auch schon beim Bau wird Rücksicht genommen: Mit dem Helmholtz-Gymnasium wurden Absprachen getroffen, so dass Prüfungen - gerade die heute beginnenden Abiturarbeiten - ohne Baulärm stattfinden können. "Wir wollen die Belastungen für die Anwohner und für den Individualverkehr so gering wie möglich halten", versichert Casazza.
Straßenbahn muss eigentlich Rasenbahn heißen
Daher werden die Kreuzungen, auf denen die Gleise noch nicht verlegt sind, jetzt nacheinander abgesperrt, damit der Umleitungsverkehr so gering wie möglich ist. An diesem Wochenende wurde die Anschlussweiche an die Haltestelle Mühlburger Tor gelegt (ka-news berichtete), danach werden die restlichen Lücken geschlossen. Diese Maßnahmen werden noch ein letztes Mal zu größeren Umleitungen führen, bevor die Strecke ihrem Zweck übergeben werden kann.
Bald sind die Absperrungen nicht mehr nötig und die Nordstadtbahn hat eine freie Fahrt (Foto: ka-news) |
Neben den Arbeiten an den Haltestellen und den Gleislücken werden im April die Oberleitungen vervollständigt, denn wo kein Strom, da keine Straßenbahn. Die Streckenbegrünung ist schon ausgebracht, denn auf 2,8 von 3,1 Kilometern wird die Bahn in einem Rasengleis verlegt. Bis Ende Mai werden die Arbeiten dann abgeschlossen sein, so dass das Eröffnungsfest wie geplant am 27. Mai an der Endhaltestelle in der Heidesiedlung stattfinden kann. Dann können die Nordstadtbürger um 11 Uhr zum ersten Mal am Marktplatz in die Linie 3 einsteigen und den gelb-roten Trams eine "gute Fahrt" wünschen.