Die energetische Bilanz von Thermoselect sei negativ, denn laut Angaben der Energie Baden-Württemberg (EnBW) brauche sie 30 Prozent mehr Energie als sie überhaupt einsetzt. Hinzu kämen nicht geahndete Rechtsverstöße bei der Wasserentnahme und der Abgabe von Prozesswasser in den Rhein in ungenehmigter Höhe. Das seien ebenfalls Versäumnisse der Stadt Karlsruhe gewesen, denn diese hätte pflichtgemäß die besagten Vorgänge kontrollieren und die Verursacher notfalls bestrafen müssen. Das Verfahren sei alles andere als umweltfreundlich. Da hier eine Sortierung ausfällt, werde unter hohem Energieaufwand selbst eine Hochtemperaturverbrennung von Eisen und Porzellan durchgeführt. Aus dieser Vorgehensweise seien lungengängige Feinstäube, die auf Karlsruhe niedergehen, das Resultat.
Die Kostenfrage
Thermoselectanlage (Foto: pr) |
Die Aussagen der Thermoselect S.A., wonach die Thermoselectanlage in Karlsruhe die besten Emissionswerte Europas erreiche und um 90 Euro pro Tonne billiger als der Durchschnitt in Baden-Württemberg wäre, hält der Stadtrat für aus der Luft gegriffen. Denn die Entsorgungspreise der Thermoselect, 160 Euro für eine Tonne Müll, seien sogar 30 Euro pro Tonne teurer als der Durchschnitt. Hochgerechnet könnte Karlsruhe demzufolge enorme Einsparungen machen. Das Umwelt- und Gesundheitsdezernat verkündete, dass nur die technisch beste und ökologisch verträglichste Lösung zur Müllverwertung in Frage komme.
Die Grünen Fraktion ist überzeugt, diese Vorgabe mit der Industriellen Sortierung kompostierbarer Abfälle (ISKA) am Besten erfüllen zu können. Diese Variante betreibe bereits Buchen und kürzlich vereinbarte auch Heilbronn den Bau einer solchen Anlage. Die letztgenannte Stadt einigte sich mit EnBW auf einen Entsorgungspreis von 135 Euro die Tonne. Das Verfahren zeichne sich also durch den Preis, aber auch durch die ökologisch nützliche Sortierung aus. In deren Anschluss könnten biogene Anteile in einer Kombination aus Kompostierung und Vergärung abgebaut werden. Was nach diesem Arbeitsschritt übrig bliebe, würde schließlich verbrannt. Alle beteiligten Gebietskörperschaften, so ein Vorschlag Blocks, sollten eine Anlage mit der Kapazität von 150.000 Tonnen bauen. Mehr brauche man nicht, da in der Nähe noch genügend freie Kapazitäten übrig seien.
Wichtiger Partner EnBW
Doch noch besser findet Block den Vorschlag, die Kooperation mit der EnBW fortzusetzen und die Anlage von deren Tochterunternehmen U-Plus bauen zu lassen. Denn das drittgrößte Energieunternehmen Deutschlands sei einer der wichtigsten Finanzbringer in der Fächerstadt. Ein gutes Verhältnis sei deshalb von enormer Bedeutung. Schließlich könne das gesamte Unternehmen ganz nach Stuttgart umziehen, sollten sich die Beziehungen weiter verschlechtern. In diesem Zusammenhang müsse auch Bürgermeister Manfred Groh sein "katastrophales" Verhalten gegenüber der EnBW in Bezug auf die Finanzierung der Neuen Messe überdenken.
Falsche Behauptungen aus Locarno
Weitere Unterstützung erhält die EnBW von der Naturschutzorganisation Gaia, die ka-news ein Antwortschreiben auf die Behauptungen der Thermoselect S.A. Locarno (ka-news berichtete) schickte. Stadtrat Block konnte die darin aufgeführten Informationen ebenfalls bestätigen. Demnach habe die Thermoselect S.A. Locarno in diversen Punkten unwahre Äußerungen von sich gegeben. So gebe es weder in Polen noch in Irland konkrete Pläne zum Bau von Thermoselectanlagen. In Kärnten und Soeul/Korea habe es weitere gescheiterte Projekte der Firma gegeben. Die als Erfolgsmodell propagierte Anlage in Chiba/Japan produziere Emissionswerte, die weder deutschen noch europäischen Abgasnormen gerecht werden konnten. Darüber hinaus wäre dort seit Herbst 1999 ein halbes Jahr lang mit 27 Prozent Durchsatz Hausmüll und seitdem vorsortierter Industriemüll verbrannt worden.
Die Pilotanlage in Fontodoce sei 1999 endgültig geschlossen worden, unter anderem wegen einer Verurteilung des Management aufgrund von Umweltvergehen. Ähnliches habe sich einige Jahre zuvor ebenfalls in Italien abgespielt. Die Gaia berichtet zudem, dass die von der EnBW getätigten Investitionen keinesfalls unnötig gewesen seien. Vielmehr hätten die Unzulänglichkeiten der "Erfindung", womit Gaia die Pläne zum Bau und zur Durchführung der Thermoselecttechnologie meint, kostenintensive Maßnahmen erfordert. Angesichts dieser Sachverhalte sei eine eventuelle Regressforderung der EnBW AG erfolgsversprechend, da die Werbung von Thermoselect nie den Tatsachen entsprochen habe.