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Karlsruhe: Ein Zeitzeuge erzählt: Wie ich unter Nazis zur Schule ging und sie später im britischen Geheimdienst bekämpfte

Karlsruhe

Ein Zeitzeuge erzählt: Wie ich unter Nazis zur Schule ging und sie später im britischen Geheimdienst bekämpfte

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    Ashers Kindheit in Deutschland.
    Ashers Kindheit in Deutschland. Foto: Asher

    Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 findet eine ethnische und politische "Säuberung" statt. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wird im April 1933 verabschiedet und richtet sich hauptsächlich gegen politische Gegner und Juden. Neben Beamten und Politikern verlieren viele Tausende Ärzte, Juristen und Akademiker ihre Stellen. Auch die Schulen werden "judenfrei" gefegt. Ein ehemaliger Karlsruher Schüler aus USA, heute 102 Jahre alt, erinnert sich an das Leben in dieser Zeit in der Fächerstadt.

    Ashers Kindheit in Deutschland
    Ashers Kindheit in Deutschland Foto: Asher

    Das "Jerusalem Quartier"

    Als die Dinge anfangen, unangenehm zu werden, ist Asher noch in der Sexta, der damaligen 5. Klasse. Die vier jüdischen Schüler werden nach ganz hinten im Klassenzimmer versetzt und größtenteils ignoriert, wenn es um Fragen geht. Diese Ecke des Klassenzimmers tauft man das "Jerusalem Quartier".

    Die Jungs werden nicht mehr richtig in den Unterricht einbezogen – natürlich sind die Noten von allen stark gesunken. Doch waren natürlich nicht alle Lehrer nationalsozialistisch überzeugt, betont Asher heute. Es wurde für sie aber zunehmend schwieriger, sich gegen den Druck von oben zu wehren.

    Die Schule bietet eine erstklassige Ausbildung und Zuflucht

    Nichtsdestotrotz: "Ich habe eine erstklassige Ausbildung an der Schule erhalten", betont Asher heute. "Die Schule stellte für mich eine Art Zufluchtsort inmitten von schwierigen Umständen dar, aufgrund des turbulenten politischen Klimas im damaligen Deutschland". Der Junge besucht natürlich weiterhin den Unterricht und ist fest entschlossen zu lernen, obwohl die Möglichkeiten manchmal durch diskriminierende Praktiken eingeschränkt waren. Auch sportlich ist Asher erfolgreich – zu dieser Zeit gibt es einen großen Sportwettbewerb zwischen allen Karlsruher Schulen und Asher schneidet sehr gut ab. Er bekommt sogar ein Siegerdiplom – "es wurde von Baldur von Schirach unterschrieben – dem Reichsjugendführer der NSDAP", erklärt Asher.

    Ashers Kindheit in Deutschland
    Ashers Kindheit in Deutschland Foto: Asher

    Aber in den nächsten Jahren kommt viel zusammen. Ashers Mutter stirbt 1937, da ist er gerade 13 Jahre alt. Und als Asher in die Untertertia, die damalige 8. Klasse kommt, erhält seine Familie die Nachricht, dass die Schule "judenrein" wird.

    Die Nationalsozialisten benutzen den Begriff "judenrein" (oder "judenfrei") um Organisationen, Berufe, akademische Bereiche und Regionen zu beschreiben, aus denen die dortigen Juden entfernt, deportiert oder vertrieben werden. Der "Säuberungsprozess" fängt direkt nach der Machtergreifung an. Das Gesetz zur Reichskulturkammer vom 22. September 1933 macht jede Betätigung von Juden an nichtjüdischen Kultureinrichtungen unmöglich. So werden Juden ausgegrenzt und viele wandern zu dieser Zeit bereits aus.

    Ein neues Leben in Palästina und USA

    Asher verlässt Karlsruhe im Mai 1936, um mit seiner Tante, der Schwester seines Vaters, in Palästina zu leben. Er ist zu dieser Zeit 14 Jahre alt und macht die lange Reise dorthin auf zwei Schiffen allein. In den 1930er Jahren war das britische Mandatsgebiet Palästina eine geopolitische Einheit, die seit 1920 in der Region Palästina gemäß den Bestimmungen des Völkerbundsmandats für Palästina bestand. Hier besucht der Junge weiterhin die Schule. Zwei Jahre später, nach den Ereignissen der Kristallnacht im November 1938, wandert sein Vater mit Ashers Schwester von Deutschland in die USA aus. 

    Britische Armee in Palästina
    Britische Armee in Palästina Foto: Asher

    Im Alter von 20 Jahren, noch während des Zweiten Weltkriegs, tritt Asher in die britische Armee ein und wird aufgrund seiner Deutschkenntnisse dem Geheimdienst zugeteilt. "Die Deutschen waren zu diesem Zeitpunkt in Alexandria, im benachbarten Ägypten," erklärt Asher, "und Großbritannien rief Freiwillige zur Teilnahme an der Armee auf". Nach einer Zeit bei den israelischen Verteidigungsstreitkräften nach dem Krieg emigriert Asher 1970 auch in die USA, wo er heute mit seiner Familie lebt.

    Dankbarkeit für Deutschlands Beitrag

    Abschließend lobt er im Gespräch die positiven Veränderungen im deutschen Bildungswesen, die allen Schülern die gleichen Chancen zum Lernen und Gedeihen ermöglichen. "Die Bildung und ein sicheres Lernumfeld sind unentbehrlich für die Förderung von Empathie, Mut und moralischer Integrität bei Schülern", behauptet Asher, "selbst im Angesicht der Not".

    Heute ist der 102-jährige Asher dankbar für alles, was Deutschland für deutsche Juden tut, erklärt Asher im gemeinsamen Gespräch mit ka-news.de. Nichtsdestotrotz hat seine Zeit als Schüler an dem Gymnasium sein Leben und seine Sichtweise tiefgreifend geprägt. 

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